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Zwei Monate anhaltendes Chaos mit Straßendemos, Blockade von Gymnasien und Hochschulen sowie von Autobahnen und Bahngleisen durch aufgebrachte Schüler und Studenten wegen eines bedeutungslosen Ersteinstellungsvertrages für unter 26jährige (genannt CPE), den die Regierung beschämt zurücknahm, haben Frankreich im Ausland lächerlich gemacht, die Wirtschaft des Landes belastet, die Stimmung der Bevölkerung niedergedrückt und den Premierminister Dominique de Villepin um die Chance beraubt, Nachfolger von Chirac im Mai 2007 zu werden. Villepin hat öffentlich zugegeben, daß er nicht mehr als Bewerber für das Präsidialamt zur Verfügung stehe. Die Revolte hat die Regierung von Villepin derartig schachmatt gesetzt, daß sie kürzlich davor zurückschreckte, ein bereits angekündigtes Rauchverbot an öffentlichen Orten einzuführen, obwohl 52 Prozent der Franzosen dafür sind. Im Januar waren ja auch 75 Prozent von ihnen für das CPE gewesen ...
Der Chef der Mehrheitspartei UMP, Nicolas Sarkozy, ist nach Umfragen der Bestplazierte der Rechten für Mai 2007, aber von seinem Amt als Innenminister kann "Super-Sarko" keinen Bonus mehr erwarten. Immerhin ist es ihm gelungen, daß es bei den gewaltsamen Demonstrationen keinen Toten gab. Sarkozy wird einen Zweifrontenkrieg führen müssen. Gegen Villepin und die Chirac-nahe Verteidigungsministerin Alliot-Marie, denen er jetzt mit einer Klage wegen Verleumdung droht (2004 hatten sie versucht, ihm einen Bestechungsskandal, die Clearstream-Affäre, anzuhängen, woran nichts stimmte) und gegen deren Anhänger in der eigenen Partei, die ihn des Verrats bezichtigen, einerseits, sowie gegen den neuen Stern am linken Himmel, Ségolène Royal, 53, die Galionsfigur der Sozialistischen Partei (PS), andererseits. Am 11. April hat sie im Sender "Canal +" verkündet, daß sie "wahrscheinlich" für das höchste Amt im Staate kandidieren werde. Eine Ifop-Umfrage hat ihr 53 Prozent und Sarkozy nur 47 Prozent Wahlchancen eingeräumt. Sie will "versuchen, diesem Vertrauen gewachsen zu sein", sagte sie.
Aufgefallen war Royal, als sie bei den Regionalwahlen im März 2002 in der Region Poitou-Charentes der Frau, die der damalige Premierminister Raffarin an die Spitze des Regionalrates eingesetzt hatte, das Amt erfolreich streitig machte.
Als viertes von acht Kindern einer konservativen Offiziersfamilie studierte sie im Pariser Institut für Politikwissenschaft ("Sciences Po") und absolvierte die Eliteschule ENA.
Die Mutter von vier Kindern ist medienbewußt. Sie kam zur Garden Party am Nationalfeiertag im Elysée Palast in der Tracht ihrer Region und mit einem Korb voller "chabichou"-Käse am Arm. Sie kämpfte mit viel Spektakel für "die Pille danach" an allen weiterführenden Schulen und bestellte bei jeder ihrer Entbindungen die Pressefotografen von "Paris-Match" in ihr Klinikzimmer.
Sarkozy wird nicht allein diese Frau, sondern das Paar Royal-Hollande bekämpfen müssen. François Hollande, Royals Lebensgefährte, ist seit 1997 Vorsitzender der Sozialistischen Partei (PS). Er nennt Ségolène "meine Zapatera". Dieser charmante Spitzname weist auf den Sieg der Sozialisten in Spanien 2005 hin. Beide arbeiten nunmehr nach der Regel: "getrennt marschieren, vereint schlagen". Seit dem Beginn der CPE-Krise im Februar hat sich Hollande in den Medien zum Wadenbeißer hochstilisiert. Dieser sonst rundliche und behäbige Mann läßt keine Gelegenheit aus, gegen die Regierung scharf zu polemisieren, wobei sein Gesicht immer wieder rot anläuft. Er verkörpert die harte Linke, die waschechte Opposition, greift und prangert an. Ségolène spielt den umgekehrten Part: Sanft und aalglatt legt sie programmatische Nähe zur neogaullistischen Regierung an den Tag. Sie werde es nicht anders machen: bourgeois und neoliberal. Früher war es anders: Hollande war gutmütig und konfliktscheu und "Zapatera" revolutionär und bissig.
Die ehemalige Sonderberaterin von Mitterrand mit 29 Jahren, die 1988 auf Anhieb im Wahlkreis Deux-Sèvres nahe Poitiers Parlamentsabgeordnete wurde und Regierungsposten unter Jospin bezog, gibt sich nett und konturlos. Tatsächlich ist diese "salonlinke" Bürgerstochter keine so starke Persönlichkeit. Sie kann nur die "Strohfrau" der PS sein. Daß die Franzosen jedoch die Doppelstrategie von François und Ségolène durchschauen, ist nicht zu erwarten. |
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