A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
     
 
     
 

Ohne Rücksicht auf Verluste

 
     
 
Manchmal läuft es einem kalt den Rücken runter, mal staunt man nur, mal wendet man sich angeekelt ab; Kayla Williams schildert in "Jung, weiblich, in der Army - Ich war Soldatin im Krieg" schonungslos und zugleich ohne Schnörkel ihre Zeit in der US-Army und im Irakkrieg. Dieses Buch dürfte vermutlich vielen US-Militärs Magenschmerzen bereiten, denn von Heldenkampf ist in den Ausführungen der 1976 Geborenen nie die Rede. Die Aussicht auf ein vom Staat finanziertes Studium lockte das Scheidungskind Kayla in die Army. Da sie zwei Jahre mit einem Palästinenser zusammengelebt hatte und so schon einigermaßen Arabisch
konnte, entschied sie sich diese Sprachkenntnisse auszubauen. Damals, 1999, ahnte noch niemand, welchen Bedarf es an Dolmetschern für diese Sprache nach dem 11. September 2001 geben würde.

Im Frühjahr 2003 wird die junge Frau nach Kuwait versetzt. In der militärischen Aufklärung nimmt sie an der Seite der Kampfeinheiten an der Invasion in den Irak teil. Durch Staub, Hitze, Einöde fahren die Kolonnen ins Landesinnere. Pinkelpausen legen schnell offen, daß für Schamgefühl keine Zeit ist. Während die Frauen immerhin versuchen, sich hinter den Wagen zu verstecken, verrichten die Männer überall ihr Geschäft.

Auch sonst verwandeln die Amerikaner den südlichen Teil des Landes in eine große Müllhalde. Doch die Einwohner freut das, sind sie doch teilweise so arm, daß sie dem Abfall der Army etwas abgewinnen können. Anfangs werden die Soldaten immer von beifallspendenden Irakern begrüßt. Doch das ändert sich schnell. So schildert Williams beispielsweise einen Fall, wo sie ein christliches Kloster durchsuchen. Doch anstatt den hilfsbereiten Mönch zu achten, donnert der Sergeant nur seine Befehle raus. Obwohl der Mönch Englisch spricht, muß Kayla Williams übersetzen, da ihr Vorgesetzter nur den Ausländer vor sich sieht, ihm aber nicht zuhört.

Überhaupt erzählt die Autorin viele kleine Episoden, in denen Inkompetenz, Intoleranz und Machtgerangel den Alltag zwischen den Soldaten zur Farce werden lassen. Versorgungsengpässe und übertriebene Vorschriftenliebe gefährden immer wieder die Soldaten. So manches Mal helfen nur die Frontpakete der Verwandten, die Notwendiges im heimischen Supermarkt für ihre Lieben an der Front besorgt haben.

Auch ist Sexismus laut der Autorin in der Army an der Tagesordnung. Nur 15 Prozent der Soldaten sind Frauen. Im Einsatz fern der Heimat werden so selbst die häßlichsten Frauen für die Männer attraktiv, und einige nutzten dieses neue Gefühl, begehrt zu sein. Doch diese "Schlampen" erweckten bei den Männern den Eindruck, alle Frauen wären leicht zu haben. Williams, die sich laut eigenen Schilderungen abweisend gibt, trotzdem während ihres Jahres an der Front mit drei Kollegen Sex gehabt haben will, kommt immer wieder auf sexuelle Nötigung von Seiten ihrer Kollegen zu sprechen. Einmal entgeht sie sogar nur knapp einer Vergewaltigung. Besonders in der Zeit nach der Invasion, in der Langeweile die Truppen beherrscht, ist Sexismus die Regel.

Aufgrund ihrer Sprachkenntnisse bekommt Williams immer wieder Kontakt zu Einheimischen. Auch an Verhören und Folterungen nimmt sie teil. "Wir alle, Männer und Frauen, befanden uns im Irak in einer Lage, in der wir den größten Teil der Zeit über machtlos waren. Wir konnten an dem, was wir taten, nichts ändern, konnten nicht nach Hause fahren ... Und dann fanden wir uns in einer Position wieder, wo wir über andere absolute Macht hatten ... Es war also nicht nur das Gefängnis Abu Ghraib in der Nähe von Bagdad, wo es Ende 2003 zu Mißhandlungen im Irak kam."

Auch wenn die Amerikanerin im Irak "nur" einen Menschen hat sterben sehen, so hat sie doch erfahren, wie normale Menschen zu Bestien werden können. Trotzdem vermißte sie nach ihrer Heimkehr die Army, wollte wieder zurück. Die Gemeinschaft dort, das Eingebettetsein in ein großes Ziel, das sie erst daheim intensiv in Frage stellte, gaben ihr Halt.

"Jung, weiblich, in der Army - Ich war Soldatin im Krieg" ist absolut lesenswert. (Fritz Hegelmann)

Kayla Williams: "Jung, weiblich, in der Army - Ich war Soldatin im Krieg", München 2006, DVA, geb., Abb., 328 Seiten, 19,90 Euro 5787
 
     
     
 
Diese Seite als Bookmark speichern:
 
     
     
     

     
 

Weitere empfehlenswerte Seiten:

Lwala

Erbarmen mit Schäuble

Hadendoa

 
 
Erhalten:
 

 

   
 
 
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
WISSEN48 | ÜBERBLICK | THEMEN | DAS PROJEKT | SUCHE | RECHTLICHE HINWEISE | IMPRESSUM
Copyright © 2010 All rights reserved. Wissensarchiv