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Graphiker Heinrich Wolff

 
     
 
Er war es", so schilderte Agnes Miegel einmal das Wirken des Mannes, der vor 125 Jahren geboren wurde, "der einem breiten Kreis die Freude am Porträt wiedergewann, in einer Form, die es in seinen Maßen der bürgerlichen Wohnung jener Zeit anpaßte, der für diese Wohnung geeignete, sich ihr einfügende und sie doch künstlerisch belebende Landschaften schuf in seinen zarten Strandbildern, seinen ruhig ernsthaften Bildern aus Holland, die dieses Land genau wie unseres, abweichend vom Herkömmlichen, zeigen." Die Rede ist von Heinrich Wolff, der "einer ganzen Generation Schwarz-weiß-Künstler, die zum größten Teil seine Schüler waren, den Weg bereitet" hat. "Alle", so Agnes Miegel weiter. "zeigen die gediegene Technik ihres Lehrers
, allen eigen ist die ruhige Hingabe an ihre Arbeit, die er sie lehrte, so verschieden sie, die jenseits der Weichsel zu wenig Gekannten, sonst auch sein mögen. Alle geben in ihrem Werk getreueste Bilder des Landes, das er, sein Wahlsohn, eigentlich erst für den Stift entdeckte. Und dem er mit dem Werk seines Lebens gedient hat, einem Werk, das noch leben wird, solange dieses Land lebt." – Und, so möchte man heute ergänzen, das auch und gerade dann besonders lebendig ist, da die Kinder des deutschen Ostens dieses Land verlassen mußten, kündet doch dieses Werk des Heinrich Wolff von der unvergänglichen Schönheit Ostdeutschlands und vom unermüdlichen Schaffen seiner Menschen. Kaum einer konnte seinerzeit wohl mit der Radiernadel und mit dem Zeichenstift so umgehen wie der Oberschlesier und Wahlostpreuße Heinrich Wolff. Seine Porträts und seine Landschaftsbilder sind in so meisterhafter Art gestaltet, daß man seinesgleichen schon suchen muß.

Als der Radierer Heinrich Wolff – er wurde am 18. Mai 1875 in Nimptsch/Schlesien geboren – mit seiner jungen Frau, der Malerin Elisabeth Wolff-Zimmermann, im Jahre 1902 dem Ruf Ludwig Dettmanns an die Königsberger Kunstakademie folgte, ahnte er nicht, daß ihm beschieden war, nicht weniger als drei Jahrzehnte in der Stadt am Pregel zu lehren und zu wirken. "In der Kupferstichklasse wie in der gleichzeitig mitbetreuten Elementarklasse", so Dr. Werner Timm, einst Direktor des Museums Ostdeutsche Galerie in Regensburg, in einer Veröffentlichung seines Hauses, das über eine ansehnliche Sammlung von Arbeiten des Künstlers verfügt, "hat Wolff bei seinen Schülern das Interesse an der Graphik geschickt zu fördern gewußt, vermittelte ihnen das nötige handwerkliche Können und wies in Ausstellungen in den Atelierräumen – etwa von Radierungen Rembrandts – auf die große Kunst der Graphik hin. Auf einer Zeichnung, die der Akademieschüler Walter Frahm 1903 anfertigte, erscheint der damals 28jährige bärtige Meister bereits wie ein alter würdiger Professor ..." Studien an der Kunstschule in Breslau bei Albrecht Bräuer, an der Berliner Akademie bei Otto Brausewetter, Gerhard Janensch und Hans Meyer sowie an der Kunstakademie München bei Peter Halm waren vorangegangen, bevor Heinrich Wolff im Jahr 1900 zusammen mit Ernst Neumann eine graphische Privatschule in der bayerischen Metropole gründete. Erste Auszeichnungen (Goldene Medaille in Dresden 1899, Goldene Medaille in München 1901) brachten Anerkennung seines Schaffens. Als er dann 1902 in den Nordosten des Reiches kam, mußte Wolff sich zunächst bemühen, die eher an fotografische Nüchternheit gewohnten Ostdeutschland zu einer neuen Kunstauffassung hinzuführen und sie auch mit der Graphik vertraut zu machen. Gemeinsam aber mit seiner Frau Elisabeth, aus deren Feder so bedeutende Porträts wie die von Agnes Miegel, Käthe Kollwitz und Ina Seidel stammten, gelang es Wolff, den Weg für die Kunst der Graphik in Ostdeutschland zu ebnen.

Einen breiten Raum dieser Kunstgattung nehmen bei Wolff die Bildnisse berühmter Zeitgenossen ein. Agnes Miegel hat die Bedeutung der Wolffschen Porträtkunst einmal treffend charakterisiert: "Sein Werk hat nicht nur die geistige Oberschicht dieser Ostprovinz festgehalten in ihren bedeutenden Vertretern und allen, die als Gäste in ihr lebten – es hat damit das Bild der letzten festgefügten bürgerlichen Gesellschaft gezeichnet, die es noch hier gab ..." – Vor allem aber auch Bildnisse berühmter Ärzte sind in dem Lebenswerk Heinrich Wolffs zu finden. Wen wundert es da noch, wenn dem Künstler im Jahr 1932 der Rang eines Ehrendoktors der Medizin der Königsberger Albertina zugesprochen wurde?

