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Die Tageszeitung "Die Welt" meldete es hinten im Wirtschaftsteil, ansonsten war im deutschen Blätterwald kaum eine Zeile darüber zu lesen. Ähnlich schweigsam verhielten sich Hörfunk und Fernsehen. Offenbar haben nur wenige Journalisten die Bedeutung dieses Ereignisses begriffen. Dabei könnte der Haustarifvertrag, den die Jenoptik AG mit der Christlichen Gewerkschaft Metall (CGM) vereinbarte, wirtschaftspolitisch Geschichte machen:
Zum erstenmal in der Nachkriegszeit hatte ein angesehenes Großunternehmen den Mut, den Monopolanspruch der DGB-Gewerkschaft IG Metall zurückzuweisen und mit einer konkurrierenden Gewerkschaft einen Vertrag abzuschließen. Klaus Zwickels Kampftruppe für ein "Ende der Bescheidenheit" ist entsetzt. Von einem "Skandal ersten Ranges" ist die Rede, gar von einer "Nacht- und Nebelaktion" des Jenoptik-Vorstands. Mit Aktionen im Betrieb wird gedroht und mit einer Klage vor Gericht, falls der "Vertrag mit den Christen" verwirklicht werden sollte. Warum diese Aufregung? Dieses Säbelrasseln mit Kampfmaßnahmen? Weil in diesem Haustarif die Leistungen der Mitarbeiter ebenso berücksichtigt werden wie die wirtschaftliche Situation des Unternehmens. Dies aber ist eine klare Gegenposition zu den gleichmacherischen Flächentarifverträgen, die vielleicht Daimler-Chrysler oder Bosch nicht jucken, aber mittelständische Unternehmen an den Rand des Ruins treiben können vor allem in Mitteldeutschland, wo die Betriebe keine Daimlerlöhne zahlen können. Die Flächentarifverträge der letzten Wochen sind so ein Programm zur Arbeitsplatzvernichtung.
Jenoptik-Chef Lothar Späth hat nun den mittelständischen Unternehmen den Weg zu neuen Vertragsregelungen freigekämpft, die der besonderen Situation jedes einzelnen Betriebes Rechnung tragen und damit Arbeitsplätze sichern. Der Verband der sächsischen Metall- und Elektroindustrie hatte bereits 1996 mit der CGM den Tarifvertrag "Phönix" abgeschlossen, der wegweisend für flexible Arbeitsbedingungen ist. Aber das war ein Vertragswerk dem nur Kleinbetriebe beitraten. Mit der Entscheidung von Jenoptik hat das Ringen um sachgerechte Arbeitsbedingungen eine neue Qualität erreicht.
Das Entsetzen der sozialistisch dominierten IG Metall ist auch vor dem Hintergrund einer schwerwiegenden Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Stuttgart verständlich. Dort hatte die IG Metall wegen des Tarifvertrages "Phönix" gegen die CGM mit dem Ziel geklagt, dieser die Gewerkschaftseigenschaft abzuerkennen, weil sie angeblich nur eine zahlenmäßig unbedeutende Vereinigung sei. Das LAG Stuttgart hat nun der CGM definitiv bescheinigt, daß sie eine Gewerkschaft im arbeitsrechtlichen Sinne und damit tariffähig sei. Definitiv, denn die Stuttgarter Richter ließen gegen diesen Spruch keine Beschwerde beim Bundesarbeitsgericht zu. Damit ist der Monopolanspruch der DGB-Gewerkschaft IG Metall von Rechts wegen gebrochen. Lothar Späth und jene Arbeitgeber, die ihm folgen wollen, haben nun gute Karten. Sie sollten diese beim nächsten Tarifpoker im Interesse ihrer Betriebe und ihrer Mitarbeiter mutig ausspielen.
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