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Für den einflußreichsten Banker der Nachkriegszeit, Hermann Josef Abs, war es schlicht eine Utopie. Er glaubte nicht an eine gemeinsame Währung für Europa. Abs irrte. Der Euro ist da. Ob die neue Währung auch stabil sein wird, bleibt freilich eine Aufgabe für die Nachfolger von Abs in den Zentralbanken Europas.
Die Verteidigung der Währungsstabilität ist ein täglicher Kampf, meinte schon der ehemalige Bundesbankpräsident Karl Blessing. Dieser Kampf hat viel mit der Kultur und den Mentalitäten in Europa zu tun. Der Mitbegründer der modernen Sozial- und Kulturwissenschaften, Georg Simmel, widmete sein Hauptwerk der „Philosophie des Geldes“, es ist ein Plädoyer für die individuelle Freiheit durch Geld. Mit Geld sei man von niemandem mehr abhängig, vorausgesetzt, das Geld ist etwas wert, sprich stabil. Man kann die neue Münze drehen und wenden, ihr Wert steht zwar auf der Zahlenseite, aber er ist doch auf der Rückseite der Medaille verborgen, da wo die nationalen Symbole eingeprägt sind. Die Mentalitäten werden über den tatsächlichen Wert entscheiden. Das wußte Abs, und daher rührte seine Skepsis.
Vielleicht ahnt es auch Finanzminister Eichel. Jedenfalls mahnte er in den ersten Tagen des Münzen-Verkaufs, der Euro bringe nicht automatisch goldene Zeiten. Viel wird davon abhängen, ob die Vielfalt der Mentalitäten in Europa, die Stärke und Schwäche des alten Kontinents zugleich ausmacht, in eine für alle gültige Form des Gemeinschaftsdenkens gegossen werden kann. Genau das wird die Aufgabe des Europäischen Konvents sein, und es ist mehr als ein Zufall, daß eben am selben Wochenende, da der Euro die Bühne des Bankenpublikums betrat, die Regierungschefs sich auf diesen Konvent einigten, der eine Art europäische Verfassung ausarbeiten soll. Das Geld soll einen philosophischen Überbau bekommen.
Vorsitzender des Konvents ist der ehemalige französische Präsident Valéry Giscard d’Estaing. Giscard ist ein Liberaler. Unter seiner Regentschaft wurde die Fristenregelung für die Abtreibung in Frankreich eingeführt. Es ist nicht damit zu rechnen, daß Giscard philosophisch in die Tiefe geht. Aber das war schon bei dem Konvent unter dem Vorsitz von Roman Herzog kaum möglich. Die strikte Trennung von Staat und Religion wird den neuen Entwurf prägen. Aber wenn es gelingt, das Prinzip der Subsidiarität zu verankern, mithin den Freiraum der Regionen und Nationen gegenüber dem zentralistisch-bürokratischen Wasserkopf Brüssel festzuschreiben, dann lohnt sich das Unterfangen.
Mehr ist nach Lage der Dinge und nach Denken des Konvent-Vorsitzenden im Moment kaum zu erwarten. Giscard paßt zur EU. Das Europa der EU ist aus politisch-wirtschaftlichen Interessen und Beweggründen hervorgegangen. Am Anfang standen die Montan-Union (1952) und die EWG (1957). De Gaulle und Adenauer und auch Alcide de Gasperi dachten gewiß mehr politisch und hatten auch die kulturellen Unterschiede im Blick, aber die wirtschaftlichen Aspekte haben sich spätestens mit der Aufnahme der Briten 1973 verselbständigt.
Der Konvent bietet eine Chance zur Korrektur. Sie ist dringend nötig, und zwar im Sinn der Subsidiarität. Sonst ersetzt der Euro die Philosophie. Europa aber ist mehr als Geld und Handel. Wer das nicht berücksichtigt, setzt auf Dauer auch den Euro in den Sand.
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