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Wie ein Schimmelfleck

 
     
 
Am Freitagabend wirkte Klaus Wowereit bei der Eröffnung einer Ausstellung im alten Postfuhramt in Berlin-Mitte wieder ganz wie der alte. Als wiedergewählter Bürgermeister und in Doppelfunktion auch als Zuständiger für Kulturpolitik des Senats genoß er das Bad.

Dabei wäre es am Vortag fast danebengegangen. Wowereits Ernennung zum Bürgermeister scheiterte im ersten Wahlgang an einer fehlenden Stimme, so daß ein zweiter notwendig wurde. Eine Blamage
mit Nachwirkungen, die nun wie ein häßlicher Schimmelfleck auf seiner neuen Amtszeit kleben wird:

Es ist Donnerstag früh. Klaus Wowereit bereitet sich auf einen anstrengenden Tag im Abgeordnetenhaus vor. Anstrengend auch deshalb, weil es eine Gesetzesänderung gegeben hat, nach der nun nicht mehr alle Senatoren einzeln vom Parlament gewählt werden wie früher. Statt dessen soll von nun an der Regierungschef - wie der Bundeskanzler - seine "Minister", also Senatoren, selbst ernennen. SPD und PDS hatten diese Stärkung des Bürgermeisteramtes beschlossen.

Es gab in der Vergangenheit immer wieder Abweichler im Parlament, die diese oder jene persönliche Zwistigkeit zum Anlaß nahmen, gegen einzelne Senatoren zu stimmen. Bislang saßen die Quertreiber in der SPD-Fraktion. Das bekam schon in den 80er Jahren Walter Momper bei der Aufstellung seines rot-grünen Senats zu spüren.

2002 fiel Peter Strieder sogar bei der ersten Wahl zum Stadtentwicklungssenator durch. Eine böse Überraschung, denn Strieder galt damals noch als der starke Mann der Berliner SPD. Er war als Vorsitzender der bekannteste Protagonist der Partei neben Wowereit. Die "Tempodrom-Affäre" um eine Veranstaltungshalle beendete seine Karriere. Wowereit schob den Posten des Parteichefs daraufhin seinem Adlatus Michael Müller zu.

Die ganze Gelassenheit, die von SPD und Linkspartei seit Tagen ausgestrahlt wird, enthält eine große Portion Zweckoptimismus. Denn nun kommt zu den unsicheren Kantonisten aus der SPD noch die verärgerte Linkspartei-Basis dazu, die nur widerwillig dem Koalitionsvertrag zugestimmt hat.

Der SPD-Partei- und Fraktionsvorsitzende Michael Müller kommt wie Wowereit aus Tempelhof und ist ihm loyal ergeben. Jetzt sitzen die beiden im Preußischen Landtag gespannt nebeneinander. Parlamentspräsident Walter Momper verliest das Ergebnis: "Mit Ja haben gestimmt 75 Abgeordnete, mit Nein 74." Es gibt zwei Enthaltungen. Für Momper steht somit fest: "Der Kandidat ist damit gewählt."

Doch schon brüllt die Opposition dazwischen: "Nicht gewählt" und "der spinnt wohl". Momper entschuldigt sich später mit den Worten, er sei auch nur ein Mensch.

Das Vergnügen war der Opposition ins Gesicht geschrieben. Auf der anderen Seite des Parlaments sitzen auch zwei Abgeordnete zusammen: Neben dem CDU-Fraktionschef Friedbert Pflüger hat der Abgeordnete Mario Czaja Platz genommen. Die beiden malen sich bereits aus, was passiert, wenn Wowereit im nächsten Wahlgang noch einmal keine Mehrheit erhält ...

Die Sitzung muß abgebrochen werden. Wowereit "droht" intern damit, nur noch einmal anzutreten. Beim zweiten Mal erhält er dann die knappste denkbare Mehrheit von einer Stimme.

Es wird sich nicht ergründen lassen, ob Momper in einer Kurzschlußhandlung hoffte, damit durchzukommen, daß er die beiden Enthaltungen einfach unbeachtet läßt. Oder ob er wirklich gedacht hat, Wowereit sei gewählt, weil es ja mehr Ja- als Nein-Stimmen gab.

Genausowenig wird sich herausfinden lassen, wer die Abweichler waren. War Thomas Flierl (PDS), der geschaßte Kultursenator, dabei? Oder - noch schlimmer - doch ein Widersacher aus der eigenen Partei?

Anders als Heide Simonis, die behauptet, den Abtrünnigen zu kennen, der sie Anfang 2005 in einem demütigenden Vier-Gänge-Wahlmarathon aus dem Stuhl des Kieler Ministerpräsidenten kippte, will Wowereit keine Zeit mit der Suche verschwenden. Das seien ohnehin meistens nicht diejenigen, die allgemein verdächtigt würden, sondern ganz andere, sagte er hinterher und räumte gleich ein, einen "schlechten Start" gehabt zu haben.

Die Öffentlichkeit - das war abzusehen - reagierte hektisch. War Wowereit eben noch ein "charmanter, netter, redegewandter und begnadeter Öffentlichkeitsarbeiter", ein "Mann für die Hauptrolle" eben ("Financial Times Deutschland"), so schrumpfte er jetzt zum zweitklassigen Absteiger zwischen "Pumps und Posemuckel" ("Welt", "Berliner Morgenpost") und zum "Zweitligisten" ("Spiegel online").

Durch diese Niederlage ist sichergestellt, daß in den kommenden fünf Jahren keine Parlamentsabstimmung vergehen wird, ohne daß eifrige Parlamentskorrespondenten aufmerksam mit auszählen, wenn zur offenen Abstimmung gerufen wird.

Nur die Tatsache, daß es nach dieser Personalentscheidung kaum noch geheime Abstimmungen geben wird, rettet Wowereit den Hals. Er ist noch einmal davongekommen, aber eben nur "zweite Wahl".
 
     
     
 
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