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Die Berliner Schnauze kennt den berühmten Abwehrreflex: "Ham ses nich ne Nummer kleener?" - und der scheint in der aktuellen Debatte zum Wiederaufbau des Hohenzollernschlosses das stichwortgebende Motto zu sein. Während der historische Ballast der DDR, der asbestverseuchte "Palast der Republik", im wörtlichsten Sinn "Stück für Stück" zurückgebaut wird, scheint es zunehmend unrealistischer, daß es noch zu einer Zwischennutzung des Areals in Form einer Grünfläche kommen wird. Das liegt zum einen an den sich immer wieder verzögernden Abrißarbeiten: War als ursprünglicher Termin April 2007 vorgesehen, zu dem die Palastruine aus dem Stadtbild verschwunden sein sollte, rechnet die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung jetzt auf Nachfrage der Preußischen Allgemeinen mit einem Ende der Abbrucharbeiten bis Ende 2008. Derzeit sind über ein Dutzend Asbestherde bekannt. Aufgrund der immer wieder unerwartet auftauchenden Asbestfunde hat sich der finanzielle Aufwand massiv erhöht: Jede neue Abbruchstelle muß neu geprüft und gesichert werden; die Platten können nicht, wie ursprünglich geplant, einfach abgerissen, sondern müssen jeweils perforiert und herausgehoben werden.
Der andere Grund für die neu aufgelebte Debatte zur Rekonstruktion des Stadtschlosses sind Bemühungen im Bundesbauministerium, die Planungen zum Wiederaufbau voranzutreiben. Ein "konzentrierter Entwurf" der Bundesregierung sieht vor, das Schloß ausschließlich für kulturelle Zwecke zu nutzen. Deshalb ist synonym auch oft vom "Humboldt-Forum" die Rede, das nun bereits 2013 Wirklichkeit sein könnte. In diesem sollen die Sammlungen außereuropäischer Kultur, die Bestände des Ethnologischen Museums sowie die Sammlungen für Indische und Ostasiatische Kunst aus Dahlem ihre neue Heimstatt finden.
Der neue Entwurf wäre wesentlich kostengünstiger und zudem schneller umsetzbar, da er Verzicht übt: Die Überdachung des Schlüterhofes wird darin ebenso aufgegeben wie ein zweites Untergeschoß. Auch die Integration eines Hotels und der Bau einer Tiefgarage sind vom Tisch - beides wären private Investitionen und damit entsprechend risikobehaftet, sowohl finanziell wie zeitlich.
War die ursprüngliche Planung von einem Bauvolumen in Höhe von etwa 670 Millionen Euro ausgegangen, sehen die neuen Kalkulationen nur noch eine Summe von 480 Millionen Euro vor, die wiederum um 100 Millionen Euro reduziert werden könnte. Soviel nämlich würde die Sanierung der Museumsgebäude in Berlin-Dahlem kosten, deren Bestände ja in das neuzuschaffende Humboldt-Forum überführt werden sollen. Deren Eigentümerin, die "Stiftung Preußischer Kulturbesitz ", würde deshalb auf die dringend notwendige Sanierung des Dahlemer Museums verzichten. Insgesamt würden sich damit die veranschlagten Kosten für den Wiederaufbau des Schlosses um etwa die Hälfte reduzieren. Weitere 80 Millionen, mit denen die Barock-Fassade des Hohenzollernschlosses wieder hergestellt werden soll, will der "Förderverein Berliner Schloß e.V." bereitstellen. Dessen Geschäftsführer Wilhelm von Boddien hält sich gerade in New York auf. Gemeinsam mit dem Deutschen Generalkonsul, dem deutschen Nobelpreisträger Günter Blobel und dem Auktionshaus Christie s wirbt er dort um weitere Spenden. Bis heute hat der Verein zirka 13,5 Millionen Euro gesammelt.
Doch der plötzliche Eifer führt auch zum Streit. Der entzündet sich an der Frage, ob auch die Schloßkuppel errichtet werden soll. Nach Angaben von Bauminister Wolfgang Tiefensee (SPD) würde deren Bau etwa 13 Millionen Euro kosten. Der Bundestagsbeschluß zum Wiederaufbau des Schlosses schreibt die Wiedererrichtung der Kuppel nicht vor. Das Dilemma der Deutschen Bahn vor Augen, die - indem sie am neuen Hauptbahnhof sparen wollte, alles nur schlimmer und teurer machte - plädieren jetzt um so mehr Berliner für den Kuppelbau. Beispielhaft dafür ist eine Karikatur im "Tagesspiegel": Ein Paar steht vor dem Aufsteller eines Boulevardblatts mit der Schlagzeile "Berliner Schloß ohne Kuppel?!" und rätselt darob: "Wird das denn jetzt von dem Mehdorn gebaut?"
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