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Manch plastisches Werk aus Stein, Marmor oder Bronze aus dem alten Königsberg, das bisher als zerstört oder verschollen galt, ist in den vergangenen Jahren wieder aufgetaucht. Dazu gehört die bisher unpublizierte Tierplastik "Zwei spielende Windhunde" des Bildhauers Erich Schmidt-Kestner. Herbert Meinhardt Mühlpfordt gibt in seinem "Königsberger Skulpturen und ihre Meister 12551945" von 1970 bei der Tiergruppe als "Schicksal: Unbekannt" an. Wir erfahren aber, daß die bronzene Gruppe früher an der Hauptpromenade im Tiergarten stand und ein Geschenk des Künstlers aus dem Jahre 1930 war. Der Autor führt weitere Werke des am 15. Januar 1877 in Berlin geborenen und von 1927 bis 1933 als Leiter der Bildhauerklasse an der Kunst- und Gewerkschule Königsberg wirkenden Professors an. Darunter befinden sich eine Bronzebüste Ernst Wiechert s 1929, heute im Museum Stadt Königsberg in Duisburg, die verschollene Kolossalfigur "Gesunder Mensch" aus Muschelkalk am Eingang zur Neuen Anatomie 1933 und das zerstörte Relief Richard Wagners aus Marmor im Opernhaus 1936, 1936 anläßlich der 100. Wiederkehr des dortigen Wirkens des Kapellmeisters angebracht.
An weiteren Tierplastiken werden nur ein vor 1913 für die Porzellanmanufaktur Ilmenau geschaffenes Modell "Fuchs und Gans" und eine "Tiergruppe. Bronze. Um 1928" vor der Kunstgewerkschule in Königsberg, über deren Verbleib nichts bekannt ist, genannt. Um so mehr darf man die Aufstellung der eindrucksvollen, zu Zeiten der Sowjetunion den Garten eines Generals schmückenden Bronzegruppe der beiden "Spielenden Windhunde" in der heutigen Kunstgalerie der Stadt begrüßen. Die Identifizierung des über einen Meter hohen Werkes ist durch die noch deutlich lesbare Signatur "Schmidt-Kestner" auf der ovalen Plinthe zwischen dem linken Hinterbein und dem Schwanz des stehenden Hundes gesichert. Auch die Gießerei ist dort vermerkt: "Guss Martin u. Piltzing Berlin N.".
Es ist die gleiche Gießerei in Berlin-Niederschönhausen, die schon 1913 die von Walter Rosenberg für das Claaß-Denkmal geschaffene Tiergruppe gegossen hat, wie die auch hier noch lesbare Signatur auf der Plinthe verrät. Die Gruppe zeigt eine Panthermutter, deren zwei Junge von einem Knaben gefüttert werden. Ebenfalls im Garten eines Generals überdauernd, kann die Tierplastik, welche die Liebe der Menschen zu den Tieren symbolisiert, schon seit 1992 am ursprünglichen Aufstellungsort am Hauptweg des Zoos unweit des vormaligen großen Schmuckplatzes mit dem Becken der Leuchtfontäne und der Ruine des ehemaligen Gesellschaftshauses bewundert werden. Auch das verlorene Bildnismedaillon des ersten Tiergartendirektors Hermann Claaß mit Hut am Denkmalssockel ist inzwischen von einem russischen Künstler nachgebildet worden.
Obgleich die Ausschmückung der Zoos in Deutschland mit Tierplastiken namhafter Bildhauer beliebt war, ist mir aus dem früheren Königsberger Tiergarten keine weitere bekannt. Haben sich einerseits russische Generäle für ihre Villengärten an Hunde- und Löwenfiguren im Tiergarten bedient, so sind andererseits nach dem Krieg Tierplastiken, zumeist monumentale Gruppen, in den Zoopark verbracht worden. So stand die lebensgroße Porphyrfigur des Orang-Utans 1930 von Arthur Steiner am modernen Affenhaus einst vor dem Haus des Künstlers in der Kraus-Allee. Ähnliches ist in Berlin mit dem "Bären mit Rosenkorb" 1917 von August Gaul geschehen. Ursprünglich als Teil eines Ensembles die Treppe der Terrasse der Villa des Generaldirektors der AEG, Felix Deutsch, in der Rauchstraße schmückend, hat der Rastenburger Waldemar Grzimek die Sandsteinfigur nach dem Krieg aus den Trümmern geborgen und dem Zoo geschenkt.
Der stattliche, nach Ausweis der Signatur 1928 bei Hermann Noack in Berlin-Friedenau gegossene bronzene Elch von Ludwig Vordermayer vor dem großen Teich befand sich früher auf dem Anger vor dem Grenzlandtheater in Tilsit. Sein ebenfalls nach dem Krieg im Zoo untergebrachter "Kollege" aus Gumbinnen ist 1992 dorthin zurückgekehrt. Schon zuvor verlassen hat den Tierpark auch die Bronzegruppe der "Kämpfenden Wisente" 1911 von August Gaul. Sie steht heute am angestammten Platz der Brunnenanlage in der vormaligen Hufen-Allee.
Erich Schmidt-Kestner, der Schöpfer der "Spielenden Windhunde", starb nach Mühlpfordt um 1940 in Kassel, an dessen Kunstschule er nach seiner Entlassung in Königsberg "bald nach 1933" gekommen sein soll. Verschwie-gen hat Mühlpfordt allerdings einen Teil der Werke des Bildhauers in Königsberg um 1933. In dem 1993 von Rudolf Meyer-Bremen bearbeiteten und herausgegebenen Werk über die "Ausstellungskataloge des Königsberger Kunstvereins" finden sich im Katalog der "62. Kunstausstellung des Kunstvereins" in der Kunsthalle am Wrangelturm im Jahre 1933 eine Gipsbüste "Der Führer" für 1500 Reichsmark und ein "Porträt Oberst Abbes", ebenfalls aus Gips. Die "Adolf-Hitler-Büste" erwähnt auch 1936 des von Ulrich Thieme und Felix Becker begründete große Künstlerlexikon. Ist dieses letztere Engagement von Erich Schmidt-Kestner der Grund dafür, daß er nach dem Krieg in keinem Künstlerlexikon mehr zu finden ist?
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