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Sie selbst leugnet es nicht, alle wissen es - nur bekommt man kaum Belege dafür in die Hand, in welchem Ausmaß die PDS-Politikerin Angela Marquardt aus Greifswald dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der DDR zugearbeitet hat. Die meisten Spitzelberichte müssen aus datenschutzrechtlichen Gründen unter Verschluß bleiben. Einstweilen; denn der Bundestag, dem Marquardt seit 1998 angehört, prüft gegenwärtig die Vorwürfe.
Auf die Vergangenheit des Paradiesvogels im Deutschen Bundestag waren Mitarbeiter der Stasi-Unterlagenbehörde in Rostock gestoßen, die im Auftrag der Redaktion von Spiegel online Nachforschungen zu Schüleranwerbungen durch die Stasi anstellten. Das erstaunliche Ergebnis: Im Gegensatz zu den meisten ihrer Altersgenossen, die dem Begehren der Schnüffler widerstanden, hatte sich Angela Marquardt im Alter von 15 Jahren freiwillig für Spitzeldienste angeboten. Das belegt eine handschriftliche Verpflichtungserklärung, die sie am 3. April 1987 unterschrieb. Auszug:
"Ich, Angela Marquardt, verpflichte mich freiwillig, das MfS in seiner Arbeit zu unterstützen. Meine Entscheidung beruht auf meiner politischen Überzeugung. ... Ich möchte, daß Feinde unschädlich gemacht werden und Menschen, die auf dem falschen Weg sind, geholfen wird." Zur "Wahrung der Konspiration" legte sich Marquardt den Decknamen "Katrin Brandt" zu.
Noch bis zum September 1989 hatte die Tochter geschiedener Eltern, die allein in Greifswald lebte, ihrem Führungsoffizier Berichte über politische Überzeugungen und Aktivitäten ihrer Mitschüler und Bekannten geliefert. Das Problem ist, daß laut Nachrichtenmagazin Focus lediglich zwei dieser Dossiers zugänglich sind, weil sie nach dem 18. Geburtstag Marquardts abgefaßt worden sind. Nach bundesdeutschem Recht, von dem die stellvertretende PDS-Vorsitzende nun profitieren darf, müssen ihre übrigen Mitteilungen - vorerst - unter Verschluß bleiben. Sie selbst hat allerdings Einsicht genommen, um sich demnächst zu den Vorwürfen zu äußern.
In einem dieser Berichte, der der Spiegel-Redaktion offenbar vorliegt, kolportiert "Katrin Brandt" ihrem Führungsoffizier in Greifswald, wie in der Klasse 12b der Erweiterten Oberschule des mecklenburg-vorpommerschen Städtchens über "das neue Forum in Leipzig" diskutiert wurde, eine der Keimzellen der Reformbewegung. Das finde in der Klasse zwar Anklang, aber "keine begründete Zustimmung". Einen ihrer Bekannten verrät Marquardt als möglichen Sympathisanten des Forums. Mehr noch: Sie liefert ihn den DDR-Schergen aus, indem sie seinen angeblichen Fluchtplan beim Ungarn-Urlaub preisgibt.
In Partei und Fraktion will bis zu der Spiegel-online-Veröffentlichung niemand von der konspirativen Vergangenheit der "Genossin Punk" gewußt haben - offiziell jedenfalls nicht. Dabei hatte die heute 31jährige ihre steile Nach-Wende-Karriere im wesentlichen der Protektion durch die "SED-Umformer" (Spiegel online) Gregor Gysi und Lothar Bisky zu verdanken. Bereits seit Dezember 1990 gehörte sie dem PDS-Parteivorstand an.
Den Partei-Granden dürfte damit auch verborgen geblieben sein, daß IM Brandt mit Hilfe der Stasi ein Theologiestudium anstreben sollte. Womöglich versprach sich das Ministerium dadurch Erkenntnisse aus dem Kirchen-Umfeld, das in Berlin grundsätzlich verdächtig war.
Der Plan schlug fehl, weil sich Marquardt wohl bockig anstellte. Ihre schulischen Leistungen sanken rapide - aus Verärgerung, wie ihr Führungsoffizier argwöhnte, weil ihr die Wunschkarriere als Offizier der Nationalen Volksarmee (NVA) verwehrt blieb. In einem Buch, das sie 1999 bei Kiepenheuer in Köln verlegte, schreibt sie von Ambitionen, Sportlerin zu werden. Ihr Ziel: "Judoweltmeisterin".
Wenigstens einmal war Marquardt allerdings ehrlich. Über ihre Funktion als PDS-Bundestagsabgeordnete schreibt sie auf ihrer Internet-Seite: "Manche haben mich auch deswegen gewählt, weil Gregor Gysi mich vorgeschlagen hatte. Mit der Wahl wurden Erwartungen in mich gesetzt. Aber welche? Ich glaube, ich habe es bis heute nicht ganz herausfinden können."
Wohl möglich, daß ihr bald viel Zeit zum Nachdenken bleibt. Zum Beispiel über die Rüge von Johann Michael Möller in der Welt vom 13. Juni: "Nicht, daß sie damals (Anm.: als Kind noch) in die Fänge der Stasi geriet, ist heute ihr Problem, sondern daß sie auch heute noch einer Partei angehört, die in der Stasi-Mitarbeit kein Problem sieht und sich ihre SED-Vergangenheit noch schönredet. ... Daß wir dies heute mehr oder minder achselzuckend zur Kenntnis nehmen, ist der eigentliche Sieg der PDS über die demokratische Kultur des Westens. ... Nicht ihre Vergangenheit muß man Angela Marquardt vorwerfen, sondern die Gegenwart: daß sie nicht angewidert ist von einer Partei, die das mit ihr gemacht hat." E. Wenze |
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