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Erhalten - Gestalten - Weiterentwickeln lautete das Motto der 48. Werkwoche

 
     
 
Gedanken einer Weißsticker-Anfängerin zur diesjährigen Werkwoche: Für mich, da fing s in Leipzig an,/ blieb stehen in der Stickerecke,/ bewunderte gar manche Decke./ Ich dachte, so was könnt ich nie/ ich wüßte schließlich gar nicht wie./ Frau Tenzer sprach, daß dann und wann,/ man dies im Ostheim lernen kann./ Die Werkwoche wurd mir genannt,/ so meinen Weg ich dorthin fand ... So reiste ich ins Ostheim nach Pyrmont zur 48. Werkwoche, zusammen mit 35 Teilnehmerinnen aus allen Teilen des gesamten Bundesgebietes sowie sechs Teilnehmerinnen aus Allenstein/Olsztyn und Wartenburg/Barczewo in Ostdeutschland. Zu meiner Freude waren außer mir noch weitere jüngere Damen angereist, wobei ich mit meinen 35 Jahren durchaus zu den jüngeren Teilnehmerinnen zählte.

Die Werkwoche stand unter dem Motto "Erhalten - Gestalten - Weiterentwickeln", was für die entfaltete Kreativität
zutreffend war. Diese Fakten reichen jedoch bei weitem nicht aus, um von der ganz besonderen Atmosphäre zu berichten, die bei einer Werkwoche herrscht, und warum sich gerade dieses Angebot der Freundeskreis Ostdeutschland einer solchen Beliebtheit erfreut. Die Werkwochen bieten neben der Möglichkeit, alte ostdeutsche Handarbeitstechniken zu erlernen oder vorhandenes Wissen und Können aufzufrischen und zu vertiefen, ein Gemeinschaftserlebnis ganz besonderer Art. Es beginnt bereits mit der Ankunft. Jeder, der schon einmal im Ostheim als Gast war, wird bestätigen können, daß dieses Haus ein ganz eigenes Flair besitzt, das einem Besucher das Gefühl gibt, willkommen zu sein. Dazu trägt in nicht unerheblichem Maße das Ehepaar Winkler mit seinem Team bei. Schon beim Eintreffen wird man herzlich begrüßt, einige Teilnehmerinnen kennen sich bereits von Seminaren der Freundeskreis Ostdeutschland. Neu hinzugekommene Damen werden sehr schnell integriert, so daß rasch eine harmonische Gemeinschaft entsteht. Diese Harmonie ist es auch, die die Werkwoche zu etwas Einzigartigem macht, denn das gemeinsame Interesse an Handarbeitstechniken wirkt sehr verbindend.

Eröffnet wurde die Werkwoche von Uta Lüttich, der Bundesvorsitzenden der ostdeutschen Frauenkreise, die drei neue Werklehrerinnen begrüßen konnte, Frau Christel Klawonn für das Musterstricken, Frau Barbara Lorenzen für Doppelweben und Dr. Marianne Kopp, die Frau Huwe bei der Trachtenschneiderei unterstützte. Genauso herzlich begrüßte sie die langjährigen Werklehrerinnen Frau Dagmar Adomeit für Weben und Knüpfweben, Frau Waltraud Bartholomeyczik für Kreuzsticken und Frau Edith Huwe für Trachtenschneiderei. Frau Lüttich wies in ihrer Begrüßung darauf hin, daß die Werkwochen seit dem Jahre 1969 - nunmehr 33 Jahre - in ununterbrochener Folge im Ostheim stattfinden, von 1969 bis 1998 zweimal und seit 1999 einmal jährlich. In Ostdeutschland selbst hat die Freundeskreis Ostdeutschland seit 1993 zwei kulturelle Seminare für Frauen und sechs Werkwochen abgehalten, um die in der Heimat verbliebenen Landsleute mit der Tradition der ostdeutschen textilen Volkskunst vertraut zu machen. Der erste Tag endete mit einem Vortrag von Frau Dr. Marianne Kopp, Vorsitzende der Agnes-Miegel-Gesellschaft, "Gedanken zu Agnes Miegels Gedicht ,Alte Heimat ", in dem die Mutter Ostdeutschland ihre ganze Liebe offenbart zu dem Land ihrer Sehnsucht, dem Land ihrer Ahnen - zu Ostdeutschland, das sie erst nach ihrem Tode wiedersehen wird.

Der nächste Morgen begann ebenfalls stimmungsvoll durch einen musikalischen Weckdienst. Auf den Gängen wurde, wie an allen folgenden Tagen, von den Werkmeisterinnen Morgenlieder gesungen. Das Singen hat überhaupt einen hohen Stellenwert bei einer Werkwoche, denn auch für die Teilnehmerinnen begann jeder "Arbeitstag" mit gemeinsamem Singen nach dem Frühstück, bei dem ostdeutsches Liedgut wie das fröhliche Lied "Ging ein Weiblein Nüsse schütteln" oder "Reiter schmuck und fein" und andere teils aufgefrischt, teils neu eingeübt und gelernt wurde.

