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An einem naßkalten und nebligen Abend, als seine über alles geliebte „Anna Maria“ zum Überholen im Stettiner Hafen lag, bekam der rauhbeinige Käptn Bosselmann eine Einladung zu einem „Binnenschiffer-Abend“, was gar nicht so recht in sein seemännisches Gehabe paßte. Um aber kein Spielverderber zu sein, sagte er zu, aus seinem reichen und bewegten Seemannsleben zu erzählen. - In der alten Hafenkneipe am Wehr empfing man ihn auch mit großem Hallo, dicken, schweren Havanna-Zigarren und herrlich duftenden, genüßlichen Grogs.
„Ehe ich auf meine ,Anna Maria‘ umstieg“, begann er sein Seemanns-Latein, „arbeitete ich auf dem berühmten Walfangschiff ,Scandia I‘, das zwischen den Nordseehäfen und Grönland schipperte. Auf der Höhe des nördlichsten Punkts von Grönland kamen wir in einen der gefährlichen Nordoststürme, die unser Schiff wie ein Spielzeug hin- und herschleuderten. Eine Zeitlang hielten noch die Planken, doch dann brach der Pott auseinander. Alles, Mann und Maus, versank in dem Brodeln der Gischt des Eismeeres. - Ich war der einzige Überlebende , und das dankte ich nur meinem lieben Muttchen aus Pillau. Sie hatte mir zwei dicke wollene Troyers gestrickt, ebensolche dicken warmen Wollstrümpfe und wollene Stulpenhandschuhe. Unter den Troyers verbarg ich in allerletzter Minute zwei Flaschen echten Jamaika-Rum sowie einen Riemen Dörrfleisch.
Als ich meine Füße zum erstenmal auf das grönländische Festland setzte, sah ich ringsum nichts anderes als eine riesige Eiswüste mit hohen Eis-Barrieren. Nirgends aber eine Menschenseele, dabei hatten mir die Walfänger erzählt, daß die Eskimos mitsamt ihren Familien unentwegt auf dem grönländischen Eis seien. - Soweit mein Auge reichte, nicht ein einziger Eskimo oder Wikinger zu sehen. Es war zum Verzweifeln. Insgeheim schwor ich, träfe ich einen Menschen, würde ich mit ihm meinen letzten Priem teilen.
Ein Mensch, frohlockte ich plötzlich, als ich einen dunklen Punkt sah, und rannte darauf zu. Als ich ihn umklammern wollte, taumelte ich zurück ... der dunkle Punkt ... war mein Schatten!“
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