|
Eine stattliche Reihe von Künstlerinnen und Künstlern, aber auch von Zeichenlehrern, die jungen Menschen die Kunst näher-brachten, sind aus seiner harten und strengen Schule hervorgegangen. Ihm lag es besonders daran, "wirkliche Persönlichkeiten zu formen". Kaum einer aber erinnert sich heute noch an den Künstler Karl Storch d. Ä. Es still geworden um ihn und seine Kunst. Sie sei nicht mehr zeitgemäß, behaupten die Kritiker. "Wer der Natur treu bleibt und sie pietätvoll behandelt, dessen Kunst kann wohl mal für eine gewisse Zeit im Chaos unter-tauchen und von den Jungen beiseite geschoben werden, aber sie taucht immer wieder auf", so Karl Storch einmal zuversichtlich.
"Still und zähe am richtig Erkannten unbedingt festhaltend, dem Neuen nur so weit Raum gebend, als sich darin Werte äußern, die ihm gemäß sind, hat Karl Storch durch intensives Studium der Natur seine Bilder vorbereitet und vollendet", las man im November 1952 in der Ostdeutschland-Warte über den am 28. Januar 1864 im holsteinischen Bad Segeberg geborenen Künstler Karl Storch d. Ä. Er gehörte zu den Männern, die einst Ludwig Dettmann, Direktor der Königsberger Kunstakademie, nach Ostdeutschland berief, um dort angehende Künstler und Zeichenlehrer auszubilden. Obwohl seiner holsteinischen Heimat stets aufs engste verbunden - so sprach er bis ins hohe Alter mit Vorliebe in seiner heimatlichen Mundart -, fand Storch im Osten des Reiches eine Landschaft vor, die ihn faszinierte und die er auf zahllosen Gemälden meisterhaft festhielt.
Als Sohn eines Kaufmanns in Bad Segeberg geboren, trat Karl Storch nach dem Schulabschluß als Lehrling in das Geschäft seines Vaters ein. Schon zu dieser Zeit aber fühlte er sich zur Kunst hingezogen. Trotz fehlender Farben, die er sich später selbst rieb und mischte, trotz fehlenden Materials - Pinsel stellte er sich zum Beispiel aus den Stirnhaaren seines Hundes zusammen - und mangelnden Unterrichts ließ Storch sich von seinem Vorhaben nicht abbringen.
Erst aber als er nach Kiel ging, um dort in einer großen Drogen- und Farbenhandlung zu arbeiten, erweiterte sich sein Blickfeld. Dort, in der Kieler Kunsthalle, begegnete er zum ersten Mal der großen Kunst. Es gelang ihm, vom Vater die Erlaubnis abzuringen, in Berlin studieren zu dürfen. Dort besuchte er ab 1883 die Kunstakademie, wo unter anderen Hellquist, Skarbina und Meyerheim seine Lehrer waren. Seinem Freund, dem Komponisten Otto Besch, aber gestand Storch einmal: "Dort lernte ich das Zeichnen, aber nicht das Malen. In dieser Hinsicht war die Natur mein strenger und unerbittlicher Lehrer."
Inzwischen aber hatte sich Karl Storch der Berliner Sezession angeschlossen und arbeitete einige Jahre als Illustrator für große Berliner Zeitungen und Verlage; auch gab er Unterricht in der damals geschätzten Kunstschule von Konrad Fehr. 1902 dann folgte er dem Ruf Dettmanns nach Königsberg; dort wirkte er, 1908 zum Professor ernannt, bis zu seiner Pensionierung 1929 als Leiter der Zeichenklasse. Über diese Rolle las man bei Karl Heinz Claasen 1926 in "Westermanns Monatsheften" (70. Jahrgang): "Storch ist nie mit lautem Programm an die Öffentlichkeit getreten und hat auch nie versucht, eine Rolle zu spielen. Sein Vorbild bestand vor allem in seiner sachlichen, strengen Pflichterfüllung, in seinem stillen, arbeitsamen Künstlertum. Die Schüler, die aus seinem Unterricht hervorgingen, haben gelernt, die Kunst als eine verantwortungsvolle Arbeit ernst zu nehmen ... Die Zeichenlehrerabteilung, die Storch künstlerisch leitete, wurde für die Durchdringung des Ostens mit Kunst und Geschmack besonders wichtig, gingen doch aus ihr die zahlreichen Zeichenlehrer hervor, die in den Schulen die erste Anweisung zum bildlichen Ausdruck erteilen."
Ein besonderes Anliegen aber war es Karl Storch, mit seinen Schülern in die freie Natur zu ziehen und dort zu malen. Selbst im Winter zog es den Meister ins Freie. So entstanden im Lauf der Jahre eindrucksvolle "Hafen- und Strandbilder, Park- und Heidelandschaften, verschwiegene Winkel im sonnendurchleuchteten Dickicht hinter den Dünen und die freie Steilküste mit ihren wetterzerklüfteten Schroffen". Die Schrecken des Zweiten Weltkriegs, die Zerstörungen durch die Bombennächte und die Flucht vor der Roten Armee brachten auch für Karl Storch den Verlust fast seines ganzen Lebenswerkes. Einige Bilder befinden sich heute in Privatbesitz, in Museen, so im Ostdeutschen Landesmuseum, und im Besitz der Stadt Bad Segeberg, wo Karl Storch seinen Lebensabend verbrachte. Nur 14 Tage nach seinem 90. Geburtstag, an dem er noch mit der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes geehrt wurde, nahm ihm der Tod den Pinsel aus seiner nimmermüden Hand. Der Künstler starb vor 50 Jahren am 11. Februar 1954 an den Folgen einer Blinddarmoperation.
Peter van Lohuizen
Karl Storch d. Ä.: Winterfreuden (Öl, 1930) |
|