|
Gut gelaunt, ja fast aufgekratzt, treffe ich die Senioren in der Turnhalle an. "Heute ist Kirchweih, nach der Turnstunde gehen wir ein Viertele trinken", tönt es mir entgegen. "Gut! Ich bin dabei", gebe ich zur Antwort.
Wenn schon Kirchweih, dann auch Kirchweihtanz, denke ich mir, lege eine flotte Marschmusik in den CD-Spieler ein und rufe zur Polonäse auf. Wer nur einigermaßen auf die Füße kann, geht, wenn auch humpelnd, auf die Tanzfläche und will dabei sein.
Fröhlich den Liedtext mitsingend, ziehen wir unsere Figuren durch die Halle. Bei den anschließenden Folkloretänzen werden die Reihen schon lichter. Einige Unentwegte tanzen begeistert, bis ich den Schlußtanz ansage. Da für heute keinerlei Interesse an der Gymnastik mehr besteht, beschließen wir die Turnstunde, um im benachbarten Gasthaus weiter zu feiern.
Dort sind bereits die Tische für die Gruppe reserviert. Gutes Essen und Trinken gehört seit altersher zur Kirchweih dazu, das gilt in Seniorenkreisen auch heute noch, und natürlich auch eine flotte Musik. Unser bewährter Zieharmonikaspieler wartet nur auf unsere Aufforderung und spielt vertraute Volksweisen, die fröhlich mitgesungen werden. Bald werden auch alte, fast vergessene Lieder, die man in jungen Jahren bei der Arbeit und der knappen Freizeit gesungen hat, angestimmt. Doch hier hapert es mit den Texten. Der Ortsvorsteher, der sich gerne zu den Senioren gesellt, verläßt daraufhin die Gaststube und kommt nach kurzer Zeit mit einem Stapel selbstgefertigter Liedmappen zurück. Seit einiger Zeit hat er sich darauf verlegt, Texte zu sammeln, die vor mehr als einem halben Jahrhundert zum allgemeinen Liedgut gehörten, und die heute in keinem Liederbuch mehr zu finden sind.
Nun drehen die alten Herrschaften so richtig auf. Ein jeder Liedwunsch wird erfüllt, gekonnt vom Zieharmonikaspiel begleitet. Neu hinzugekommene Gäste lauschen verwundert dem Gesang der munteren Schar. Doch bald singen auch sie eifrig mit und staunen über die von Herzen kommende Fröhlichkeit der Alten. Dabei hatte eine jede der Anwesenden, meist sind es ja Frauen, ein mit schweren Schicksalsschlägen und harter Arbeit ausgefülltes Leben zu meistern.
Nachdem die Abend- und Abschiedslieder verklungen sind, ist man sich einig, daß dies ein Erlebnis ganz besonderer Art war, das noch lange nachklingen wird. So manche Kruste wurde von der Seele gesungen und der Grauschleier, der sich so oft auf das alte Gemüt legt, hat sich sichtbar gelichtet. Hilde Murs |
|