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Der Europäische Gerichtshof droht Deutschland mit Zwangsgeldern in noch unbekannter Millionenhöhe, wenn das Handelsrecht nicht kurzfristig geändert wird. Im Sinne der EU-Harmonisierung der nationalen Handelsrechte gilt seit langem schon in den Mitgliedstaaten der Union: Kapitalgesellschaften sind verpflichtet, ihre Jahresabschlüsse zu veröffentlichen.
Im Wirtschafts teil der deutschen Zeitungen finden sich daher regelmäßig Berichte über Bilanzpressekonferenzen und mitunter mehrseitige Anzeigen von großen Aktiengesellschaften mit den offengelegten Zahlen. Dies stellte jedoch die Richter am EuGH nicht zufrieden. Sie vermißten die Offenlegung der Jahresabschlüsse auch der über 600 000 deutschen Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH). Die Bundesregierung habe es vertragswidrig versäumt, diese Offenlegung zu erzwingen.
In der Tat: Die Bundesregierung ist auf diesem Gesetzesfeld untätig geblieben. Doch dies ist nur die halbe Wahrheit. Zur ganzen gehört, daß auch in Deutschland seit Jahren schon jeder Gesellschafter, Betriebsrat oder Gläubiger einer GmbH die Offenlegung dieser Zahlen rechtlich erzwingen kann. Nur: Bisher hat kein Betroffener geklagt, weil die GmbH-Geschäftsführer selbstverständlich den Betroffenen Einblick in die Bilanzen gewähren. Und weil dies langgeübte Praxis ist, hat Bonn darauf verzichtet, überflüssige Zwangsregelungen gesetzlich zu fixieren. Dieser Verzicht, so der EuGH, sei eine Verletzung des Gemeinschaftsrechtes, das alle Kapitalgesellschaften zur Offenlegung verpflichtet und nicht nur gegenüber den Betroffenen. Und hier liegt der Hase im Pfeffer: Nach dem EuGH-Urteil sollen alle am Marktgeschehen Beteiligten Einblick in die Jahresabschlüsse auch der kleinen GmbHs bekommen.
Das bedeutet: Großunternehmen sollen auf der Grundlage dieser Informationen über Stärken und Schwächen lästiger Konkurrenten ihre Strategien gegen diese Unternehmen planen können. Das Urteil ist nichts anderes als ein schwerer Schlag gegen den Mittelstand.
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