A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
     
 
     
 

Mesolithikum

 
     
 
Die mittlere Steinzeit ist im Grunde nur eine Übergangsperiode, die zwar im kulturellen Bestand einigermaßen klar umrissen werden kann, aber schon in Europa regional verschieden, früher oder später beginnt und endet, so daß die zeitliche Parallelisierung der Funde ohne Vorliegen tragfähiger absoluter Datierungsrnöglichkeiten auf Schwierigkeiten stößt. KIimatisch umfaßt sie die Nacheiszeit mit einem ersten Wärmemaximum. Dabei verändern sich Tier- und Pflanzenwelt in ihrer Zusammensetzung wie der dabei für den Menschen nunmehr verwertbaren Ernährungsbasis ganz entscheidend. Die offenen Landschaften vor dem Eisrand mit den relativ umfangreichen Rentierherden des Magdaleniums weichen zurück, der Wald dringt vor. Er hat wohl auch noch einen reichen Wildbestand, dieser ist aber weit schwieriger zu jagen als vorher (Einzeljagd!). Entsprechend stellt der Mensch sich um, Fischfang wie Verwertung von Muscheln ergänzen oder überwiegen sogar den Anteil tierischer Jagdbeute. Der benutz- und bewohnbare Lebensraum weitet sich aber ganz erheblich, und die Besiedlungsdichte nimmt zu, was allein schon aus der Zahl mesolithischer Reste aus nur 5-6 Jahrtausenden gegenüber dem um ein Vielfaches längeren Jungpaläolithikum hervorgeht. Diese merkliche Bevölkerungszunahme trotz einer gegenüber vorher eingeengten Wildbeute legt auch für Europa die Möglichkeit nahe, daß der Übergang zu bewußter Nahrungserzeugung in unserem Kontinent gleichfalls bereits im Mesolithikum eingesetzt haben kann.

Die wichtigsten Menschenreste in Auswahl:

M u g e m (Portugal)s. Siedlung, spätmesolithisch bis frühes Neolithikum. Große Muschelhaufen mit umfangreicher Skelettserie. Kennzeichnend relativ kleiner Wuchs, Schädel überwiegend langförmig, Gesicht schmal, auch einige Kurzköpfe geringen Grades. Keine eigene Rasse, Merkmalskombination am besten zum sich ausdifferenzierenden Formenkreis der Mediterraniden.

U r t i a g a (Spanien): Reste zweier Skelette, cromagnid.

G r a rn a t (Frankreich): Skelett für Mesolithikum sehr ausgeprägt cromagnid, fällt deutlich aus übrigen europäischen Mesolithikern heraus.

Hoedic (Frankreich) : Insel vor der Bretagne: Umfangreiche Skelettserie. Befund vergleiche Teviec.

Hoedic (Frankreich) : Insel wie Hoedic. Große Skelettserie. Körperhöhe ziemlich niedrig, Hirnschädel mäßig lang bis mittellang. Merkmalskombination läßt erkennen, daß Differenzierung begonnen hat, Zuordnung noch nicht möglich.

Grenelle (Frankreich) : Unsicher datiert, spielte vor Jahrzehnten große Rolle (Brachykephalisation), da noch in Altsteinzeit gesetzt, heute dagegen neolithisch datiert. Wichtig Kurzkopftendenzen an Schädeln. Die danach früher aufgestellte sog. Grenellerasse, oft mit Furfooz zusammengefaßt, ist nicht haltbar.

T r o u du Frontal/Furfooz (Belgien) : 1865, Serie gleicher Zeit und Stellung wie Grenelle, eigene Rasse nicht haltbar.

D e v e n t e r (Niederlande) : Reste von 6 Schädeln, indifferentes Typenbild (ähnlich H e n g e l o).

A v e l i n e s H o l e s (England) : Umfangreiche Skelettserie, endmesolithisch, einige Schädel beginnend brachymorph. (Ähnlich Goughs Caverne, Kents Caverne, Oban.)

