Mitleidlos

Im Frühjahr 1945 erlebt der 13jährige Egon mit seiner Mutter, dem jüngeren Bruder und seiner Großmutter in Heubude, einem Vorort von Danzig, den verheerenden Bombenangriff der sowjetischen Armee auf Danzig mit. Den Vater hatte man mit einem Teil der Volksschule, an der er Lehrer war, vor den anrückenden Russen bereits in den Westen evakuiert. Als eine Bombe in das Elternhaus einschlägt und die Mutter schwer verletzt wird, begleitet Egon sie bis an die Weichselmündung, wo sich am anderen Ufer ein Lazarett

befinden soll und wo Schiffe bereitstehen, um die Menschen aus dem Kessel zu bringen. Schweren Herzens nimmt Egon Abschied von seiner Mutter, bereits ahnend, daß er sie wohl nie wieder sehen wird, und macht sich auf den Rückweg nach Heubude. Mit der Besetzung durch die Rote Armee beginnt für Egon der Kampf ums Überleben in einer chaotischen Umwelt. Die meisten Menschen haben sich verändert. Mitleid, Erbarmen, Nächstenliebe gelten höchstens noch im engen Familienkreis. Mit Ankunft der polnischen Miliz müssen die Menschen erneut Demütigungen, Schikanen und Gewalt erleiden. Bis es dann heißt: "Alle Deutschen müssen das Land verlassen!" Im Sommer 45 beginnt für Egon und seinen kleinen Bruder die Vertreibung aus ihrer Heimat. Ihre Flucht in den Westen wird vier Wochen dauern, bis sie endlich in Berlin ankommen; 450 lange Kilometer voller Leid und Entbehrungen.

Der Autor Egon Buddatsch schreibt in seinem Vorwort: "Die Ereignisse, von denen ich berichte, liegen nun fast 60 Jahre zurück. Als ich sie 1994 niederschrieb, habe ich auf persönliche Aufzeichnungen zurückgegriffen, die ich als 17jähriger drei Jahre nach meiner Vertreibung gemacht habe." Entstanden sind ergreifende Erinnerungen eines heranwachsenden Jungen über seine Flucht aus Danzig in den Westen. Barbara Mußfeldt

Egon Buddatsch: "Abschied von Danzig", Zeitgut, Berlin 2005, brosch., Fotos, 142 Seiten, 16,80 Euro