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Fast jeden Abend ein Mord

 
     
 
Fast jeden Abend geschieht in Hamburg, Reeperbahn Nr. 5, mindestens ein Mord. Trotzdem kommen die Polizisten von der nahegelegenen Davidwache nicht vorbei, um nach dem Täter zu suchen, denn der steht mit ziemlicher Sicherheit keine 120 Minuten später fest.

Seit einigen Monaten ist es Roland Kieber, der jeden Abend Hand anlegt und seine Kollegen Sönke Städtler und Verena Peters für kurze Zeit ins Jenseits befördert.

Nein, wir befinden uns nicht in einem Horrorkabinett oder in einer Realisierung des Spielfilms "Flatliners", in dem Medizinstudenten sich gegenseitig umbrachten, um sich nach entsprechender Todeserfahrung wiederzubeleben, sondern im Hamburger Krimitheater.

Das kleine "Imperial Theater" auf der Reeperbahn war einst Premierenkino, dann Pornokino und wurde 1994 zum Theater umgewandelt. 270 Zuschauer haben in diesem charmant
renovierungsbedürftigen Haus Platz. Erst wurden hier Musicals gespielt, doch seit 2003 geht es hier nun mörderisch zu, denn Krimitheater sind selten in Deutschland, das eigentlich kleine Hamburger Haus ist somit die größte Krimibühne Deutschlands.

Aber nicht nur die fehlende Konkurrenz macht das "Imperial Theater" einmalig. Es ist die Art und Weise, wie es dem Ensemble gelingt, sein Publikum zu erschrecken, zu amüsieren und in seinen Bann zu ziehen. "Schön schaurig, voller Humor" und "amüsanter Nervenkitzel, herrlich gruselig, mit viel Witz, bis zum Schluß spannend", urteilten Hamburger Zeitungen über das aktuelle Stück "Der Unheimliche".

In dem Edgar-Wallace-Krimi treffen sich 20 Jahre nach dem Tod des Millionärs Cyrus Grey die letzten sechs Anverwandten des Verstorbenen zur Testamentvollstreckung. Während sie in dem unheimlichen alten Herrensitz des verschrobenen Alten zusammenkommen, prophezeit die alte Haushälterin Unheil. Doch die Gäste hören nicht zu, wollen nur wissen, wer von ihnen alles erbt. Eleanor Grey wird Universalerbin, doch im Falle ihres Todes oder plötzlicher Unzurechnungsfähigkeit soll ein zweites Testament in Kraft treten, das jemanden anderes begünstigt: eine verlockende Aussicht für einige der leer ausgegangenen Verwandten.

Turbulent setzten die Schauspieler die mörderische Geschichte um, und obwohl das Publikum eigentlich vermeint zu wissen, was passiert, kommt alles ganz anders, beziehungsweise in einem Moment, in dem der Zuschauer es nicht erwartet.

Abgesehen davon, daß das "Imperial Theater" ein Monopol im norddeutschen Raum hat, gibt es aber durchaus weitere Gründe, warum Vorstellungen wie jetzt "Der Unheimliche" oder zuvor "Bei Anruf Mord", "Gaslicht", "Der Hexer" und "Arsen und Spitzenhäubchen" immer gut besucht sind. Dies liegt wohl daran, daß hier auf der Bühne noch echte, epochengerechte Kulissen und Kostüme vorherrschen, die Schauspieler frisch und engagiert ihren Text so sprechen, wie der Autor ihn einst auch gesagt haben wollte. Hier versucht kein Regisseur seine eigene Interpretation der Stücke dem Zuschauer aufzudrängen, vielmehr wird voller Liebe zum Detail eine vergangene Zeit wiederbelebt. Interessant ist auch, daß das Publikum querbeet aus allen Altersklassen stammt, jung und alt also gleichermaßen fasziniert sind. Zwar mag man nun anmerken, daß weder Edgar Wallace, Alfred Hitchcock oder Agatha Christie hohe Literatur geschaffen haben, doch in der Sparte Krimi sind sie Meister ihres Faches. Daß ihre mörderischen Geschichten nicht nur menschliche Abgründe aufzeigen, sondern auch unterhalten, dürfte dabei kaum störend sein.

"Imperial Theater", Reeperbahn 5, 20359 Hamburg, Kartentelefon Montag bis Sonnabend, 10 bis 18 Uhr, (0 40) 31 31 14, eine Karte kostet zwischen 12 und 30 Euro, www.imperialtheater.de

Foto: Wer will die reiche Erbin Elenor Grey ausschalten? In schönen Kulissen und passenden Kostümen viel Witz und Grusel auf die Bühne gebracht. (Imperial Theater)
 
     
     
 
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