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Schon seit Monaten sucht der US-Konzern "Procter & Gamble" einen Käufer für die Marken "4711", "Tosca" und "Sir Irish Moos". Doch bisher hat sich kein Interessent für die Traditionsdüfte finden können. Offiziell gesteht man in dem Konzern die Schlappe nicht ein, sondern spricht lieber davon, daß man sich verstärkt auf "global erfolgreiche Marken konzentrieren" wolle und die traditionsreichen deutschen Düfte eben nicht ins strategische Konzept paßten. "4711" - kein lohnendes Geschäft mehr? In der Tat: Den Produkten sterben die Käufer weg.
In den letzten Jahrzehnten hat sich auf dem hart umkämpften Parfum-Markt ohnehin viel getan. Nicht nur die Produktentwicklung schritt rasend schnell voran, sondern auch die Marketingmaßnahmen wurden immer offensiver. Die neuen Konkurrenten nahmen "4711" & Co. bald die Kunden weg. Zurück blieben ältere Verbraucher, solche, die den Zweiten Weltkrieg als Erwachsene erlebt hatten und für die der Gebrauch von "4711" keine Imagefrage, sondern eine Frage der Tradition war. Die Großmutter, die ihren Enkeln die schmutzigen Finger mit einem Erfrischungstuch von "4711" abwischt und die selbst nach "Tosca" duftet, ist immer seltener geworden. In den nächsten Jahren werden jedoch nicht nur Marken wie "4711", "Tosca" und "Sir Irish Moos" ihre Kunden verlieren, denn die Großeltern der Zukunft haben ganz andere Lebensgewohnheiten. Die Bescheidenheit und Produktverbundenheit derjenigen, die den Zweiten Weltkrieg noch miterlebt haben, ist ihnen fremd. Die Großmutter, die beigefarbene Faltenröcke und Hüfthalter trägt, die ihr kurzes graues Haar im Einheitsdauerwellenstil präsentiert, ist kaum noch zu finden. Aus wirtschaftlicher Sicht mag das nur für einige Unternehmen von Interesse sein, schließlich war diese Generation von Anspruchslosigkeit geprägt. Sie pflanzte Obst und Gemüse im Garten selber an und kochte ihre Produkte sogar ein. Die Bekleidung wurde immer wieder ausgebessert, statt sie neu zu kaufen. Die weniger auf Selbstversorgung ausgerichteten Alten, mit ihren guten Rentenbezügen, werden für die Wirtschaft also zu interessanteren Konsumenten. Nachteile finden sich eher in einem anderen Bereich. So stirbt Stück für Stück auch eine ganz eigenwillige Spezies an Vorbildern und Zeitzeugen aus, die den Nachkommen den Blick auf Dinge offenbaren könnten, die ihnen sonst verschlossen bleiben. Außerdem verschwindet auch ein Stück Geborgenheit und Gemütlichkeit. Denn Oma und Opa der Zukunft haben einen bewegten Seniorenalltag. Sie sind fit, gehen ins Musical und Kino und kennen daher nicht nur Marika Rökk und Florian Silbereisen. Außerdem sind sie moderner gekleidet. Dank eben jenes offensiven Marketing der Kosmetik-Konzerne werden immer mehr Großmütter der Zukunft sich auch noch schminken, wenn sie das Renteneintrittsalter erreicht haben. Dank Faltencremes sehen sie jünger aus als ihre Vorgängerinnen im gleichen Alter. Da auch potentielle Käufer der Marken "4711", "Tosca" und "Sir Irish Moos" diese Entwicklung sehen, wird es "Procter & Gamble" schwer haben, sein Sorgenkind abzustoßen. |
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