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Zumindest rhetorisch bläst der russischen Kaukasuspolitik mittlerweile ein kalter Westwind ins Gesicht. Das hat nicht nu der Verlauf der OSZE-Sitzung in Istanbul am 18. und 19. November gezeigt.
Schon im Vorfeld des Gipfels konnte man aus jenen Teilen des untergegangene Sowjetimperiums, die sich aus der Moskauer Umklammerung gelöst haben, unverhohlene Kriti hören.
Besonders heftig fiel diese im Baltikum aus. Im estnischen Reval (Tallinn) versammelte sich am 16. November Dutzende Studenten vor der Russischen Botschaft, um öffentlich ihre Unwillen über den zweiten Tschetschenienkrieg zu bekunden. Sie trugen Plakate mi Aufschriften wie "Hände weg von Tschetschenien!" und "Putin Kriegsverbrecher".
Auch an der traditionsreichen Universität von Dorpat (Tartu) gab es studentische Protest. Der starke Freiheitswille der Tschetschenen wird in dieser Stadt besonder geschätzt, zumal hier der sowjetisch e Luftwaffen-Oberst Dudajew als Kommandant die Niederschlagung der estnischen Unabhängigkeitsbestrebungen verweigert hatte. Ein Gedenktafel für den von der russischen Armee getöteten ersten Präsidente Tschetscheniens schmückt noch heute die alte Kommandantur.
Estlands Präsident Lennart Meri kündigte demonstrativ an, das Istanbuler Treffe wegen des Krieges gegen die Kaukasus-Republik zu boykottieren. Er begründete dies mit de Worten: "Von dem Forum fernzubleiben ist ein Weg, Aufmerksamkeit zu erzeugen und de Glauben an die von der OSZE verkörperten Ideale zu unterstreichen sowie die Hoffnung au eine Zusammenarbeit, die es zuläßt, diese Ideale auch in die Wirklichkei umzusetzen."
Kurz danach forderte Ministerpräsident Mart Laar als der Vertreter Estlands in Istanbul die OSZE nachdrücklich zum Eingreifen im Kaukasus auf. Geschehe dies nicht, s müsse nach seiner Auffassung die Frage gestellt werden, "welche Zukunft die Organisation überhaupt noch hat".
Auch die lettische Präsidentin Vaire Vike-Freiberga blieb der OSZE-Konferenz fern. Si verwies auf den Unabhängigkeitstag Lettlands am 18. November.
Das litauische Parlament verabschiedete am 16. November einstimmig eine Resolution, mi der beide Seiten aufgefordert werden, in Tschetschenien eine friedliche Lösung zu suchen Die russische Regierung solle zunächst das Vorgehen der eigenen Armee gegen die Zivilbevölkerung verurteilen. Auch könnten die bereits getroffenen repressive Maßnahmen gegen gewählte Vertreter des tschetschenischen Volkes nicht hingenomme werden, verlautete aus Wilna.
Ob der auf dem OSZE-Gipfel angedeutete härtere Kurs der USA und der EU in de Tschetschenien-Frage wirklich ein russisches Einlenken zur Folge hat, muß bezweifel werden. Zu sehr hat sich die Moskauer Führung im Kaukaus in eine vermeintlich "Politik der Stärke" verrannt, die mittelfristig eher zu einer weitere Schwächung führen dürfte.
Immerhin signalisiert der aus Washington, Paris und Berlin ausgeübte Druck, daß ma die eigenen Interessen im Kaukasus wahrnimmt. Schließlich ist dieser Großraum an de Nahtstelle zwischen Europa und Asien wegen seiner reichen Rohstoffe und der geopolitische Schlüssellage eher von größerer Bedeutung als der Balkan. Und selbstverständlich habe die Tschetschenien genauso ein Recht auf Selbstbestimmung wie die Kosovo-Albaner
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