G a 11 e y H i ll (England) : Sehr schmaler Langschädel, früher wesentlich älter eingestuft, nach Fluortest relativ jung. Arene Candide, Romanelli, San Teodoro (Italien): Mesolithische Reste, zumeist cromagniform.

M a i e l l a (Italien) : Schlecht datiert, eher frühneolithisch, Schädel noch cromagniform.

Egolzwil (Schweiz) : Früher altsteinzeitlich, heute nur noch neolithisch datiert. Sehr kleinwüchsige Frau, spielte nach Entdeckung große Rolle als Nachweis von Zwergwuchs bei altsteinzeitlichem Sapiens. Berechnung aber durch unzureichende Körperhöhenformel zu niedrig, gehört an die Untergrenze heutiger Frauenmittelwerte (Pygmäenproblem).

Laufen (Schweiz) : Bisher ältester Sapiensfund aus der Schweiz, morphologisch unauffällig.

B o t t e n d o r f (Deutschland) : 3 Gräber, drei Kinder, ein Mann. Körperhöhe knapp mittelhoch, schmaler Langkopf, mittelhohes Gesicht, gutes Relief. Noch cromagniform, aber bereits an Grenze zu jungsteinzeitlich faßbaren rassenkennzeichnenden Merkmalskombinationen.

F a 1 k e n s t e i n h ö h 1 e (Deutschland) : Skelettreste und Kulturinventar unbearbeitet, seit Kriegsende verschwunden.

H o h I e s t e i n/ Lohnetal (Deutschland) : Kopfbestattung mit 3 Schädeln, Gesamtbefund wie Ofnet.

K a u f e r t s b e r g (Deutschland) : Kopfbestattung, wohl mesolithisch. Schädel mittellang, vergleiche Ofnet.

N e u e s s i n g II (Deutschland) : 1913, ziemlich vollständiges Skelett, unsicher datiert, liegt in stratigraphisch älterer Schicht. Morphologisch Mesolithikum möglich.

0 f n e t (Deutschland) : 1908, Höhle, 2 Nester mit 27 und 6 Schädeln. Datierung nicht voll gesichert, späteres Mesolithikum wahrscheinlich. Schädel meist langförmig, einige Brachymorphe zunächst weit überschätzt, durch Fehlzusammensetzung viel zu hohe Indexwerte. Neuzusammensetzung unter M o l l i s o n ergab geringere Indices, konnten nach Kriegsbeginn nicht mehr publiziert werden. Originalmaterial wie neue Ergebnisse durch Bomben vernichtet. Trotzdem bleibt Ofnet als erster deutlicher Beleg für Kurzkopftendenzen zu dieser Zeitstellung von Bedeutung (Brachykephalisation).

K j o e 1 b e r g (Dänemark) : Skelett, durch Pollenanalyse datiert, möglicherweise Mann. Nahezu mittelgroß, Langschädel mit hohem Gesicht, wieder Beispiel einer Übergangsform im Differenzierungsprozeß.

M a g e 1 e m o s e Bog (Dänemark): Endmesolithisch, stark zerbrochene Reste, morphologisch wenig aussagefähig.

Er t e b ö 11 e/ Borreby (Dänemark) : Spätes Mesolithikum bis frühes atypisches Neolithikum, mit Serien, die z. T. durch BreitRundköpfigkeit auffallen. Bei allgemein gröberer Prägung noch an älteres, cromagniformes Formgut anzuschließen, weisen sie in die Richtung, daß Verrundung weitgehend an von vornherein breiterer cromagnider Ausgangsform angesetzt haben kann.

N a g y S a p (Ungarn) : Freilandfund, unsicher datiert, 2 Individuen, Schädel brachymorph, eher neolithisch als endmesolithisch.

F a t m a K o b a (Krim): 1922, Skelett vorherrschend cromagniform.

