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Renate B. war wie ausgewechselt, als hätte sie ein Bad im Jungbrunnen genommen. Ihre Freunde und auch ihre ehemaligen Kollegen wunderten sich. Was war sie doch für ein Häufchen Elend gewesen, als es für sie hieß, in Rente zu gehen. Jahrzehntelang hatte sie ihr Leben auf die jeweilige Firma eingestellt, in der sie ihren Lebensunterhalt verdiente. Ein richtiges Steckenpferd hatte sie nicht. Woher sollte sie die Zeit dafür nehmen? Umso tiefer fiel die agile Frau in das berühmte "schwarze Loch" nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsleben, in das sonst nur Männer fallen.
Eine Familie hatte sie nicht zu versorgen, der Mann früh gestorben, die Kinder längst erwachsen und aus dem Haus. Ja, wenn sie Enkelkinder hätte, dann sähe die Welt wohl anders aus, so hatte Renate B. lange gedacht, um die könnte sie sich kümmern, mit ihnen spielen, Ausflüge unternehmen, Märchen erzählen, so wie ihre Großmutter es früher getan hatte. Wehmütig erinnerte sie sich an ihre eigene unbeschwerte Kindheit. Großchen war immer zur Stelle gewesen, wenn die Mutter keine Zeit hatte. Mit ihr konnte sie gut plachandern, mit ihr konnte sie lachen und singen. Ja, so manchen Streich hatten sie sogar miteinander ausgeheckt ...
Und dann war Renate B. plötzlich auf einen Artikel in ihrer Tageszeitung gestoßen. Großeltern gesucht! Nicht zu übersehen war diese Überschrift. Neugierig geworden, hatte sie sich schlau gemacht und erfahren, was sich hinter diesem Suchwunsch verbarg: ein Großelterndienst! Frauen und Männer, die ihre Kinder allein erziehen, Eltern, die beide berufs tätig sein müssen (oder wollen), die Schichtarbeit leisten müssen, oder deren eigene Eltern weit entfernt wohnen, können Hilfe erhalten in der Kinderbetreuung durch einen solchen Großelterndienst.
Eine Idee breitete sich blitzartig im Kopf von Renate B. aus: Das war s! Wenn schon keine eigenen Enkel, dann vielleicht ein oder zwei Knirpse, die ihre Hilfe - und Liebe - dringend brauchten. Eine Telefonnummer war schnell herausgefunden und schon in den nächsten Tagen ein Termin abgemacht ...
Die Betreuung fremder Kinder hat Renate B. wieder Freude am Leben gegeben. Sie fühlt sich gebraucht, kann etwas Sinnvolles auch im Alter leisten und die schönste Belohnung ist für sie das Lachen der Kinder, wenn "ihre neue Oma" sie zum Spielen abholt.
In vielen größeren Städten gibt es heute einen Großelterndienst, so in Berlin (Ansbacherstraße 63, 10777 Berlin, Tel. 030/ 213 55 14), in Hannover (Burgstraße 8/10, 30159 Hannover, Tel. 0511/368 71 65), in Lingen (Stadtverwaltung Raum PO 4, 49808 Lingen, Tel. 0591/9144-392) und in Leipzig (Weinlingstraße 11, 04155 Leipzig, Tel. 0341/ 564 85 02). Dort findet man Informationen, wie man zu einer Wunsch-Oma werden kann. Gefragt sind Menschen zwischen 45 und 69 Jahren, die bereit sind ein- bis zweimal wöchentlich gegen eine Kostenerstattung von rund 4 Euro die Stunde Kinder zu betreuen - vom Baby bis zum 10jährigen. Die Großelterndienste informieren vor dem ersten Kennenlernen über die Kinder und deren Familie, auch bieten sie Weiterbildung an zum Thema Erziehung. Ein erstes Kennenlernen zwischen Wunsch-Oma und der Familie findet in den Räumen des Großelterndienstes statt. Später kann man die Beziehungen eigenständig gestalten und verabreden.
Ein Herz für Kinder, Zeit und viel Energie braucht man als Oma auf Zeit. Doch ist die so investierte Freizeit sinnvoll genutzt und beschert nicht nur den Kindern und ihren Eltern Freude. Osma |
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