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Rosengarten Von merkwürdigen Beobachtungen und erstaunlichen Entwicklungen wußte die 1. Vorsitzende der "Ostdeutschlandhilfe e. V.", Gisela Peitsch, in der Jahresversammlung zu berichten. "Kann man es sich hierzulande vorstellen", fragte sie, "daß eine Kuh das Leben von 16 Menschen verändert, das heißt ganz wesentlich verbessert?" Und sie erzählte die Geschichte von Amalia Walter, der rußlanddeutschen Küsterin der Kirche in Mühlhausen im Kreis Preußisch Eylau.
"Wenn wir wenigstens eine Kuh hätten!" hatte sie klagend ausgerufen, als die "Ostdeutschlandhilfe" sie besuchte. "Dann hätten die Kinder was zu trinken. Und wir könnten vielleicht sogar Milch verkaufen. Wie sollen wir hier bloß leben ohne Arbeit und Geld!" Dabei blickte sie auf die Schar der Kinder, Schwiegertöchter und Enkel. Die Ostdeutschlandhilfe und Mitreisende spendeten 600 Mark. Im nächsten Jahr präsentierte Amalia Walter auf den versumpften Wiesen stolz ihre Rotbunte. "Sie hat sogar schon ein Kälbchen. Ihr Name ist Sorka, die Morgenröte. Nun sieht es bei uns schon viel besser aus."
Das gilt nicht nur für die Küsterin, sondern auch für ihr Gotteshaus. Die einst schönste Landkirche Ostdeutschlands, in der Luthers Tochter Margarete von Kunheim begraben liegt, hat nun auch wieder 55 Jahre nach dem Krieg eine Gemeinde, klein noch, aber zukunftswillig wie alle bereits über 20 evangelischen Gemeinden im Königsberger Gebiet. Wahrhaftig, Morgenröte in Mühlhausen!
"Deutlich sichtbar sind nun auch Leuchttürme des Glaubens im Meer der Verlassenheit", so Gisela Peitsch weiter. "Da ist das unübersehbare Beispiel Gerdauen." Jah-re-, ja jahrzehntelang war dies der wohl deprimierendste Ort der Region. Eine weithin erhaltene alte Kreisstadt, nun an der Grenze gelegen, die dem Verfall preisgegeben war. Ruinen, Trümmer, Schmutz allenthalben. Und nun plötzlich sind die ärgsten Ruinen fort, die Straßen sauber, Aufräumen überall. Der Grund: Der Turm der alten Ordenskirche wurde auf Initiative der früheren Bewohner restauriert und kann sogar zu herrlicher Aussicht bestiegen werden. Der Blick aus der himmlischen Höhe forderte offenbar Sauberkeit auf der Erde heraus. Man will sich dem Besucher so gut wie möglich präsentieren." Ihr Fazit: "Die Frage, ob es richtig ist, in dem von Ruinen und Wildwuchs gezeichneten einst blühenden Land Kirchtürme wie in Wehlau, Groß Legitten, Uderwangen und Kirchen zu restaurieren, ist eindeutig zu beantworten: Ja, gerade dort."
Die Ostdeutschlandhilfe hat im übrigen ihre in nun fast 25 Jahren bewährte Hilfe in den alten Ostgebieten unvermindert fortgesetzt. Mit 80 000 DM Bargeld wurden etwa 400 Familien überwiegend im polnisch verwalteten Bereich direkt im Kampf um das tägliche Brot unterstützt. "Medikamente, Kohlen, Einkellerungskartoffeln darum sorgen sich die meisten", weiß Gisela Peitsch. Für einen lebensrettenden Herzschrittmacher wurden 200 DM zur Verfügung gestellt. Mit 90 Kleidersendungen erhöhte sich die Gesamtpaketzahl auf 20 749 mit einem Gewicht von 242 Tonnen. Verschickt wurden u. a. auch ein Rollstuhl (neu), zwei Nähmaschinen, zwei Fahrräder sowie zwei Teppiche.
Möglich war das alles durch Sachspenden im Wert von 107 155 DM und Geldspenden in Höhe von 89 283 DM. Dazu trugen auch 37 Fördermitglieder bei. Stellvertretend für die vielen Helfer, die in allen Teilen des Landes zu Hause sind, seien die Karl-H.-Dietze-Stiftung, Hamburg, und der Landfrauenverein Nenndorf genannt, der u. a. den Reinerlös von Staudenmärkten zur Verfügung stellt. Die "Ostdeutschlandhilfe e. V." dankt allen, die ihre Landsleute in der fremd gewordenen Heimat nicht vergessen haben.
Anschrift: "Ostdeutschlandhilfe e. V.", Fichtenweg 1, 21224 Rosengarten. Gebrauchte, gut erhaltene Kleidung bitte an die Lageradresse: Werner Matutat, Neugrabener Bahnhofstraße 125, 21149 Hamburg. Hingewiesen sei auch auf die Aktion "Kuh für Königsberg", über die Frank Koschinski, Telefon 04 31/36 14 54, bereitwillig Auskunft erteilt. H. P. Alfons Kuhnigk
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