M u r z a k K o b a (Krim): 1936, Mann und Frau, cromagniform. Wie schon eingangs erwähnt, ist die Funddichte, gemessen an dem erfaßten Zeitraum, wesentlich größer und enthält dabei einige umfangreichere Serien. Wir sehen zugleich, daß in der Nacheiszeit neue Besiedlungsräume erschlossen wurden (Schweiz, Niederlande, England, Skandinavien), während Ost-und Südosteuropa trotz kulturell nachweisbarer Besiedlung bis auf die Krim keine Menschenreste erbrachten. Gegenüber dem Typenspektrum des jungpaläolithischen I-Iomo sapiens fällt auf, daß einmal die durchschnittliche Körperhöhe erheblich geringer wird. Im Gegensatz zu Nordafrika liegen bis jetzt aus Europa keine mesolithischen Skelette vor, deren Körperhöhe über mittelhoch hinausgeht. Diese großräumig faßbare durchschnittliche Abnahme der Körperhöhe setzt sich noch in der Jungsteinzeit fort, was bei dem Vergleich der jeweils kennzeichnenden Merkmalskombination mit denen jüngerer Rassentypen zu beachten ist. Gleichsinnig zeigen die Schädel insgesamt eine Abnahme der Massivität wie der Reliefausprägung, alles wird feiner, besonders auch der Geschlechtsunterschied erscheint im Gruppendurchschnitt merklich abgeschwächt. Auch das muß bei einem Vergleich von Merkmalskombinaten mit jüngeren Formen besonders beachtet werden, zumal sich seit dem Ende des Neolithikums über die Bronzezeit wieder eine umgekehrte Entwicklungstendenz bemerkbar macht. Insgesamt lassen sich aber noch keine deutlicher faßbaren rassentypischen Kombinate feststellen, die einzelnen Funde stellen weitgehend Übergangsformen dar, was ja auch gemäß einem als Prozeß verstandenen Rassenbegriff nicht anders zu erwarten ist. Die cromagnide Typenkomponente ist nur noch bei wenigen Funden deutlich faßbar, es überwiegen feiner reliefierte schmale bis mittellangförmige Köpfe und Gesichter, nur in Skandinavien häufen sich, auch noch in den ersten Abschnitten des Neolithikums, allgemein schwerere und gröbere Typenbilder mit deutlicher cromagniformen Anklängen, was vielleicht aus einem Abdrängen älterer Formkombinationen in die Randlagen mit noch weniger deutlicher Änderung der ökologischen Selektionsbedingungen gedeutet werden könnte (vgl. dazu fälisch-dalonordische Altformen!).

Wichtig ist aber, daß in den Spätstufen des Mesolithikums, ungeachtet vieler Datierungsschwierigkeiten, erstmals eine Tendenz zur Schädelverrundung faßbar wird. Diese ist allerdings nicht so deutlich, wie man früher zunächst angenommen hatte (0 f n e t!), belegt aber auch in ihrer schwächeren Ausprägung eindeutig das Auftreten einer neuen Formtendenz, die unabhängig voneinander bei verschiedenen Serien beobachtet werden kann. Dazu sei noch einmal darauf verwiesen, daß als Ausgangsbasis dazu die cromagniforme Schicht von vornherein mit ihrer durchschnittlich größeren Schädelbreite gute Ansatzmöglichkeiten bot, so daß eine Annahme von einströmenden Fremdformen gar nicht notwendig ist. Nach allen bisher greifbaren Befunden setzt die Verrundung überall (auch außerhalb Europas!) punktweise in großer Zerstreuung ohne belegbare genetische Zusammenhänge schrittweise ein und wird erst Jahrtausende später an kleinen Gruppen deutlicher faßbar. Die langsame Änderung des mesolithischen Typenbildes entspricht dabei für Europa gut der Tatsache, daß tiefgreifende Änderungen der ökologischen Situation verbunden mit entsprechender Eigeninitiative des Menschen erst in der nachfolgenden Periode mit ihrer wirtschaftlichen Revolution sicher zu fassen sind.

