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Der Name ‚Kant steht für das reiche kulturelle Erbe Königsbergs", so die Oberbürgermeisterin der Stadt Duisburg, Bärbel Zieling. "Auf Kant hören heißt vorwärts schreiten", sagte der Präsident der russischen Kant-Gesellschaft, Prof. Dr. Iwan Kopcew, der aus Königsberg angereist war.
Die Salvator-Kirche in Duisburg war voll wie beim Weihnachtsgot-tesdienst, als am 12. des letzten Monats um 11 Uhr, in der Todesstunde Kants vor 200 Jahren, die Feierstunde zur Eröffnung der Ausstellung "Erkenntnis - Freiheit - Frieden" mit der Motette a 5 "Bleib du nur fest an Gottes Wort" von Heinrich Albert, dem Freunde Simon Dachs, eröffnet wurde. Prof. Oskar Gottlieb Blarr aus Bartenstein begleitete die Feier an der Orgel . Höhepunkt der musikalischen Umrahmung war die Uraufführung seiner Komposition "Zum ewigen Frieden" - Erstes Stück in honorem Immanuel Kant.
Der Vorsitzende der Stadtgemeinschaft Königsberg (Pr), Klaus Weigelt, konnte eine Reihe von Ehrengästen und Gruppen begrüßen: die Stadtspitze von Duisburg, darunter Altbürgermeister Josef Krings, die Oberbürgermeisterin Bärbel Zieling, den Propst Kurt Beyer, die russischen Gäste Prof. Iwan Kopcew und die stellvertretende Rektorin der Universität, Frau Sabottkina, die Spitze der Freundeskreis Ostdeutschland, die Kreisvertreter, die literarischen Gesellschaften (Agnes-Miegel-Gesellschaft und Ernst-Wiechert-Gesellschaft), die Prussia sowie den Akademischen Freundeskreis Ostdeutschland.
"Wir gedenken eines Mannes, dessen Werk bis heute die Welt bewegt", so Weigelt. Ein Netzwerk von Verbindungen mit ganz Europa habe Kant durch Briefe und Kontakte von Königsberg aus gespannt. Weigelt zog den Vergleich zum heutigen Internet, um sofort zu betonen, daß darin nicht die Erklärung für Kants weltweites Wirken zu sehen sei. "Nur wirklich Bedeutsames hat Bestand", stellte er fest.
Jedes Jahr werde Kant in Duisburg geehrt - die Kant-Tafel am Rathaus zeuge davon -, aber nun sei die größte Kant-Ausstellung Deutschlands zu besichtigen. Die Ausstellung erfülle die Erkenntnis und den Auftrag Kants, Verstand und Sinnlichkeit (sinnliche Wahrnehmung) in ihrer wechselseitigen Bedingtheit zu begreifen. "Ohne Sinnlichkeit würde uns kein Gegenstand gegeben, und ohne Verstand keiner gedacht werden. Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind blind", zitierte Weigelt aus der "Kritik der reinen Vernunft".
Duisburgs Oberbürgermeisterin Bärbel Zieling, die die Begrüßung im Namen der Stadt vornahm, sprach das Phänomen an, daß ein Mann, der seine Heimatstadt kaum verließ, das Denken der Welt verändert hat. Sie sieht die Bedeutung Kants darin, die unbedingte Gültigkeit der Menschenrechte festgesetzt zu haben. Der Stadtgemeinschaft zollte sie große Anerkennung, das kulturelle Erbe Königsbergs verwaltet und erhalten zu haben. Besonders hob sie die Leistung des Museumsleiters Lorenz Grimoni heraus, der nur mit ehrenamtlichen Helfern das Museum aufgebaut und jetzt - selbst ein Ehrenamtlicher - diese beeindruckende Ausstellung organisiert habe. Eine Duisburger Zeitung habe angesichts der Tafel am Rathaus geschrieben, daß heute wohl kaum noch der bestirnte Himmel das Gemüt bewegen könne; in unserer Zeit sei der Himmel eher unbestirnt. "Die Ausstellung spricht dagegen", schloß Bärbel Zieling ihr Grußwort.
Die stellvertretende Rektorin der Königsberger Universität betonte, daß diese russische Hochschule das Erbe der Albertina angetreten habe, indem sie ein Zentrum der Kant-Forschung geworden sei. "Königsberg und die Universität waren der Körper; Kant hat dem Körper die Seele eingehaucht", gebrauchte Frau Sabottkina ein bewegendes Bild. Zeitgleich fand in Königsberg ein internationales Seminar über "Die Bedeutung Kants" statt. Frau Sabottkina schloß mit Grüßen an alle, die durch Kant vereinigt sind.
