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Erstmals seit Kriegsende reiste ein deutscher Regierungschef in die ostdeutsche Metropole am Pregel - freilich nicht, um das Stadtjubiläum Königsbergs zu feiern, sondern "750 Jahre Kaliningrad". Kanzler Schröder beugte sich damit der russischen Sprachregelung, wie auch in breiter Front die bundesdeutschen Medien, vor allem die elektronischen von ZDF bis n24. Wohltuende Ausnahme: Ulrich Wickert in den ARD-Tagesthemen, der völlig "unkorrekt" darauf beharrte, von den 750 zu feiernden Jahren beträfen 690 das urdeutsche Königsberg und nur 60 das sowjetisch /russische Kaliningrad.
Vor Ort ließ Schröder sich immerhin zu der verwegenen Aussage hinreißen, diese 750 Jahre hätten irgendwie zeitweise auch im Zusammenhang mit der deutschen Geschichte gestanden. Das mag "Freund" Putin nicht recht gefallen haben, wie auch des Kanzlers leise Klage, es sei wohl nicht sehr klug gewesen, die obersten Repräsentanten der Nachbarstaaten Polen und Litauen zu den Festivitäten nicht einzuladen. Man fragt sich in der Tat, was dies den deutschen Kanzler eigentlich angeht. Eher hätte er sich beim Gastgeber darüber beschweren sollen, daß der oberste Repräsentant der ehemaligen - rechtmäßigen! - Bewohner Ostdeutschlands und seiner Hauptstadt zwar von Bürgermeisterin Gurowa ein-, von höheren Instanzen aber quasi wieder ausgeladen wurde, indem man ihm das Einreisevisum verwehrte. Für Schröder kein Thema - vielleicht auch deshalb, weil der Affront gegenüber der Freundeskreis Ostdeutschland und ihrem Sprecher seinen politischen Ursprung offenbar nicht in Moskau, sondern in Berlin hat. Der dort noch amtierende Bundesaußenminister ist ja schon öfter mit seiner höchst merkwürdigen Visapolitik aufgefallen...
Dieser Vorgang, der übrigens in einem vorzüglichen Beitrag von Helmut Herles im Bonner General-Anzeiger aufgegriffen wurde, war bei weitem nicht die einzige Merkwürdigkeit im Zuge der offiziellen Jubiläumsfeiern. Daß die Russen stur darauf bestanden, "750 Jahre Kaliningrad" zu feiern, ist an Lächerlichkeit kaum noch zu überbieten. Die Stadt am Pregelufer trägt seit 1255 - zu Ehren des Böhmenkönigs Ottokar II. - den Namen Königsberg. Nicht nur ihr Name, auch ihre Geschichte war deutsch. Erst zum Ende des Zweiten Weltkriegs wurde sie gewaltsam dem Sowjetimperium einverleibt, wurden die deutschen Bewohner vertrieben, ermordet, ausgehungert. Was von Königsberg übrigblieb, wurde umbenannt in "Kaliningrad", nach einem glühenden Bewunderer und nicht ganz unbedeutenden Helfer des Verbrechers Stalin. Dieser Kalinin (der übrigens nicht vor 750 Jahren, sondern im 20. Jahrhundert lebte) hat sich, neben vielen anderen Untaten, als Autor staatlicher Unterrichtswerke an ganzen Generation junger Russen vergangen. Andere russische Städte, die seinen Namen trugen, haben sich längst davon reingewaschen. Moskaus Kriegsbeute Königsberg hingegen muß weiter mit diesem schändlichen Namen leben und unter ihm sogar seinen 750. Geburtstag feiern - und der deutsche Bundeskanzler feiert munter mit!
Dennoch sollten die Ostdeutschland und insbesondere die Königsberger sich die Festlaune nicht völlig verderben lassen. Diese Stadt schrieb über viele Jahrhunderte stolze Kapitel unserer Geschichte. Von hier aus wurden Geistesleben und Philosophie Deutschlands und Europas entscheidend geprägt, zu einer Zeit, da noch niemand ahnen konnte, daß es einmal einen Pseudophilosophen namens Karl Marx mitsamt seinen ideologischen Erben und Testamentsvollstreckern geben würde.
Aber die Geschichte hat einen langen Atem. Der Name "Kaliningrad" ist nicht ihr letztes Wort. Jetzt ist es an uns, nichts aufzugeben, weder die Erinnerung an Königsberg noch den Glauben an seine Zukunft.
Königsberg feiert: Den 750. Geburtstag der alten ostdeutschen Metropole zelebrierten die heutigen Machthaber in aller Zwiespältigkeit - vor dem wiedererstellten Königstor mit den Statuen von Ottokar II., Friedrich I. und Albrecht von Brandenburg-Ansbach als Zeugen der deutschen Geschichte paradierten Soldaten in historischen russischen Uniformen. |
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