c) N e o l i t h i k u 111 bis Neuzeit: Der Beginn dieser Periode kann jetzt wieder mit rund 4000 v. Chr. im europäischen Zentralraum angesetzt werden, nachdem in den letzten zwei Jahrzehnten Tendenzen zu einer starken Herabdatierung sichtbar geworden waren. Die neuen Werte, die wieder der ursprünglichen Ansetzung entsprechen, beruhen z. T. auf C14-Bestimmungen. Diese werden aber noch durch Pollenanalysen gestützt, die durch Vulkanausbrüche in der Eifel und die dabei weithin verstreuten Aschen eine feste Vergleichsgrundlage und Datierungsergänzung finden. Danach sind erste Getreidepollen noch früher (!) einzustufen, was für den Anfang der wirtschaftlich-ernährungsmäßigen Umstellung in Europa besonders bedeutsam ist. Wir finden mit dem Beginn des Neolithikums nun auch in unserem Kontinent eindeutig seßhafte Gruppen mit bewußter Nahrungsproduktion, die sich auf Pflanzenbau und Viehzucht stützt. Zugleich werden mit Kulturgruppen erstmalig ethnische Einheiten faßbar, die zwar rassengemischt sind, aber doch recht unterschiedliche Anteile an den einzelnen Rassen dieser Periode aufweisen. Bei dem Versuch, diese frühen Rassen in ihrer kennzeichnenden Merkmalskombination mit der heute faßbarer Systemrassen in direkte Beziehung zu setzen, ist aber eine gewisse Zurückhaltung geboten. Es war unter b) bereits erwähnt worden, daß sich die durchschnittliche Abnahme der Körperhöhe auch noch über längere Abschnitte der Jungsteinzeit fortsetzt und mit einer allgemeinen Größenabnahme des Schädels, Verfeinerung seines Reliefs sowie geringerer Ausprägung des gruppentypischen Geschlechtsunterschiedes einhergeht. Das muß jederzeit bei einem metrisch-morphologischen Vergleich ausreichend berücksichtigt werden, wobei nicht so sehr heute faßbare Rassen, als frühe Skelettserien aus dem vermuteten Herkunftsraum z. B. mitteleuropäischer Serien die einzig mögliche Vergleichsbasis bieten können. Ergänzt werden müssen diese Vergleichsergebnisse dann durch bevölkerungsbiologische Überlegungen an Hand der zu schätzenden durchschnittlichen Lebenserwartung des Menschen in dieser Zeit und der danach etwa in Grenzen zu berechnenden Zuwachsrate und daraus biologisch möglichen Abgabefähigkeit für die Ausdehnung des ursprünglichen Siedlungsraumes. Nach allen bisher greifbaren Befunden ist die Vermehrungsgeschwindigkeit aber gering gewesen und kann nicht ohne weiteres mit der kulturell faßbaren Ausdehnungsgeschwindigkeit in Einklang gebracht werden. Auch hierbei wird man zu erwägen haben, daß Kulturausbreitung auch durch Übernahme erfolgen kann und nicht von vornherein mit entsprechend großen biologischen Einschüben parallelisiert werden darf. Erst die Zusammenfassung aller nur greifbaren anthropologischen, kulturgeschichtlichen und bestimmter genetischen Kriterien (Geschichte, Herkunft und Entwicklung von Haustieren und Kulturpflanzen!) kann zu einer einigermaßen tragfähigen Deutung der Befunde führen. Bei dem umfassenden anthropologischen Material vom Neolithikum an können hier aus Raumgründen nur kennzeichnende Stichproben behandelt werden, die dann mit der modernen Rassenverteilung und deren wichtigsten kennzeichnenden Merkmalskombinationen abgeschlossen werden sollen. Bandkeramiker: Die Kultur, nach der diese Bevölkerungsgruppen bezeichnet werden, dringt aus dem Südostraum unseres Kontinents in wenigen Jahrhunderten bis nach Mitteleuropa vor. Wir finden die zahlreichen Siedlungen und Gräberfelder dieser hackbautreibenden Gruppen auf dem ganzen Wege, und zwar durchweg auf den offenen (Löß-) Flächen, teilweise deutlich zwischen Populationen mit anderer Wirtschaftsweise eingeschoben. Anthropologisch haben für Mitteleuropa zuerst H e -b e r e r und danach G e r h a r cl t und G r i rn m größere Serien untersucht. Die darin stark vertretenen grazilen Dolichomorphen , kleinwüchsigere Langköpfe mit schmalen Gesichtern, sind von den genannten Autoren in die Nähe der Me d i t e r -r a n i d e n gestellt worden. Die Ahnlichkeit des kennzeichnenden Merkmalskombinats ist dabei groß, doch ist bei einer Herleitung aus dem Südostraum zu bedenken, daß dort für entsprechend frühe Perioden derart grazile Formen bis jetzt noch nicht ausreichend nachgewiesen sind, in den heutigen Kernräumen der Mediterraniden damals gröbere Formen noch deutlich unter dem Material vorherrschen. Deshalb erscheint es ratsamer, die grazilen Dolichomorphen der Bandkeramik nicht direkt in genetischem Sinne mit dem Rassenkreis der Mediterraniden in Verbindung zu bringen, zumal ein solcher Zusammenhang noch nicht gesichert werden kann und mit zunehmender Körperhöhe in der Bronzezeit die Grazilen wieder weitgehend verschwinden. Zusätzlich zu dem kennzeichnenden Formelement der grazilen Dolichomorphen finden wir auch unter den Bandkeramikerpopulationen noch Vertreter der übrigen im erschlossenen Raum belegten Rassen, insgesamt überwiegen die Langköpfe, brachymorphe Schädel mit breiteren Gesichtern sind selten.

