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Kaum hat sich die in Königsberg erscheinende Tageszeitung "Kaliningradskaja Prawda" mit ihrem unter dem Titel "Westliche Achse Moskaus nach Berlin" aus der Feder eines russischen Genralstabsoffiziers stammenden Beitrages über die Freigabe Ostdeutschlands gemeldet ( 3/98 S.1), da registriert die in Moskau herausgegebene "Novye Izvestija" vom 15. 1. 1998 unter Berufung auf ein mit dem litauischen Präsidenten Valdas Adamkus geführtes Interview mit der in Posen erscheinenden Zeitschrift "Vprost": "Litauens Präsident trauert um Ostdeutschland".
Was war geschehen? Die polnische Zeitschrift "Vprost" hatte ein ausführliches Interview mit dem unlängst gewählten, aber noch nicht im Amt befindlichen Präsidenten Litauens geführt, in dem dieser über die allgemeine Lage im Baltikum und die seiner Nachbarstaaten gefragt worden war. Neben Fragen, die auch die Person des Präsidenten betrafen, der von 1944 bis 1945 in Breslau lebte, bis ihm, von Westdeutschland aus, 1949 die Ausreise in die USA gelang, wurden auch die Themen Nato und EU sowie das Verhältnis zu Rußland erörtert.
Erst die nächste Frage, die von der BBC-Reporterin Marie Przelomiec gestellt wurde, stiftete eine sensationell e Antwort: "Viele Emotionen löst in Litauen die Angelegenheit der Region Königsberg aus. Litauische Parlamentarier schlugen die Schaffung eines polnisch-litauisch-russischen Dreierforums vor, das sich mit der Zukunft dieser Region befassen sollte". Adamkus antwortete: "Mit der Zukunft Kaliningrads/Königsbergs sollten sich eher internationale Gremien befassen. Heute denkt kaum einer noch daran, daß während der Potsdamer Konferenz die Siegermächte diese Region nur zur Verwaltung übergeben haben. Aber eben nur zeitweilig, genauer bis zu dem Zeitpunkt eines neuen Beschlusses, in dem festgelegt wird, was nun weiterhin geschehen sollte. Folglich ist das eine internationale Angelegenheit".
Adamkus Antwort ist in mehrfacher Hinsicht sensationell: Erstens weicht er von den bisher offiziell zugänglich gewordenen Beschlüssen von Potsdam insofern ab, als die vormalige Sowjetunion das nördliche Ostdeutschland zwar zur Verwaltung übertragen bekommen hatte, das es aber erst bei Abschluß eines Friedensvertrages mit Deutschland dieses Gebiet zugesprochen bekommen sollte, wobei es von den anderen Siegermächten in diesem völkerrechtswidrigem Ansinnen unterstützt werden würde.
Zweitens erhebt damit Litauens Präsident als erste bedeutsame ausländische Stimme der Politik in der nachkommunistischen Ära damit den Anspruch, daß das Problem Gebietsabtretung keineswegs endgültig im Sinne völkerrechtlich verbindlicher Weise gelöst ist. Bekanntlich können Regierungen Land erst dann abtreten, wenn die betroffenen Bewohner darüber befragt worden sind und die Eigentumsfrage geregelt ist.
Drittens kann der litauische Präsident, der noch die amerikanische Staatsbürgerschaft besitzt, kaum aus alleinigem Antrieb heraus das immer noch als Atommacht miltärische Weltgeltung besitzende Rußland so herausfordern, was möglicherweise darauf schließen läßt, daß Washington im Hintergrund die inspirierende Kraft ist. Die "Novye Izvestia" hatte nämlich in ihrem Vorabdruck ergänzend eingefügt, daß Adamkus, der "Bürger der USA, dort (nach einigen Aussagen) Mitarbeiter des Nachrichtendienstes dieses Landes" war.
Sollten aber die USA tatsächlich die treibende Kraft sein, so wäre ihre Zielvorstellung zu ergründen: Entweder wollen sie erreichen, daß die Russen heraus-, aber die Deutschen nicht hereinkommen, um Rußland von den übrigen Staaten Europas abzuschneiden. Oder sie möchten vorbeugend erreichen, daß die Bundesrepublik nicht gegenüber russischen Angeboten anfällig wird. Schließlich ringt noch ein bestimmter Flügel in den USA darum, den Deutschen eine führende Rolle in Europa zuzuweisen, wobei dies dann die vergoldete Brücke sein könnte. Müller
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