Viele persönliche Sachen von Kant haben den Krieg nicht überstanden. Bei dieser bedauernden Feststellung blieb der Präsident der russischen Kant-Gesellschaft von Königsberg, Prof. Dr. Iwan Kopcew, jedoch nicht stehen. "Sachen kann man vernichten, aber Gedanken nicht, solange Menschen sie weitertragen", so Kopcew. Weitergetragen würden die Gedanken Kants von den Generationen, die nach dem Krieg in Ostdeutschland aufgewachsen seien, dieses Land als ihre Heimat und seine Vergangenheit auch als ihre Geschichte betrachteten. Es seien die Gedanken über den Menschen, der als ein Vernunftwesen nach a priori gegebenen sittlichen Ideen handeln könne (und handeln solle), woraus sich seine Würde und seine Verpflichtungen ergäben. Von der Pregelstadt sei der Gedanke vom mündigen Menschen ausgegangen, der den Mut haben solle, sich "seines eigenen Verstandes zu bedienen", in Freiheit und Verantwortung. "Kant war seiner Zeit um Jahrhunderte voraus", so Kopcew, und daß seine Gedanken weitergetragen würden - davon lege die Ausstellung ein beredtes Zeugnis ab.
Zum Gebrauch des eigenen Verstandes gehört Mut, wie Kant selbst in seinem Aufsatz "Was ist Aufklärung?" (1784) zugibt, in dem er das selbständige Denken ein für manche Menschen "verdrießliches Geschäft" nennt. Bequem ist es nicht, den Schritt aus der "selbstverschuldeten Unmündigkeit" in die Freiheit zu wagen. So versah Frau Prof. Dr. Birgit Recki von der Universität Hamburg ihren Festvortrag denn auch mit der Überschrift: "Das Wagnis der Freiheit. Kant und das Zeitalter der Kritik." Die Referentin ging - nach einem eingängigen Überblick über Kants Lebenslauf - von den zentralen Fragen der Kantschen Philosophie aus: "Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was kann ich hoffen?" Sie ordnete diesen Fragen die drei großen Kritiken zu. Anhand der später von Kant zusammengefaßten vierten Frage "Was ist der Mensch?" nannte sie Kant den Begründer der modernen Anthropologie.
In der "Kritik der reinen Vernunft" will Kant, so Recki, die Metaphysik auf den sicheren Weg einer Wissenschaft bringen. Der neue methodische Ansatz Kants, nach den Leistungen der Sinne und des Verstandes zu fragen, führt ihn zu dem Ergebnis, daß der Mensch seine Wahrnehmungen mit dem Verstand ordnet und selektiert und somit das "Ding an sich" nicht erkennen kann. Er bleibt auf eine subjektive Erkenntnis angewiesen - was die Möglichkeiten und die Grenzen seiner Erkenntnis einschließt und was die Interpreten Kants als die Kopernikanische Wende des Denkens bezeichnen.
Die "Kritik der praktischen Vernunft" nimmt sich der Frage des richtigen Handelns an und führt zum kategorischen Imperativ, der den Menschen auffordert, so zu handeln, daß die Maxime (Grundsätze) seines Handelns, ja sogar seines Wollens jederzeit zum allgemeinen Gesetz werden können. Der kategorische Imperativ ist untrennbar mit dem praktischen Imperativ verbunden, mit der Aufforderung, im Mitmenschen niemals nur ein Mittel (Werkzeug/Objekt) zu sehen und in ihm die ganze Menschheit zu achten.
Die "Kritik der Urteilskraft" wendet sich - als Element der Hoffnung - dem Schönen in Natur und Kunst zu. Auch hier, so die Rednerin, sei das Urteilsvermögen des Subjekts entscheidend, das das Schöne lustvoll erlebt.
Frau Prof. Dr. Recki zog die Schlußfolgerung, daß der Mensch als vernünftiges Subjekt zum "Herrn im eigenen Haus" gemacht werde, trotz der Grenzen, deren er sich bewußt sein müsse. Damit habe Kant die Epoche des modernen Denkens eingeleitet.
Ein Zeitgenosse der Aufklärung und des "Zeitalters der Kritik" sei er gewesen, aber ebenso auch ein Zeitgenosse von uns Heutigen. Unverändert sei der Mensch zum "Wagnis der Freiheit" und zur Kritik und Mündigkeit aufgerufen, sei es gegen den Versuch totalitärer Regime, Freiheit und Menschenrechte zu unterbinden, sei es angesichts der Manipulationen durch Medien, öffentliche Meinung, Gruppenzwänge. Daher sei Kant ein Klassiker und ein Zeitgenosse, der sich in Königsberg, dem "schicklichen Platz zur Erweiterung sowohl der Menschenkenntnis als auch der Weltkenntnis", "mit den großen grundsätzlichen Fragen eines humanen Selbstverständnisses und Weltverhältnisses befassen konnte".