G r o ß s t e i n g r ä b e r l e u t e: Diese Kulturgruppe tritt zwar erst am Ende der Jungsteinzeit deutlicher faßbar auf, bietet aber für unsere Überlegungen weitere wichtige Gesichtspunkte. Die dazu untersuchten Serien setzen sich aus grazilen Dolichomorphen und einem hohen Anteil abgeschwächt Cromagniformer zusammen. Kulturgeschichtlich bringt man die Großsteingräber-Dolmen mit ähnlichen Erscheinungen in Nahost, Nordafrika, den Atlantikküsten Westeuropas und Englands in Verbindung und neigt zu der Annahme, daß auch dabei entsprechende Bevölkerungswanderungen besonders aus Nordafrika mit beteiligt sein könnten, die sich entlang der Küste nach Norden vorgeschoben hätten. Auch hier versagt aber der morphologische Vergleich, zumal in Nordafrika überwiegend größere und gröbere Cromagniforme belegt sind. Auch hier dürfte das autochthone Element in Europa den größten Teil der Bevölkerung stellen, wobei zu beachten ist, daß mit zunehmender Körperhöhe seit Ende der Jungsteinzeit auch bei uns die Cromagniformen wieder mehr dem älteren Typenbild zu entsprechen beginnen. Das ist im Rahmen von Wachstumsveränderungen in Richtung allgemeiner Größenzunahme durchaus möglich. Diese Gruppe ist deshalb hier auch nur als weiteres Beispiel dafür gebracht, daß man gegenüber der Voraussetzung kurzfristig weit-strahlender starker Bevölkerungsverschiebungen aus bevölkerungsbiologischen Gedankengängen zurückhaltend sein muß, zumal wenn einfachere Erklärungsmöglichkeiten gefunden werden können.

