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Meine Tochter Katharina ist eine Nachgeborene. Und darum ist ihr Denken auf Gegenwart und Zukunft orientiert, nicht so sehr auf das Vergangene wie bei mir, der seine Kindheit noch in Königsberg verleben durfte.
"Rede doch nicht immer über Königsberg und Ostdeutschland und wie schön es damals war", sagte sie oft, "begreife doch endlich mal, daß alles vorbei ist, ich bin jung und Königsberg und Euer Osten interessiert mich nicht. Verstehe das doch und respektiere es." Sie sagte das wirklich so - "Respektiere bitte, daß ich dein Gelaber über Heimat nicht mehr hören kann!"
Ja, ich bin eben ein alter Vater und halte meiner Tochter zugute, daß sie anders denkt als ich. Ihr Zuhause ist Nordwestdeutschland, etwa 800 Kilometer und Jahrzehnte von meiner Heimat entfernt.
Ich hatte es mir in den vergangenen Jahren angewöhnt, nicht mehr von meiner Heimat Ostdeutschland zu reden. Ich wollte meine junge Tochter nicht mit dem belasten, was mich belastet und auch weiter belasten wird.
Vor neun Stunden - ich habe auf die Uhr gesehen - vor genau neun Stunden kam ein Anruf aus Peking. Meine in England studierende Tochter hat zur Zeit Semesterferien, könnte am Mittelmeer oder sonst irgendwo faulenzen, will aber ihre Zeit nutzen und nahm das Angebot für ein Praktikum bei einem deutschen Unternehmen in China an.
"Babu", sagte meine Tochter am Telefon, seit Kindertagen nennt sie ihren Vater so, "Babu, es ist kaum zu glauben. Eben sah ich im Fernsehen einen Film über eine Bahnfahrt von Berlin nach Königsberg. Nach Königsberg, hast du gehört?"
Ja, ich hatte gehört, kenne ja den Film und sagte meiner Tochter: "Siehst du, so schließt sich ein Kreis über Zeit und Raum, nach vielen Jahren und über viele tausend Kilometer." Und ich steckte mir meine Pfeife an und lachte, aber nur leise. Denn meine Tochter sollte das nicht bis Peking hören.
Nimm dir Zeit
Höre andern Menschen zu,
nimm dir dazu Zeit,
strahle aus die edle Ruh,
lindere ihr Leid.
Reich wird deine Seele sein,
dankbar das Gemüt,
und die Freude kehret ein,
Zuversicht erblüht.
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