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Klaus bist du besoffen?

 
     
 
Normalerweise liebt Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) das Bad in der Menge. Keine Fete, Modenschau, Love- oder Homoparade, bei der "Wowi" nicht mittenmang ist. Im Januar 2004 aber benutzte er den Hinterausgang, um seinen Amtssitz, das Rote Rathaus, zu verlassen. Denn vorn veranstalteten Studenten eine Mahnwache gegen die Bildungspolitik des Senats.

Es ist noch nicht lange her, da genoß Wowereit gerade bei Studenten hohes Ansehen. Für sie verkörperte er den Prototyp des modernen Großstadtpolitikers
. Über den Mangel an Programmatik und Artikulationsfähigkeit sahen sie hinweg.

Nicht Klaus Wowereit hat sich seitdem geändert, wohl aber der Blick auf ihn. Wowereit amtiert seit Juni 2001. Zwei Jahre lang galt es als unhöflich oder spießig, seinen von Festtagslaune und Reiselust geprägten Regierungsstil zu kritisieren. Nur langsam kam man dahinter, daß seine Auftritte und die Schwerpunkte, die er setzte, vulgär und instinktlos waren. Im April 2003 wurde der Polizist eines Sondereinsatzkom- mandos während der Razzia bei einer libanesischen Großfamilie erschossen. Wowereit fand keine Zeit, persönlich zu kondolieren und an der Trauerfeier teilzunehmen. Bei alten, auf natürliche Weise verflossenen Filmstars ist seine Teilnahme hingegen selbstverständlich. Als der Chef der Berliner Polizeigewerkschaft ihn deswegen in einem Offenen Brief heftig angriff, reagierte er patzig. Am 1. Mai flogen in Kreuzberg wie üblich Steine, zahlreiche Beamte wurde verletzt. Und Wowereit? Der weilte in Philadelphia, wo eine schwule Reisemesse stattfand.

Seitdem geht es nicht mehr nur um Kritik an seinen Stil, auch seine Fähigkeiten werden angezweifelt, sogar in der eigenen Partei. Den Anfang machte im Frühjahr 2003 der SPD-Bezirksvorsitzende von Kreuzberg-Friedrichshain, der ihn in einem Zeitungsinterview aufforderte, endlich mit einer verläßlichen Politik zu beginnen. Er müsse "deutlich sagen, wie sein Gesamtentwurf für Berlin aussieht", denn nur so könne man die Menschen motivieren, die harten Einschnitte im Haushalt mitzutragen. Ähnlich äußerte sich der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD im Abgeordnetenhaus. Auch PDS-Senatoren beklagten Wowereits substanzlose "Symbolpolitik" und "populistische Argumentation".

Bis vor wenigen Monaten konnte der Bürgermeister sich darauf verlassen, Berlins populärster Politiker und für seine Partei ein unverzichtbares Zugpferd zu sein. Doch seit dem Herbst 2003 hat ein neuer Stimmungseinbruch stattgefunden. Wowereit flog zu einer einwöchigen Reise nach Mexiko, deren Sinn bis heute unklar ist. Die Daheimgebliebenen versorgte er via Bild mit einem "Reisetagebuch" (SieheFolge 43 vom 25. Oktober 2003), in dem es um Biergenuß, den Ausblick aus dem Hotelfenster und die SMS an seinen Liebsten ging. Höhepunkt war der Auftritt bei einem mexikanischen Fernsehclown, der ihn fragte: "Klaus, bist Du besoffen?" Den Zorn zu Hause ignorierte er. Kaum zurückgekehrt, besuchte er demonstrativ den "Quatsch Comedy Club" im Friedrichstadtpalast, wo er sich als "sexiest Bürgermeister der Welt" vorstellen ließ.

Das Maß ist voll und der bunte Zirkusgaul zum Problem geworden. Die aktuellen Umfragewerte für die SPD liegen bei 20 Prozent. In der Bevölkerung gilt Wowereit als überfordert. In den Abendnachrichten des auf Hofberichterstattung getrimmten Landessenders mußte er sich kürzlich die Frage gefallen lassen, ob es für die Präsentation der Hauptstadt ausreiche, wenn ihr Oberhaupt alle drei Wochen bei Sabine Christiansen auftauche. Der harsche Ton, in dem die anderen Bundesländer neue Finanzzuweisungen an Berlin ablehnen, spricht Bände. Wowereit ist es nicht gelungen, bei den Länderkollegen für die Situation der Hauptstadt Verständnis zu wecken. Er wird nicht ernst genommen. Und sogar die Berliner begreifen, daß an der Spitze der Stadt ein Hanswurst steht!
 
     
     
 
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