Schnurkeramiker: Diese Gruppe, nach einer kennzeichnenden Waffe auch S t r e i t a x t l e u t e genannt, ist kulturgeschichtlich erst in der 2. Hälfte der Jungsteinzeit zu fassen und hat ihr Schwergewicht im Endabschnitt. Ihre besondere historische Bedeutung liegt darin, daß eine stärkere Beteiligung schnurkeramischer Populationen bei der Bildung der Urindogermanen angenommen werden muß. Nun zeigt der Kulturbestand auch Einflüsse aus Osteuropa/Südrußland, weshalb man sie z. T. auch von dort herleiten wollte. Das läßt sich aber zeitlich nicht ohne Schwierigkeit mit der stärkeren Verflechtung der Schnurkeramik mit anderen gleichzeitigen neolithischen Kulturen in Mitteleuropa vereinbaren. Eine größere Serie von mitteldeutschen Schnurkeramikern ist erstmalig von H e b e r e r anthropologisch sorgfältig untersucht worden, dem sich dann G r i m rn mit weiteren Arbeiten anschloß. Wir haben eine langköpfige, überwiegend schmalgesichtige Population mittlerer Körperhöhe vorliegen, deren Merkmalskombinat am besten mit der nordischen Rasse verglichen werden kann. Die für Nordische relativ geringe Körperhöhe entspricht dabei dem allgemein niedrigen neolithischen Befund. Gegenüber den grazilen Dolichomorphen der Bandkeramik sind die Schnurkeramiker durchschnittlich etwas größer und kräftiger und lassen sich als Serien gut unterscheiden. Daneben tritt auch bei ihnen ein merklicher Anteil cromagniformen Formgutes auf. Insgesamt kann man nur sagen, daß die bei den Schnurkeramikern festzustellende Merkmalskombination sich sehr gut an ältere in diesem Raum belegte Funde anschließen läßt, sie also sicher in hohem Maße aus autochthonen Elementen bestehen.

Natürlich können wir nichts über die Farbkomplexion aussagen, die für eine Einstufung nordisch so wichtig ist. Wie wir bei der P i g m e n t i e r u n g/ Depigmentation gesehen haben, liegt der Kernraum der Aufhellung eindeutig gerade in dem Gebiet, aus dem wir die meisten Schnurkeramiker kennen. Wenn daher später von den Indogermanen, besonders den Weststämmen mit Kentumsprache berichtet wird, daß sie durch helle Komplexion auffielen, wird man mit Recht zurückschließen dürfen, daß größere Anteile dieser Stämme aus dem ursprünglichen Aufhellungsraum stammen dürften, wobei natürlich nicht entschieden werden kann, wieviel Bevölkerungsteile kulturell zunächst nicht schnurkeramischer Gruppen von diesen mit in Bewegung gesetzt wurden und die helle Komponente verstärkten. Auf jeden Fall ist aber mit dem Hinweis auf die helle Komplexion ein wesentliches Argument beigebracht, das biologisch begründet werden kann und bei der Auseinandersetzung über die Herkunft der Indogermanen nicht beiseite gelassen werden sollte, auch wenn man morphologisch am damals überall vorherrschenden schmalen Langschädel nicht mit Sicherheit entscheiden kann, ob er im Mittelmeerraum der südlichen bzw. östlichen oder der ursprünglich nördlichen Langkopfgruppe der Europiden zuzuordnen ist. Das gilt besonders für einen Vergleich zwischen Grobmediterraniden und Nordiden, die morphologisch vielfach nur graduell verschieden erscheinen, obwohl gerade die Farbkomplexion am Lebenden sichtlich abweichend ist!

