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Geheimnisvolle Zeichen der Liebe

 
     
 
Die See ist weit und manchmal recht laut. Und die Mädchen von der See müssen schon sehr ihre Ohren spitzen und sich die Augen ausschauen, wenn es um die Liebe geht. Die Männer sind rar. Denn sie lieben im allgemeinen die See mehr als die Mädchen. Jedenfalls sagen sie es. Und die Mädchen stehen dann in der Dämmerung am Meer und schauen in die Weite hinaus. Man weiß nicht recht, schauen sie nach den Männern aus oder weiden
sie sich manchmal daran, daß das Meer, das ihre Männer gefangenhält, wie ein Tier brüllend gegen Sand und Steine schlägt, ohne das schützende Bollwerk der Molen sprengen zu können.

Die Mädchen kennen sich wie die Mannsleut mit der See aus. Sie sind mit den Schiffen und ihren Zeichen vertraut. Sie wissen in der stummen Sprache Bescheid, die von Schiff zu Schiff hinüberfunkt. Und weil sie auch die Augenfunksprache gelernt haben, halten sie ihre Männer fest, sobald sie nur glauben, daß ein gefälliges Augen-zwinkern sie gestreift hat.

Daß darum so eine wie die Anka durch die Dünen schreitet, weder nach rechts noch nach links zu schauen scheint und die wohlgefälligen Blicke überhaupt nicht bemerkt, das ist wirklich ungewöhnlich. Anka ist 20 Jahre alt und hat ehrliche Bewerber um sich. Aber sie blickt durch den Tag, als kenne sie nur ihre Arbeit im Haus und im Garten und als wisse sie im übrigen nichts davon, daß zweierlei Arten von Menschen auf Erden wandeln.

In ihrem kleinen Stübchen mit den zarten Blumengardinen und dem winzigen Ährenkrönlein, das von der Decke herunterhängt, steht sie freilich manchmal lange, lange am Fenster, schaut hinaus, weit, weit, so weit, wie die Augen ihre Sehnsucht tragen, und wünscht sich, daß einmal etwas ganz Großes, Einmaliges geschehen möge, um es mit ihrer Liebe beglücken zu können.

Oft liegt sie nachts wach, himmelt - nicht anders als ihre Freundinnen auch - den Mond und die Sterne an und erseufzt sich, im Traum ihren zukünftigen Liebsten sehen zu dürfen.

Aber das alltägliche Leben hat offensichtlich wenig Sinn für mädchenhafte Seufzer und erhimmelte Traumbilder. Und darum ändert sich vorerst an Anka und ihrer Welt nichts.

Es ist so gegen Ende des Sommers, als Anka eines Tages jenes Dit-da-dit-dit vernimmt, das hinter der Schlehdornhecke hervorzututen scheint, die den Garten vom Dorfweg abtrennt.

Dit-da-dit-dit. Manchmal tutet der Sender es ein wenig ungenau. Aber man weiß doch trotzdem, was diese Morsezeichen zu sagen haben. Liebe. Nichts als: Ich liebe dich. Und das vor Ankas Gartenhecke.

Mag sein, daß das Rufzeichen schon einige Zeit vorher dagewesen war. Wer kann schon auf jedes Dit-da-dit-dit achten, selbst wenn man voller heimlicher Sehnsucht ist. Jetzt jedenfalls hat Anka das Zeichen aufgefangen und schaut sich neugierig die Augen nach dem Sender der Botschaft aus. Dit-da-dit-dit.

Plötzlich ist das Zeichen verstummt. Und soviel Anka auch in den Garten hineinlauscht, mit Augen und Ohren fast über die dichte Hecke auf den Weg springt, es kommt nicht wieder.

Dafür taucht Fritz Ahlsen auf. Er kommt genau aus der Richtung der Liebesbotschaft. Er schaut sich nicht um. Geht steif vorbei, als hätte er Angst, jemand sehen zu müssen. Fritz Ahlsen gehört zu Ankas Verehrern. Das weiß sie seit ewigen Zeiten. Er ist doch einer von den Schüchternen und Stillen. Deshalb muß Anka sich nun wundern.

Und Anka muß sich all die folgenden Tage wundern. Denn pünktlich jeden Tag fast um die gleiche Zeit erhebt sich das Dit-da-dit-dit hinter der Hecke und rollt vor ihrer Neugierde ab wie die stotternde Walze einer Jahrmarktsorgel. Nicht immer ist der Fritz Ahlsen zu entdecken. Aber auffallend häufig führen ihn seine Wege doch ganz wie von ungefähr an ihrem Garten vorbei. Ist diese heimliche Liebesbotschaft nun endlich das erträumte große Einmalige?

Ach, dieser Fritz Ahlsen! Wenn er nur ein wenig mehr Mut zeigte. Wenn er nur ein wenig mehr Forschheit einsetzte. Die Anka lächelt ihm doch schon so ermunternd zu, wenn sie ihm scheinbar absichtslos absichtlich da begegnet, wo er ihr nicht ausweichen kann. Sie zeigt ihm offen, daß sie genau weiß, wem das Dit-da-dit-dit gehört. Sie lächelt so lange, bis dem Fritz endlich darunter ganz warm wird, er seine Schüchternheit vergißt und sich heimlich mit ihr hinter den Dünen trifft. Da geht es schon auf den Herbst zu, und sie müssen sich sehr umschlingen, um einander zu wärmen.

Wenig später sind sie schon verlobt. Denn die Anka ist der Meinung, daß sie den nicht lange warten lassen darf, der so treu seinen lockenden Liebesruf zu ihr hinübergemorst und dessen immer noch nicht müde wird.

Merkwürdig nur - sehr merkwürdig sogar, daß es eines Tages auch morst, als der Fritz bei der Anka ist. Wie, war der Morser vielleicht doch nicht der Fritz, sondern ein anderer? Anka starrt ihren Verlobten entsetzt an, stürmt entschlossen durch den Garten zur Schlehenhecke hin, huscht an ihr entlang zu einem winzig kleinen Durchschlupf, der ihr aus Kindertagen verblieben - da fährt mit einem aufgestörten, schrillen Dit-daaa eine Taube vor ihr auf. Eine Taube!

Das ist nun also des Rätsels merkwürdige Lösung! Eine Taube mit ihrem unvollständigen Dit-da-dit-dit. Und das hielt die Anka nun für die große Liebe. So eine Enttäuschung! Aber stammt diese Taube nicht aus Fritz Ahlsens Schlag? Hat er sie nicht wohl doch für seine geheime Botschaft abgerichtet? Zwar bestreitet der Fritz überhaupt diese ganze Liebesfunkerei. Doch da lächelt Anka nur vielsagend. Denn seit sie ihren Fritz so richtig kennengelernt hat, traut sie ihm eigentlich allerhand zu.

Seit ewigen Zeiten: Was sich liebt, das findet sich schließlich ... /font>

 
     
     
 
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