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Literarische Salon

 
     
 
Sie haben das übliche Partygeschwätz satt, sie wollen lesen und darüber reden - immer mehr Hamburger gründen private literarische Salons", meldete vor kurzem das Hamburger Abendblatt. Auch in Berlin wird ein Aufleben des "Literarischen Salons" beobachtet. Es handelt sich hierbei um ein "Aufleben", da Literarische Salons gerade in Berlin in der Tradition des 18. und 19. Jahrhunderts stehen, denn Berlin hatte mit Abstand die meisten und auch bekanntesten Literarischen Salons im deutschsprachigen Raum. Selbst im international
en Vergleich übertraf nur Paris die preußische Hauptstadt.

Die Idee des Salons stammte im Grunde auch aus Frankreich. Dort versammelten sich Bürger wie Adelige, um gemeinsam über die Lage des Landes in den Bereichen der Kunst und natürlich auch der Politik - denn es war die Zeit kurz vor und während der Französischen Revolution - zu debattieren. Während die Pariser Salon-Geselligkeit des 17. und 18. Jahrhunderts in einem elitären Rahmen stattfand, herrschte in Berlin herrschte der Geist der Aufklärung und Toleranz. Hier versammelten sich bürgerliche wie adelige Intellektuelle, Juden wie Christen, Künstler und Mäzene. Wenn Politik zwar auch ein Thema war, so stand die Kunst hier doch im Vordergrund. Es wurden Manuskripte vorgelesen und kritisiert, Neuerscheinungen auf dem expandierenden Buchmarkt analysiert und Theateraufführungen diskutiert. Brillante, hochgeistige Gespräche über Philosophie und Religion fanden genauso Raum wie Tratsch und Kochrezepte. Darbietungen von musikalischen Beiträgen gehörten ebenfalls häufig dazu. Welchen Schwerpunkt der Salon jedoch jeweils hatte, entschied der Gastgeber oder besser die Gast-geberin. Denn meistens waren es Frauen, die in diesem Rahmen endlich ein Gebiet fanden, in dem sie die Richtung bestimmen konnten.

Der bedeutendste und wirkungsvollste aller dieser Zirkel war der Salon Rahel Varnhagen von Ense (1771 bis 1833). Er unterschied sich allerdings schon rein äußerlich von den dann doch eher als literarische Tee- und Flirtsalons zu bezeichnenden Veranstaltungen einer Henriette Herz, Elise von Hohenhausen, Helmina von Chézy oder Caroline von Fougué.

Rahel Levin, die erst im Alter von 41 Jahren den um 14 Jahre jüngeren Karl August Varnhagen von Ense ehelichte, vermied jeglichen Aufwand. Sie beschränkte die Bewirtung ihrer Gäste bewußt auf Butterbrote mit Tee. Bei ihr zählte der Geist, nicht das Geld der Gäste. Auch kann man ihren Salon eher als Freiraum für zeitkritische Diskussionen denn als Literaturzirkel bezeichnen. Zwar waren unter ihren Gästen viele Literaten - Heinrich Heine, Jean Paul, Heinrich von Kleist, Achim von Arnim und Friedrich Hegel - aber auch Wilhelm von Humboldt und Prinz Louis Ferdinand von Preußen zählten zu ihrem illustren Besucherkreis.

"Alle die zu ihr kamen", liest man bei Hannah Arendt, wurden "nur durch sie selbst, ihre Originalität, ihren Witz und ihre lebendige Ursprünglichkeit zusammengehalten." Auch wurde sie als das "erste große, moderne Weib der deutschen Kultur" und als "Mittelpunkt des geistigen Berlins" bezeichnet. Rahel Varnhagen von Ense ist somit das schillerndste Beispiel, das belegt, daß es Frauen in den Salons erstmals möglich war, fernab des herkömmlichen Frauenbildes ihre Fähigkeiten auszuleben.

Möglich war diese Salonkultur in Preußen jedoch nur dank der liberalen Grundeinstellung zur Zeit Friedrich des Großen. Dort wurde der Grundstein für das Zusammentreffen von Adel und Bürgertum im neutralen Raum des Salons gegeben.

Eine andere preußische Stadt, in der die Salons eine Blütezeit erlebten, war auch Königsberg. Dort gab es ein sehr stark ausgeprägtes Bürgertum. Als bekannteste bürgerliche Salons wären die von Johanna Motherby, Elisabeth von Staegmann und Henriette Barck-ley, geb. Dittrich und spätere Ehefrau des Dichters Max von Schenkendorf, zu nennen. Allerdings waren die Königsberger Salons nicht so erlesen wie in Berlin. Zwar zählten auch Wilhelm von Humboldt, Achim von Arnim und Heinrich von Kleist zu den Gästen der genannten Damen, doch waren die Salons von der thematischen Ausrichtung her konservativer als die Berliner Gegenstücke und somit keine Orte, wo irgendwelche zeitbedingten Tabus gebrochen wurden.

Jedoch ist anzumerken, daß eine Königsbergerin in der Salongeschichte sehr wohl Maßstäbe gesetzt hat. Die Rede ist von der Schriftstellerin Fanny Lewald. Nachdem ihr mit ihrem Roman "Jenny" der literarische Durchbruch gelungen war, zog sie vom Hause ihrer Eltern in Königsberg nach Berlin, wo sie sich den Salon ihrer entfernten Verwandten Rahel Varnhagen von Ense zum Vorbild nahm. Da es die Zeit des Vormärz war, wurden bei ihr besonders Fragen zur Emanzipation der Bürger, Frauen und Juden lebhaft diskutiert.

Befaßt man sich näher mit der Meldung des Hamburger Abendblattes wird man jedoch schnell feststellen, daß die dort behandelten Literarischen Salons sich in der Tat nur mit Literatur beschäftigen. Sie sind keine Tarnung für eine Versammlung von Intellektuellen, die ihre Ideen für eine neue, bessere Welt austauschen, wie es in so manchen Pariser und auch Berliner Salons der Fall war. In diesen neuen Salons treffen sich Berufstätige nach Feierabend, um einmal im Monat gemeinsam über Bücher zu reden, in eine andere Welt abzutauchen und mal aus sich herauszukommen. Von einer Zusammenkunft tatkräftiger Ideen- träger kann also leider nicht die Rede sein. Fritz Hegelmann

Rahel Varnhagen von Ense: Berühmte Gäste begrüßt

Fanny Lewald: Die Königsbergerin nahm sich den Salon der Rahel Varnhagen von Ense zum Vorbild Fotos: Archiv

Henriette Herz: Leichte Kost serviert
 
     
     
 
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