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Lilian Harvey

 
     
 
In Potsdam, genauer gesagt in Babelsberg, findet man eine nach ihr benannte Straße. Doch nur ausgewiesene Filmfreunde führt heute noch in Berlin der Weg in die Düsseldorfer Straße. Dort in der Hausnummer 47, in einem unauffälligen Mietshaus in Wilmersdorf, lebte einst „das süßeste Mädel der Welt“. Briefe, auf denen nur diese Angabe als Adresse stand, kamen damals trotzdem an – bei dem umschwärmten Star der Ufa Lilian Harvey. 1999 wurde an dem Haus in Wilmersdorf, wo die Harvey von 1925 bis 1930 mit ihrer Mutter lebte, eine Gedenktafel aus weißem KPM-Porzellan mit blauer Inschrift enthüllt. Sie erinnert an Filme, die Lilian Harvey in den 1930er Jahren drehte: „Die Drei von der Tankstelle“, „Der Kongreß tanzt“ und „Fanny Elßler“, Streifen, die zu Welterfolgen wurden. Die Kinokassen klingelten aber auch schon bei Filmen wie „Die keusche Susanne“ (1926), dem ersten Film, den Harvey mit Willy Fritsch drehte, oder bei „Liebeswalzer“, einem Riesenerfolg aus dem Jahr 1930. „Liebeswalzer“ war zudem der erste Tonfilm der Harvey. Der Königsberger Werner Richard Heymann schrieb mit leichter Hand die einprägsame Musik für den Streifen. Kein Wunder also, wenn die Spatzen den Schlager „Du bist das süßeste Mädel der Welt“ bald von den Dächern pfiffen. Eigentlich habe Heymann nie Schlager schreiben wollen, liest man in einer Biographie. „Als dann, für ihn selbst überraschend, Hits daraus wurden, habe er das aber doch genossen.“

Die Tochter eines deutschen Kaufmanns
und einer Engländerin wurde am 19. Januar 1906 in London geboren. Heimlich nahm sie in London und dann auch offiziell in Berlin, wohin es sie und ihre Familie verschlagen hatte, Ballettunterricht. Nach dem Abitur 1923 an der Berliner Königin-Luise-Schule war Lilian, die den Mädchennamen ihrer Großmutter Elisabeth Harvey als Künstlernamen angenommen hatte, als Revuegirl engagiert. 1924 unterschrieb sie den Vertrag für ihren ersten Film „Der Fluch“. Sie spielte an der Seite von Otto Gebühr und Harry Liedtke, bis sie in Willy Fritsch ihren Traumpartner – nicht nur im Film – fand.

Heymann, aber auch das Traumpaar Harvey / Fritsch standen in den 1930er Jahren für die Film-Operette, einen Vorläufer des späteren Film-Musicals. Die Leinwandidylle lenkte die Menschen ab von ihrem eigenen oft tristen Dasein, erfüllte ihre Sehnsüchte nach Geborgenheit und Glück. „Die Drei von der Tankstelle“ übertraf denn auch den Erfolg vom „Liebeswalzer“ noch. Als schließlich der Streifen „Der Kongreß tanzt“, eine Romanze zwischen dem Zaren und einer armen Handschuhmacherin während des Wiener Kongresses, in den Kinos anlief, waren die Menschen begeistert. Ein Film voller Musik, in dem sich selbst die Kameras im Walzertakt zu wiegen scheinen. Wer erinnert sich nicht an die herrliche Einstellung, als die Harvey, in einer Kutsche sitzend, den Heymann-Schlager trällerte: „Das gibt’s nur einmal, das kommt nicht wieder, das ist zu schön, um wahr zu sein ...“

In der Tat: Die Erfolge, die Lilian Harvey an der Seite von Willy Fritsch feierte, waren kaum zu übertreffen. Die Fans jubelten ihr zu, die Frauen und Mädchen eiferten ihr in Sachen Mode und Frisuren nach. Auf dem Höhepunkt ihrer Karriere in Deutschland ging Harvey 1933 nach Hollywood, wo sie ebenfalls Erfolge verbuchen konnte. Aus privaten Gründen aber kehrte sie schon 1935 nach Berlin zurück und konnte mit Willy Fritsch an ihrer Seite in „Glückskinder“ an alte Erfolge anknüpfen. Ihr Einsatz für politisch Verfolgte wurde allerdings von dem herrschenden Regime argwöhnisch beobachtet, so daß Harvey schließlich 1939 Deutschland verließ und über Frankreich und Ungarn wieder nach Hollywood gelangte. Ihre Filmkarriere allerdings war beendet, ihr Typ nicht mehr gefragt. Mit einem Stück von Noel Coward („Blithe Spirit“) tourte sie durch mehrere US-Bundesstaaten und nahm weitere Bühnenengagements an. 1949 kam sie nach Deutschland zurück, wo sie inzwischen zu einem Mythos geworden war. Die Menschen jubelten ihr zu.

„Vor ihrem ersten Auftritt in Berlin in der ,Filmbühne Wien‘ am Kurfürstendamm versperrten klatschende Menschenmassen den Eingang zum Kino“, las man 1949 im „Spiegel“, Ausgabe 38. „Lilian mußte hochgehoben werden, um hereinzukommen. Als sie von ihren Musikern auf die Bühne getragen und vor dem Mikrofon niedergesetzt wurde, jubelte das Publikum anhaltend. Lilian kämpfte mit Tränen. Nach ihrem Vortrag war der Beifall schwächer, aber immer noch liebevoll. Miß Harvey sang mit tiefer gewordener, doch immer noch etwas dünner Stimme ihre alten Filmschlager und Lieder in zahlreichen Sprachen. Einmal tanzte sie auch andeutend. Manche Schlager verband Lilian durch erinnernde Zwischentexte, und manchmal begann sie ihre Ansage mit ,Now we turn to‘ und übersetzte das dann erschrocken ins Deutsche. Sie sei so aufgeregt, entschuldigte sie sich.

Einige Nummern des Rahmenprogramms erwarben mehr Beifall als Lilians Vortrag. Aber als sie aus dem Kino kam, standen wieder Menschenmauern und drängten sich mit ,Lilli! Lilli‘ um ihr hilflos tutendes Auto. Als es dann doch davonfahren konnte, liefen viele hinterher. Die meisten Zeitungen verzeichneten Lilians Besuch nicht oder nur im lokalen Teil“, so „Der Spiegel“.

Das Comeback war letztendlich ein Flop, hinzu kamen private Probleme. Die Ehe mit einem Dänen scheiterte, andere zweifelhafte Bekanntschaften nagten an ihrem reinen Image als „blonder Traum“. Auch ihre Versuche, auf der Bühne die Erfolge von einst wieder aufleben zu lassen, scheiterten. Mit der Verleihung des „Deutschen Filmpreises in Gold“ und des „Goldenen Bambi“ wurde noch einmal ihr langjähriges Wirken für den deutschen Film gewürdigt. Am 27. Juli 1968 starb Lilian Harvey in Juan-les-Pins, wo sie seit 1931 eine Villa besaß. Ihre letzte Ruhestätte fand die Schauspielerin auf dem Friedhof Robiac in Antibes.
 
     
     
 
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