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Nachdem die militärische Entscheidung bereits gefallen war, ließ Stalin die Rote Armee ab 17. September 1939 in Ostpolen und Ostgalizien einmarschieren; nach dieser Veränderung des deutschen bzw. sowjetischen Interessengebietes befand sich nach dem Abschluß des "Grenz- und Freundschaftsvertrages" vom 28. September fast die Hälfte des ehemals polnischen Staatsgebietes unter sowjetisch er Herrschaft. Da Außenminister Molotov ausdrücklich eine Wiederherstellung des "alten Polen" verweigerte, war damit auch der deutschen Regierung die Option genommen, eine Wiedererrichtung des polnischen Staates, wie dies von den Westmächten als Vorleistung für Friedensverhandlungen gefordert wurde, ins Spiel zu bringen. Die Sowjetunion sicherte sich in rascher Folge ab 28. September durch drei bilaterale Verträge mit Estland, Lettland und dem um das Gebiet von Wilna vergrößerten Litauen in ultimativer Weise zahlreiche Stützpunkte, vor allem für Marine und Luftstreitkräfte.
Nachdem kurz darauf Finnland ganz ähnliche aus Moskau kommenden Forderungen abgelehnt hatte, eröffnete Stalin am 30. November einen umfassenden Angriff entlang der rund 1000 km langen Grenze zwischen der Karelischen Landenge und der Fischerhalbinsel an der Barentsee. Insgesamt greifen fünf sowjetische Armeen die weit unterlegenen finnischen Kräfte an, die dem Angreifer aber durch äußerst tapfere Gegenwehr hohe Verluste zufügen und schwere Führungsmängel aufdecken. Erst nachdem Semjon Timoschenko, der Oberbefehlshaber der "Nordwestfront", das Kommandogefüge rigoros verändert und Anfang Februar 1940 zahlreiche Verstärkungen in die Schlacht geworfen hat, gelingt ein entscheidender Durchbruch an der Karelischen Landenge. Die Regierung in Helsinki muß notgedrungen auf die sowjetischen Forderungen nach erheblichen Gebietsabtretungen eingehen und schließt angesichts der hoffnungslosen Lage am 12. März einen Friedensvertrag. Stalin hatte somit in kurzer Zeit sein Vorfeld nach Westen bedeutend erweitert, wichtige Stützpunkte an der Ostsee und am Finnischen Meerbusen gewonnen und im Falle Finnlands eine rücksichtslose Politik der "freien Hand" betrieben, da Deutschland an der strikten Neutralität festhielt. Man kann also durchaus der Einschätzung hinsichtlich des sowjetischen Angriffs auf Finnland folgen, daß dieser mehr als deutlich Stalins Entschlossenheit gezeigt habe, "sich gleich zu Beginn dieses Weltkriegs, den er schon so lange vorhergesehen und unter so guten Vorzeichen begonnen hatte, seine Beute zu sichern" ...
... eine andere wichtige Erkenntnis betrifft den Verbleib der Kriegsgefangenen. Entgegen dem immer wieder herausgestellten Vorwurf, wonach die Deutschen den Tod von 3,3 Millionen sowjetischer Kriegsgefangener zu verantworten hätten, belegen aktuelle russische Angaben, daß 1,78 Millionen Mann nicht aus deutscher Gefangenschaft zurückgekehrt seien. Damit liefern russische Archivfunde eine wertvolle Korrektur in dem heftig und zeitweise auch polemisch geführten Streit über das Ausmaß der Todesfolgen im Umgang mit den sowjetischen Kriegsgefangenen.
Heinz Magenheimer
"Entscheidungskampf 1941"
(Osning-Verlag 2000)
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