Glockenbecherleute: Für diese endneolithische Gruppe liegt eine vorzügliche Monographie von G e r h a r d t vor, der alle nur erreichbaren Funde in seine Arbeit einbezogen hat. Die Glockenbecherleute waren außerordentlich beweglich man hat sie als reisige Kaufleute bezeichnet und bringen als auffälligstes Kulturgut den Glockenbecher, eine Armschutzplatte (zum Schutz vor der zurückschnellenden Bogensehne), wie geringe Anteile kalt geschmiedeten Kupfers mit. Man findet sie in weiter Verteilung zwischen andere Bevölkerungsgruppen eingesprengt. Anthropologisch fallen sie dagegen dadurch deutlich heraus, daß bei ihnen erstmals in stärkeren Graden steilhinterhäuptige (planoccipitale) und rundhinterhäuptige (kurvoccipitale) Kurzköpfe neben grazilen Dolichomorphen wie auch nordischen Langköpfen vertreten sind. Gegenüber dem ersten andeutungsweisen Auftreten von Kurzköpfen im späteren Mesolithikum zeigen diese endneolithischen Populationen erstmals mit der Kurzköpfigkeit eine Reihe weiterer Merkmale verbunden, die sie kennzeichnend abgrenzen. Der Leittyp der Glokkenbecherleute ist ein hoher Kurzkopf mit steilem, flach abfallendem Hinterhaupt und hohem Gesicht, zugleich auch mit etwas größerer Körperhöhe. Daneben tritt der gerundete Kurzkopf mit breit-niedrigerem Gesicht und insgesamt weicheren Konturen. Letzteren könnten wir ohne Schwierigkeiten an die beginnende Kurzköpfigkeit der vorhergehenden Periode anschließen. Das ist dagegen problematisch bei dem Steilkopf, der unvermittelt da zu sein scheint. G e r h a r d t versucht diesen Typ über Westeuropa und Nordafrika mit dem Nahostraum zu verbinden. Dazu fehlen aber einmal sichere Belege aus der Pyrenäenhalbinsel sowie Steilköpfe aus Nordafrika, besonders aber sind echte Planoccipitale aus Vorderasien zeitlich erst erheblich später nachzuweisen. Umgekehrt liegt aus Eggenburg/Niederösterreich mit Lenggyelkultur ein planoccipitaler Schädel vor, der zeitlich vor die Glockenbecherkultur einzustufen ist. Somit müssen wir zunächst die Ableitung dieser eigenständigen Formkombination offenlassen und können nur feststellen, daß sie zeitlich passende Vorläufer aus anderen Räumen bis jetzt nicht besitzt. Da sie nach der frühen Bronzezeit zudem auch wieder verschwindet, kann sie nicht mit den um Jahrtausende späteren Dinariern zusammengebracht werden. Demgegenüber bleibt der kurvoccipitale Rundkopf in Europa erhalten, wenn er auch für lange nur unwesentliche Bruchteile stellt und erst in der zweiten Hälfte des letzten Jahrtausends v. Chr. stellenweise deutlicher gehäuft auftritt.

Zusammenfassend können wir sagen, daß in der Jungsteinzeit die meisten der wesentlichen modernen Systemrassen , nor- dische (mit fälischer), mediterrane und alpine, in Vorformen vertreten sind, wobei für. die grazilen Dolichomorphen der Bandkeramik ein direkter Zusammenhang mit den Mediterraniden nicht gesichert werden kann. Die Planoccipitalen der Glockenbecherleute können sicherlich nicht als direkte Vorläufer der wesentlich späteren planoccipitalen Dinariden und Armeniden angesehen werden. Die kennzeichnende Merkmalskombination der Glodcenbecherplanoccipitalen legt aber für das Endneolithikum eine genetische Fixierung nahe, wobei ein eigenständiger Entwicklungsprozeß in Europa selbst (Brachykephalisation) auf jeden Fall zur Diskussion steht, auch wenn der Typ zunächst wieder verschwindet.