Bestens vorbereitet besuchten die Gäste die feierlich eröffnete Kant-Ausstellung im Museum Königsberg. Dort erwartete sie die deutsche Geistesgeschichte des 18. Jahrhunderts. Schautafeln zeigen Kants Herkunft, Geburt und Taufe und geben einen Einblick in die Zunft der Riemer und Beutler. "Nie, auch nicht ein einziges Mal, hab ich von meinen Eltern etwas Unanständiges anhören dürfen, nie etwas Unwürdiges gesehen", äußerte sich Kant gegenüber seinem Biographen Borowski. Auch diese Worte sind nachzulesen, als Zeichen einer guten Mitgift. Die Ausstellung führt dem Besucher Kants Kindheit und Schulzeit vor, zeigt das Collegium Fridericianum auf einer Schautafel, und dann befindet man sich in Königsberg zur Zeit Kants. "Kant und die Albertina" spiegeln sich in einer Zeittafel, die Hauslehrerzeit und der Magister werden vorgeführt, eine Tafel listet die Berufungen Kants auf, und dann wird Kant als akademischer Lehrer vorgestellt, mit einer Beurteilung Herders.
Spätestens jetzt fallen dem Besucher die Worte der Oberbürgermeisterin Zieling ein: die Ausstellung könne die Lektüre der Werke Kants nicht ersetzen, aber eine Lücke schließen für diejenigen, denen das Studium der Werke schwerfalle. Das ist natürlich richtig, aber die Präsentation der Werke ist lückenlos. Auf Schautafeln werden die Kritiken charakterisiert und die vorkritische Philosophie vorgeführt, der Kategorische Imperativ zitiert und die Nachwirkungen der Kantschen Philosophie dargelegt. Vitrinen mit verschiedenen Werkausgaben, darunter unersetzliche Erstausgaben, bilden eine perfekte Kant-Bibliothek, über der Kant an einer Stelle in der Druckerei zu sehen ist. Die vier Weltweisen Buddha, Konfuzius, Sokrates und Kant stehen als Modelle hinter Glas, eine Holzarbeit von Wolfgang Loerzer, und eine besondere Attraktion ist Kants Tischgesellschaft in Lebensgröße. Den Tagesablauf des alten Kant kann der Besucher verfolgen, und über Kants Tod und Begräbnis bekommt er präzise Informationen.
Eine besondere Kostbarkeit ist eine Vitrine mit Kants Totenmaske, mit Haaren in einer Glaskapsel und mit seinen Schuhen, ergänzt durch eine Beschreibung der Mode. Der größte Stolz des Organisators Lorenz Grimoni sind die Gemälde, darunter die Originale der Gräfin Keyserlingk, Beckers und Doeblers. Sammler werden ein Mekka finden: Kant im Münzen- und Medaillenbild, Kant in der Philatelie, Postkarten mit Kant.
Natürlich darf die Geschichte des Kant-Grabes nicht fehlen, ist es doch Kant zu verdanken, daß der Dom wieder erstanden ist und die Ruine nicht gesprengt wurde, eine Geschichte, die von russischen Stadtführerinnen mit immer dramatischeren Einzelheiten ausgeschmückt wird.
Der Besucher sollte nicht versäumen, die Ausstellung der Kant-Schulen in Augenschein zu nehmen. Die Arbeiten der Kinder beweisen, daß Kant gut verständlich ist.
Die Danksagung des Vorsitzenden der Stadtgemeinschaft, Klaus Weigelt, an Lorenz Grimoni und an das Team des Museums am Ende der Feierstunde und an die zahlreichen Leihgeber wurde erst richtig nachvollziehbar, wenn man den hier geleisteten Arbeitseinsatz mit Augen gesehen hatte. Danksagungen und Ehrungen mit Blumensträußen an die unermüdlichen Helfer erfolgten noch mehrfach. Der Einsatz geht weiter. Das Museum Königsberg bietet Führungen nach Vereinbarung an und hilft Gruppen bei der Organisation eines Beiprogramms.
Noch bis zum 31. Oktober dieses Jahres ist die Ausstellung zu besichtigen. Eine graphische Darstellung zeigt, wo überall auf der Welt Menschen durch Kant vereinigt sind, ein Netz über dem ganzen Globus, dessen Mittelpunkt Königsberg ist.
Eine besondere Attraktion der Ausstellung: Kant und seine Tischgesellschaft in Lebensgröße nach dem kolorierten Holzstich von Klose und Wollmerstädt beziehungsweise der Zeichnung von Emil Doerstling. Foto: Beutner Aus Kants Werk Abhandlungen des großen Königsbergers
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Monadologia physica
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Anthropologie in pragmatischer Hinsicht abgefasst |
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