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Die Sache hatte von Anfang an etwas Merkwürdiges. Der Verfasser dieser Zeilen wohnt nur eine U-Bahn-Station von der Eberswalder Straße entfernt. Von dem Bahnhof also, an dem angeblich morgens früh - um ein Uhr - Gianni C. überfallen worden sein soll.
Ich war an dem Abend bei Emma, meiner Freundin aus Rom. Emma arbeitet an ihrer Diplomarbeit über "die deutsche Presse während der Wende 1989/90" (ein gänzlich unbearbeitetes Feld in der italienischen Wissenschaft, die sich ohnehin wenig für Deutschland interessiert). Deswegen verbringt sie ihre Wochentage seit dem letzten Winter in der Landesbibliothek . Berlin habe sie verhext, sagt sie. In Wirklichkeit meint sie, Berlin habe sie verzaubert, sie will nämlich hierbleiben, das heißt zurückkehren, wenn ihr Studium in Rom abgeschlossen ist.
Am Sonntag lädt sie regelmäßig ihre Freunde und deren "Freunde, Liebhaber, Verlobte, Cousinen, Geschwister" zu sich in ihre Wohngemeinschaft im Prenzlauer Berg ein. Es gibt abwechselnd Gnocci oder Pizza. Diesmal gab s Gnocci.
Als ich mit der Straßenbahn zu ihr fuhr, saßen neben mir laute Italienerinnen, die mit mir zusammen ausstiegen und langsam hinter mir her in die gleiche Richtung schlurften. Deswegen warnte ich Emma vor: "Da kommen noch Freundinnen von dir." Aber die Italienerinnen aus der Straßenbahn hatten nichts mit der Party zu tun.
Das macht nichts. Es zeigt uns jedoch: a) Italiener können sich frei im Prenzlauer Berg bewegen, auch wenn sie sich als solche zu erkennen geben. Weil es nämlich b) in diesem Bezirk von Ausländern nur so wimmelt, vor allem von Amerikanern, Franzosen, Iren, Engländern/Commonwealth-Bewohnern und eben Italienern.
Als die Meldung druch die Medien ging, daß Neonazis ausgerechnet hier einen Italiener in rassistischer Absicht zusammengeschlagen haben sollen, wuchs schnell Skepsis in mir. Nicht so bei zahlreichen Medien, die den Fall mit außergewöhnlichem Eifer aufgriffen. Schneller als in Potsdam im Falle eines Deutsch-Äthiopiers hat die Polizei jedoch die Lügenmärchen von Gianni C. aufgeklärt. Der Märchenonkel war sogar noch so dreist, seine "Story" vor einer laufenden Kamera auszubreiten. Gut, daß es nicht nur Sat1-Kameras, sondern auch die Überwachungskameras am U-Bahnhof Alexanderplatz gibt, auf denen ganz Deutschland beobachten durfte, wie das angebliche Opfer stockbesoffen auf die Gleise plumpste.
Emma bestätigt übrigens: "Ich wurde noch nie als Italienerin belästigt." Im Gegenteil: "Die Leute hier waren immer sehr freundlich zu mir." |
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