In den auf die Jungsteinzeit folgenden Perioden (Bronze- und Eisenzeit), für die meisten Gebiete Europas noch voll prähistorisch, im Mittelmeerraum aber bereits durch geschichtlich f aß-bare Hochkulturen belegt, herrschen überall Langkopfformen mit schmalem Gesicht und wechselnder Körperhöhe vor. In diesen Perioden entwickeln sich im Mittelmeerraum erstmals deutliche Bevölkerungsverdichtungen mit städtischen Zentren, während sich für die prähistorischen Räume nur eine offene bäuerliche Siedlungsweise geringer Dichte belegen läßt, die zugleich mehr und mehr auf Waldgebiete übergreift und stärkere Anteile der Viehzucht mit Weidewirtschaft zeigt (Besiedlung relativ ungünstiger Böden!). Die innere Tragfähigkeit dieser Räume ist dabei bald gesättigt und führt in Verbindung mit Phasen von Klimaverschlechterung wie dem Absinken von Landflächen im Küstenbereiche (Nordseegebiet) zur Entwicklung eines Unruhezentrums, dessen Druckraum von den sich langsam nach Süden ausbreitenden Germanen beherrscht wird, die konzentrisch vor ihnen siedelnde Völker wie Kelten und Illyrer nach außen in Bewegung setzen. Der Gegendruck der Hochkultur-räume kann diese Bewegungen nur zeitweilig militärisch abfangen, aber das ständige Einströmen von neuen Bevölkerungsschüben nicht verhindern. Die letzte, nun schon historisch faßbare Bewegung wird als Völkerwanderung bezeichnet. Sie wurde für länger zunächst von der Machtentfaltung des römischen Großreiches aufgehalten und führte zeitweilig sogar zu einer umgekehrt nach Norden ausstrahlenden Siedelbewegung von Bevölkerungsteilen aus dem Mittelmeerraum (Frankreich, Rhein/Mosel-Gebiet, Süddeutschland, Balkan einschließlich Rumänien). Nachdem erst über die Grenzen vordrängende Stämme als Siedler in das angrenzende Reichsgebiet aufgenommen worden waren, löste der erste faßbare Vorstoß sicher mongolider Gruppen (Hunnen) die letzte stürmische Vorbewegung der Südrußland erfüllenden Ostgermanen aus und brachte das römische Reich endgültig zum Einsturz. Die nach Süden vorstoßenden Germanen haben sich aber nur in den nördlichen Randzonen des Mittelmeerraumes länger halten können und wurden in den übrigen Gebieten bald von den autochthonen Mediterraniden wieder aufgesogen. Dem ersten Vorstoß Mongolider aus dem Unruhezentrum Innerasiens folgten dann mit Awaren, Bulgaren (mongolische Oberschicht) und Ungarn im z. Jahrtausend n. Chr. weitere Schübe, die erstmals bevölkerungsmäßig, stark genug waren, um in Teilen des Balkanraumes noch heute faßbare Spuren Nichteuropider zu hinterlassen.

Versuchen wir diese stark vereinfachten bevölkerungs- und rassengeschichtlichen Abläufe mit dem heutigen Verteilungsbild auf unserem Kontinent in Beziehung zu setzen, darf man nicht außer acht lassen, daß Rassen sich im Laufe von Jahrtausenden wandeln, weil sie Prozesse , d. h. dynamisch, sind, aber nicht unverändert statisch. Unsere morphologisch begründete Beweisführung kann daher niemals zwingend sein, ganz abgesehen von großen Fundlücken, die auch in Europa noch für weite Bereiche und Perioden bestehen. Immerhin erhalten wir mit zunehmender Geschichtlichkeit weiteres Urkundenmaterial aus Berichten und Beschreibungen, die den Anschluß früher Serien an das heutige Zustands- wie Verteilungsbild mit hoher Wahrscheinlichkeit ermöglichen. Allerdings muß dabei noch berücksichtigt werden, daß der mittelalterliche Brachykephalisationsprozeß, der alle Populationen außer den südlichen Mediterraniden mehr oder weniger stark erfaßt hat, bei der Einordnung heute lebender Gruppen in die kennzeichnenden Merkmalskombinate unserer modernen Systemrassenvorstellung gewisse Schwierigkeiten bietet. Demgegenüber können wir nun die Farbkomplexion mit zur Abgrenzung heranziehen, dazu weitere Merkmale der Muskel- und Hautbedeckung des Knochengerüsts, das uns sonst allein zur Verfügung steht.
 
     
     
 
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