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Deutsche aus Rußland sind empfindsame Seelen. Wer, wie Waldemar Weber, zu Stalins Zeiten als Deutscher im westsibirischen Bezirk Kemerowo geboren und aufgewachsen ist, hat Not und Entbehrung kennen- und sich an das Leben und die Hoffnung klammern gelernt. Vieles, was in Kindheit und Jugend zerbrach, hat das Wesen dieser Menschen geprägt, so auch bei dem mehrfach ausgezeichneten rußlanddeutschen Lyriker und Literat urwissenschaftler Weber.
"Scherben" heißt eines seiner Gedichtbände. Die Schlichtheit seiner Kurzlyrik erscheint gewagt: MAN sagt mir / die Zeit / heile auch diese Wunde / Woher nehme ich / soviel Zeit ...
Doch wer die Geschichte dieser Volksgruppe kennt und in die Tiefe der beladenen rußlanddeutschen Seele blicken möchte, wird bei Weber fündig. Empfindsame Menschen, mehr noch unter Generalverdacht stehende Deutsche, die unter den Sowjets frei sein wollten, mußten vieles in sich sterben lassen, so wie Webers Falter, der nur in innerer Gefangenschaft zu überleben vermag:
DER Falter gefangen / in der Gitarre an der Wand / will nach draußen / schlägt verzweifelt gegen die Saiten / Seine Gefangenschaft verlängert ihm sein Leben / er hätte sich längst versengt / am Feuer meiner Lampe.
Webers Lyrik läßt ohne Wortreichtum und mit wenigen, dann aber einfachsten Metaphern einen Blick mit verblüffender Tiefenschärfe in sein Innerstes zu. Seine Lyrik ist die Resonanz auf eine weitgehend unbekannte Zeitgeschichte rußlanddeutscher Existenz, vernehmbar und überzeugend für Leser, die um den Überlebenskampf dieser Gruppe wissen. (G. Langer)
Waldemar Weber: "Scherben", Gedichte Verlag an der Wertach, Augsburg, broschiert, 72 Seiten, 10 Euro, Best-Nr. 5820 |
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