Neben den Porträts waren es aber auch Landschaften, die den Künstler Heinrich Wolff in ihren Bann zogen, Landschaften, die er mit sicherem Strich auf die Platte bannte. Die Kurische Nehrung, das Haff, die weite Landschaft und ihre Menschen, einsame Feldwege und in die unendliche Ferne weisende Straßen, Fischerboote, kleine idyllische Dörfer, aber auch Ansichten von Städten, Königsberg und Insterburg etwa, finden sich in seinem Werk. "Alles schlichte, einfache, wenn man will banale Themen", so Dr. Werner Timm, "die nichts Aufregendes bieten und doch die Eigenart, die stille Größe, Weite der ostdeutschen Landschaft eindrucksvoll vor Augen führen; eine Landschaft, die niemand vergißt, der sie einmal erlebt hat. Dies erkannt zu haben, muß als ein bleibendes Verdienst von Heinrich Wolff betrachtet werden."

Als Technik wählte Wolff für seine Landschaftsdarstellungen vor allem die Algraphie, ein Verfahren, das der Lithographie ähnelt, doch verwendet man anstelle des Kalksteines eine Aluminiumplatte. "Die bis ins Detail exakt durchgearbeitete Darstellungsweise seiner frühen Porträts hat Wolff dabei zugunsten einer großzügigeren Interpretation aufgegeben, die stark vom Impressionismus beeinflußt wurde und mit der es gelang, das unvergleichliche Licht, das über der Küste wie über den weiten Feldern lag, das Atmosphärische überhaupt, einzufangen", erläutert Timm. "Die leichten Aluminiumplatten boten gegenüber der schweren Steinplatte außerdem den Vorteil, daß unmittelbar vor der Natur darauf gezeichnet werden konnte. ,Solche Platten führte er in der Rocktasche mit, wenn er auf dem Fahrrad ins Samland hinausfuhr oder ans Haff‘ (Birnbaum)."

Aber noch einer anderen Richtung der "Schwarzen Kunst" hatte Heinrich Wolff sein Herz zugewandt: dem Schattenriß. Im 18. Jahrhundert in Frankreich eine wahre Modeerscheinung – es gab damals wohl kaum eine Schöne, die sich nicht mit der Schere porträtieren ließ –, war diese Kunstform bald wieder in Vergessenheit geraten. In einem Vorwort zu dem Band "Erzählungen einer kleinen Schere", erschienen 1908, der Schattenrisse von Heinrich Wolff enthält, schreibt der Künstler: "Silhouetten gezeichnet habe ich schon mit fünfzehn Jahren, als ich in einer schlesischen Provinzhauptstadt auf solche Art mich des Abends von der griechischen Grammatik erholte. Später, auf der Kunstschule, lehrte man freilich andere Dinge, und meine schwarzen Männlein und Fräulein schliefen zwölf lange Jahre.

In dem Regensommer von 1903 aber wachten sie langsam wieder auf, einem kleinen Mädchen zuliebe, meiner Tochter. Sie hatten sich nun weiterentwickelt in der langen Zeit und waren jetzt nicht mehr bloß gezeichnet, sondern hatten richtige Arme, Beine und Köpfe aus Papier ..." Seine Virtuosität mit der Schere war bald so groß, daß Heinrich Wolff seine Figuren ohne jede Aufzeichnung aus dem schwarzen Papier hervorzaubern konnte.

Neben seiner eigenen Arbeit fand der Künstler aber auch noch Zeit, sich dem geistigen und kulturellen Leben der Stadt am Pregel zu widmen, ja, es wesentlich mit zu gestalten. So gründete er nach dem Ersten Weltkrieg den Stammtisch im Hammerkrug, von dem immer wieder Impulse für das geistige Leben in Königsberg ausgingen. 1927 beteiligte er sich maßgeblich an der Gestaltung der Ausstellung "Ostdeutschlandkunst" der Deutschen Kunstgemeinschaft im Berliner Schloß. Mit dieser Ausstellung wollte man auf die in Ostdeutschland wirkenden Künstler aufmerksam machen und hinweisen "auf die Kräfte, die in verschiedener Weise künstlerische Nahrung sogen aus Deutschlands östlichster Provinz" (Wolff).

1936/37 kehrte Heinrich Wolff nach München zurück, letzte Arbeiten entstanden. Im März 1945 starb dort der Künstler fern dem geliebten Land zwischen Weichsel und Memel, dem auch seine Kunst so sehr viel zu verdanken hat.

Peter van Lohuizen

 
     
     
 
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