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Auch zwei Wochen nach den Bundestagswahlen ist die Berliner CDU noch immer damit beschäftigt, ihre Wunden zu lecken. Gemessen an den Zweitstimmen firmiert die SPD inzwischen in immerhin 20 der 23 Berliner Bezirke als stärkste politische Kraft. Die Sozialdemokraten gewannen in den einstigen CDU-Hochburgen am stärksten hinzu und ließen die Christdemokraten mit deren nur noch berlinweit 23,4 Prozent mit klarem Abstand hinter sich. Eine bittere Pille für die CDU, Koalitionspartner der SPD im Berliner Senat .
Um das Debakel voll zu machen, verlor die CDU schließlich auch alle Direktmandate für den Bundestag. Sogar so profilierte Persönlichkeiten wie der Rechtswissenschaftler Rupert Scholz mußten ihre sicher geglaubten Plätze an völlig unbekannte SPD-Kandidaten abgeben und ihr Glück, wie im Falle Scholz, über einen guten Platz in der Landesliste suchen. Entsprechend sorgenvoll reagierte denn auch die Berliner CDU-Spitze um den Parteivorsitzenden und Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen, einst stiller Herr einer starken "Betonfront" innerhalb der Partei, von der jetzt kaum noch jemand bundesweiten politischen Einfluß nimmt. Dafür sitzt aber künftig mit Diethart Schütze ein Vertreter der Gruppierung "CDU 2000" im Bundestag, die für eine vor allem personelle Erneuerung der Berliner Union plädiert.
Daß der Wahlkampf bei der CDU für die im Herbst nächsten Jahres stattfindenden Wahlen im Abgeordnetenhaus unmittelbar nach dem für sie katastrophalen Ausgang seinen Anfang nahm, ist verständlich. Allerdings, so ließ die SPD für sich wissen, bleibe das bisherige schwarz-rote Regierungsbündnis bis zum Ende der Legislaturperiode unberührt. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Klaus Böger hob sogar hervor, daß es daran "nichts zu rütteln" gebe. Beobachter meinen allerdings, daß der Wolf hier einiges an Kreide gefressen haben könnte. Taktisch jedenfalls scheinen die Sozialdemokraten damit durchaus listig zu handeln, hoffen sie doch auf einen weiteren Abnutzungseffekt zu Ungunsten des Koalitionspartners CDU, der sich bundesweit bewahrheitet hat und auch beinhart den weit mehr als eine Dekade im Amt befindlichen Regierenden Diepgen einholen könnte.
Fast rührend schlicht wirkt im Zusammenhang damit die von den Berliner Christdemokraten in aller Eile angekündigte "Kiez-Kampagne". CDU-Generalsekretär Volker Liepelt meinte treuherzig, die Erkenntnis liege inzwischen vor, daß "das Wahlverhalten durch langfristige Stimmungen in der Bevölkerung maßgeblich beeinflußt wird". Die angesichts dieser Binsenwahrheit auch zu erkennende Hilflosigkeit milderte Liepelt indes dadurch, daß er deutlich machte, Eberhard Diepgen sei der "unangefochtene" Spitzenkandidat der CDU für das kommende Wahlkampfgeschehen.
Eine derart rasche Entscheidung bedeutet sicher nicht nur das Pfeifen im dunklen Wald, sondern mag zweifellos den Regierenden auch zu Lösungen von Problemen auf Regierungsebene für den Rest der Legislaturperiode beflügeln. Der kommende Haushalt und zahlreiche andere, vor allem sozialpolitische Fragen sind zu klären. Die Entscheidung ist aber auch in sofern positiv zu bewerten, als daß Liepelt zufolge der innerparteilichen Forderung nach zusätzlichen "neuen Gesichtern" Rechnung getragen werden soll.
Der scheidende Bundestagsabgeordnete Heinrich Lummer gießt allerdings Wasser in den Wein, wenn er sagt, daß man nicht mehr aus dem Ärmel schütteln könne, als darin sei. Und in der Tat: Die Berliner CDU-"Personaldecke" ist beängstigend dünn. Die SPD wiederum scheint es sich als glänzender Wahlsieger in Berlin unnötig selbst schwer zu machen, hat sie doch gleich drei mögliche Kandidaten im Visier, von denen der Spitzenkandidat erst im Frühjahr gekürt werden soll. Dabei ist es noch völlig offen, ob der Fraktionschef Klaus Böger oder der umstrittene Umweltsenator Peter Strieder oder gar der Ex-Regierende Walter Momper, verläßlicher Garant für rotgrüne Kungelei, das Rennen macht. Gerangel wird es jedenfalls genügend geben, so daß die CDU mit ihrem letztendlich mangels wirklicher Alternative gekürtem Spitzenkandidaten durchaus Pluspunkte machen kann. Sie mag durchaus davon profitieren, daß bei der SPD wieder einmal mehr über Personen als über Inhalte geredet werden wird.
Ein liberaler Koalitionspartner wird der Berliner CDU nach den Wahlen im kommenden Jahr kaum zur Verfügung stehen. Sie muß darauf hoffen, daß das Bonner rotgrüne Bündnis den Berliner Wählern in den kommenden Monaten gehörig das Fürchten lehrt. Das ist eine der wenigen übriggebliebenen Chancen, um nach Jahresfrist nicht auf die harten Bänke der Oppo- sition im Abgeordnetenhaus ver-bannt zu werden. Dies zu erreichen, erfordert allerdings weit aus mehr als "Kiez-Kampagnen".
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