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Bad Nenndorf wirbt mit Agnes Miegel

 
     
 
Unsere immer sehr engagierte Leserin Uta von Delius sandte uns einen Artikel zu, der in "Westfalen-Blatt" erschienen ist. Und wir lasen erstaunt die Überschrift "Die Spuren von Agnes Miegel – Bad Nenndorf bietet gesunde Ferien fü Genießer". Nanu, hat sich Niedersachsen reumütig auf die große Dichterin besonnen nachdem die Kulturministerin dieses Bundeslandes einmal so vehement gegen ein "Agnes-Miegel-Briefmarke" zu Felde gezogen war? Jedenfalls wirbt das Staatsba mit ihr in Wort und Bild. Was wohl die Dichterin dazu gesagt hätte?

Nun, jedenfalls hätte sie wohl gelächelt oder vielleicht sogar gelacht, wenn sie die liebevollen Worte, die sie ihrer "Altersheimat" gewidmet hat, zusammen mit de Pauschalangebot für eine Minikur "Entzücken für den Rücken" in dem Artike entdeckt hätte. Auch wir wollen es tun, denn schließlich hat ihr Bad Nenndorf in ihre schwersten Zeit Obdach für den Lebensabend gewährt, und "die Erinnerung an die bedeutende deutsche Dichterin wird hier liebevoll gepflegt", wie es in dem Artike heißt. Und das können wir nur bestätigen.

Schon im Vorspann werden ihre Worte an die erste Begegnung mit Bad Nenndorf um die Jahrhundertwende zitiert: "Was ich sah, gefiel mir sofort, wenn ich auch erst vie später die stille Schönheit dieses Zusammenspiels von lieblicher Natur und edle Architekt
ur verstand." In ihren Erinnerungen "Kleine Liebeserklärung an Ba Nenndorf", aus denen diese Zeilen entnommen sind, fügt sie jedoch hinzu "… die aber schon damals, um die Jahrhundertwende, wie etwas Vergangene wirkte."

Doch gerade diese Architektur ist es, durch die Bad Nenndorf noch heute besticht. Si wurde nicht verfälscht wie in manchen alten deutschen Kurorten, man hat sie behutsa integriert in die Anlagen, die für einen modernen Kurbetrieb unerläßlich sind Historische Bauten wie das Landgrafenhaus von 1791, das kurfürstliche Schlößchen vo 1806 und vor allem der Brunnentempel von 1842 strahlen noch immer ihren Zauber aus. Übe dieses Tempelchen schrieb Agnes Miegel nach einem späteren Besuch – nicht im Traum daran denkend, daß sie ihre späten Jahre einmal hier verleben würde: "Ich sa mehrere alte Damen an Stöcken und dachte, daß es ganz dienlich wäre, sich der Gunst de schwefelduftenden Quellnymphe zu versichern, und so stieg ich denn in der Rodenberge Allee aus, um nach altem Brauch meinen Obolus in das glasklare, stille Wasser de Brunnentempelchens zu werfen. Nymphen sind dankbar und sorgen für frohe Rückkehr, ob si in der Fontana Trevi wohnen oder im Blautopf oder in einem verlassenen Heilbrunnen."

Eine frohe Rückkehr? Man könnte sagen: Agnes Miegel war froh, daß ihr in dem stille Badeort eine bleibende Heimstatt geboten wurde – drei Jahre nach der Vertreibung au der geliebten Heimat, nach geduldig ertragenem Flüchtlingsleben in dänischen Lagern un dem ersten Obdach auf deutschem Boden in dem ihr so vertrauten Wasserschloß Apelern dere von Münchhausen. "Nach Nenndorf kam ich wieder und diesmal mit einem Trecker vo Apelern her, dessen alte Wasserburg mich und meine Gefährtin mit so viel ander Flüchtlingen schirmend aufgenommen hatte. Diesmal nicht jung und erlebnisfroh auf de Bock eines ländlichen Einspänners, sondern, wie es grauhaarigem Alter zusteht, auf de einem Trecker angehängten Gummiwagen in bequemem Sessel – dem Prunk- un Mittelstück unsres bescheidenen Flüchtlingshaushaltes. Der alte Quell lag noch da, abe diesmal stieg ich nicht ab, sicher, daß mein Obolus noch in dem klaren Wasser la …"

Von dem Sessel, der dann in dem hellen Südzimmer des Hauses stand, das ihr endlic Geborgenheit gab, sah sie so gerne auf die stille Straße mit den dickschopfige Ahornbäumen wie auf etwas Langstvertrautes, "… und wußte doch, es war nu wieder ein Rastplatz auf langer Wanderung. Aber etwas von dem Sommerfrieden jenes ferne Augusttages vor dem alten Kurhaus kam zurück in unverändertem Glanz und erfüllte mei Herz mit stiller Zuversicht, als sagte es zu mir mit der Stimme einer alten Liebe: Du bis angelangt. Aus dieser Straße wirst du noch einmal fortgehen – aber nicht mehr au Nenndorf." So ist es dann auch geschehen.

Ich habe sie damals oft besucht – schon auf Apelern wo sie frierend in eine kalten Burgzimmer hoch über dem Wassergraben in dem erwähnten Sessel saß und sich übe die Handvoll Veilchen freute, die eine wärmende Märzsonne mir an den Wegrand gezauber hatte – für sie! Und dann in dem weißen Haus in Nenndorf, das so heimelig war, vo allem durch ihre Herzenswärme und den spürbaren Abendfrieden eines langen erfüllte Lebens. Wenn ich am seitlichen Eingang stand, blickte ich unwillkürlich zum Giebel hoc – so hatte sich doch ihr Wunsch erfüllt, den sie in einem frühen Gedicht aussprach "Gib am Ende meiner Wanderschaften, wenn der Abend langsam niedersinkt, daß ei Schall von Feierabendglocken süß und tröstend mir zu Ohren dringt. Gib mir dann ei Haus mit hohem Giebel …"

Wie vieles aus ihren Gedichten findet man, wenn man durch diese Deisterlandschaft mi den Buchenwäldern geht, die sie so liebte: "Es war der schönste Wald, den ic gekannt mit einem fremden, reichen Märchenleben. Mohnblüten brannten rot an seinem Rand und Rehe tranken abends aus den Gräben. Nur ein paar kurze Sommerstunden sah ic kinderglücklich jene alten Buchen – und doch, ich weiß es: ist mein Sterben nah werd ich im Traum nach jenem Walde suchen." Die Buchenwälder stehen auc hügelnah über dem Friedhof, auf dem sie ihre letzte Heimstatt gefunden hat.

Daß sie Bad Nenndorf "die geliebte kleine Heimat meines Herzens nannte" wird ebenso in dem Artikel erwähnt, wie der Heinweis, daß im Agnes-Miegel-Haus die Erinnerung an die Dichterin lebendig gehalten wird. Auch die von Ernst Hacklände geschaffene Skulptur im Kurpark ist abgebildet, die "die junge Agnes" zeigt, wi sie wohl ausgesehen haben mag, als sie zum ersten Mal – vor rund 100 Jahren – in dem stillen Kurbad weilte.

Sehen wir also über die "Gesunden Ferien für Genießer" und detailliert Kurangebote hinweg, mit denen das Staatsbad wirbt. Das ist durchaus legitim. Freuen wi uns lieber darüber, daß geraten wird, auf den Spuren der großen deutschen Dichterin zu wandeln, und dies in so liebenswerter Weise. Spuren sind immer Zeugen von Leben.
 
     
     
 
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