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Der Irakkrieg hat es der ganzen Welt vor Augen geführt. Europa ist sich in speziellen Fragen, gerade der Verteidigung und der Außenpolitik, nicht einig. Die Vereinigten Staaten von Amerika sprechen da vom "Alten Europa" - die Befürworter einer eigenen europäischen Verteidigungs- und Außenpolitik parallel und unabhängig von der NATO von dem "Kern-europa". Die Kerneuropäer treffen sich am 29. April zu einem Gipfel über die Verteidigungsunion. An dieser Frage stoßen zwei ganz entscheidende Aufgaben des europäischen Einigungsprozesses aufeinander: die Vertiefung mit europäischer Verfassung einerseits und die Erweiterung mit den erfolgreichen Strukturen des europäischen Binnenmarktes andererseits.
Es ist in der Tat der karolingische Kern Europas, genauer seine Regierungschefs, der eine Verschränkung von Erweiterung und Vertiefung der Europäischen Gemeinschaften fest ins Auge gefaßt zu haben scheint. Dabei ist es das Ziel Frankreichs, ganz in der Tradition des "Europas der Vaterländer ", der Konzeption Charles de Gaulles, Europa eine funktionierende Struktur zu geben - mit gewähltem Präsidenten und regionaler Verwaltung. Dies sind Akte der Vertiefung, die für die neuen Staaten innerhalb der EU nicht schnell möglich sein dürften. Aus diesem Grunde ist ein Europa der zwei oder der mehreren Geschwindigkeiten, wie es Ende der neunziger Jahre auch von Wolfgang Schäuble und Kurt Lamers gefordert wurde, sinnvoll.
Nach dem Athener Gipfel ist der Weg für den Beitritt der zehn neuen Kandidaten frei. Aber es wachsen so auch die Schwierigkeiten der Verständigung in der gemeinsamen Außen- und Verteidigungspolitik. In diesem Licht erscheint der Sondergipfel von vier der sechs Gründerstaaten der Europäischen Gemeinschaften, nämlich von Frankreich, Belgien, Luxemburg und Deutschland, als Versuch, neben dem Verfassungskonvent eine klare Linie im europäischen Einigungsprozeß zu halten.
Es geht um den Plan der Bildung eigener europäischer Streitkräfte, deren Einsatzgebiet Europa und nicht, man denke an die Worte des Bundesverteidigungsministers Struck, der Hindukusch ist. Und es geht um die Bildung von Einsatzkräften, die europäische, nicht amerikanische Interessen wahren. In diesem Sinne ist es ganz so, wie sich der luxemburgische Premierminister äußerte: "Es geht für die vier darum, in Europa wieder eine Vorreiterrolle zu spielen" und die Idee der europäischen Einigung nicht auf dem Altar globaler Verwicklungen und Verstrickungen zu opfern, deren Ursachen im Nahen Osten und auch in den Interessen Israels und bestimmter Lobbies in den USA zu suchen sind. Die Rolle der NATO bleibt für die Erweiterungsstaaten hier eine militärische, vor allem aber eine politische der Integration in den Westen und nach Europa. Die Europäische Union ist hingegen auch kein "Supermarkt", in dem man sich nach nationalen Interesse bedienen kann und politisch wie militärstrategisch auf Dauer abstinent bleibt. Dies bedeutet für Polen und die anderen Staaten des "Neuen Europa" eine notwendige Hinwendung zum Kern - wollen sie nicht nur Konsumenten, sondern Teilhaber des historischen und selbständigen wie freien Europas sein. Es geht auch anders:
Polen, das Baltikum und die Staaten Südosteuropas bildeten dann die Schale der Nuß - blieben jedoch auch bei wichtigen Entscheidungen wie zur Verteidigungs- und Außenpolitik außen vor. Dies ist nicht wünschenswert, jedoch möglich und administrativ einfacher ist es auch. |
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