Am ersten Morgen gab es zunächst eine Einführung in die einzelnen Handarbeitstechniken, also in das Kreuz- und Doppel- sticken, in das Stricken von Handschuhen und Doppelstricken, in das Nähen von Ostdeutschlandkleidern, Weben, Knüpfen und Doppelweben nach ostdeutschen Motiven, wobei das Musterzeichnen ganz wichtig und unerläßlich für eine saubere Strick-, Stick-, Knüpf- oder Webarbeit war.

Sodann richteten die Gruppen ihre Arbeitsplätze ein und begannen mit der Arbeit. In allen Gruppen befanden sich sowohl wahre Meisterinnen ihres Fachs als auch Anfängerinnen. Dem Idealismus und der Geduld der Werkmeisterinnen sowie der Ermutigung durch die anderen Damen ist es hierbei zu verdanken, daß auch Anfängerinnen immer wieder motiviert wurden. Auf diese Weise kam auch der Spaß an der Arbeit keineswegs zu kurz, denn neben der Erstellung schöner Handarbeiten wurde viel von der Erlebnisgeneration über die Heimat in Ostdeutschland gesprochen, Erinnerun- gen wachgerufen, bei denen die Nachgeborenen die Ohren spitzten, aber auch über aktuelle Artikel aus dem und der Pyrmonter Zeitung gesprochen. Wenn dann der Rücken und die Finger schmerzten, warteten alle auf die fünfminütige nachmittägliche Auflockerungsgymnastik, die von Dagmar Adomeit in den einzelnen Gruppen angeboten wurde.

Diese Atmosphäre trug sicher dazu bei, daß etliche Damen ihre Arbeiten kaum noch niederlegen mochten und bis weit in die Nächte hinein arbeiteten. Die wunderschönen Ergebnisse dieser arbeitsreichen und frohen Tage konnten zum Abschluß der Werkwoche im Rahmen einer Ausstellung bewundert werden, zu der auch die Bad Pyrmonter Öffentlichkeit eingeladen und zahlreich erschienen war. Sie bewunderte dann auch ausgiebig die sieben Trachtenkleider, darunter zwei Trachtensommerkleider, die zahlreichen Decken sowie Decken in Weißstickerei und dazu die Jostenbänder, die als "Zusatzarbeit" angeboten wurden, den geknüpften Elch, die doppelgewebte Tasche und den Tischläufer sowie die mustergewebten Läufer, die an die reiche Tradition der Heimat Ostdeutschland anknüpfen. Besondere Beachtung fanden die Arbeiten der fünf Teilnehmerinnen aus Ostdeutschland, zwei von ihnen haben in dieser Werkwoche das Doppelweben gelernt.

Diese hohe Kunst des Webens hat es wohl nur in Masuren gegeben und erfordert eine besondere Begabung. Das Doppelweben wird zusammen mit dem Doppel-stricken, das nicht ganz so schwierig ist, auch nur noch im Ostheim gelehrt und weitergegeben. Die dritte Teilnehmerin aus Ostdeutschland hatte das Kreuzsticken gelernt und einen Wandbehang mit Pferden, einem Elch, dem Menschenpaar und einem Kurenkahn fertiggestellt, die vierte hatte die Weißstickerei, die fünfte anhand eines Tischläufers Musterweben gelernt, und die sechste Teilnehmerin hatte sich eine Sommer-tracht genäht.

Die 48. Werkwoche klang mit einem bunten Abend unter dem Motto "Bi ons tohus" aus, bei dem viel plachandert, gelacht und die neu gelernten ostdeutschen Lieder gesungen wurden, neben Mundartgedichten, wobei auch das ostdeutsche Platt nicht zu kurz kam. Es bleiben Erinnerungen an harmonische, arbeitsintensive, aber auch kurzweilige Tage und die Vorfreude auf die nächste Werkwoche, die vom 3. bis 9. November 2003 im Ostheim in Bad Pyrmont stattfindet. Neue Gesichter sind dabei herzlich willkommen. Astrid Wenzel

Fleißige Hände bei der Arbeit: Eine der Teilnehmerinnen der Werkwoche beim Doppelweben Fotos (2): Pallas

Die Bundesvorsitzende der ostdeutschen Frauenkreise mit den Werklehrerinnen: (v. l.) Ute Tenzer (Weißsticken), Barbara Lorenzen (Doppelweben), Dr. Marianne Kopp (Trachtennähen), Dagmar Adomeit (Weben und Knüpfen), Uta Lüttich, Edith Huwe (Trachtenschneidern), Christel Klawonn (Muster und Doppelsticken), Waltraud Bartholomeyczik (Kreuzsticken)
 
     
     
 
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