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Ganz im Zeichen der Aufklärung führen Stéphane Courtois, der Herausgeber des "Schwarzbuchs des Kommunismus", und eine Gruppe von Historikern ihre Arbeit über den Totalitarismus im 20. Jahrhundert fort. Die Bücher werden beim Verlag "Editions du Rocher" veröffentlicht. Wir trafen in dieser Hinsicht den Verfasser des Werkes "De Lénine à Bin Laden " ("Von Lenin bis zu Bin Laden"), in dem er, Pierre Clermont, einen Vergleich zwischen den grundsätzlichen Tendenzen der kommunistischen Gesellschaften und dem Willen Bin Ladens, eine islamistische Gesellschaft zu restaurieren, zieht. Clermont, ein ehemaliges Mitglied der Kommunistischen Partei Frankreichs, der als Journalist während der Breschnew-Ära in Prag und Moskau gelebt hat und sich seitdem zu einem scharfen Kritiker der von ihm einst praktizierten Ideologie gewandelt hat.
Die in seinem Buch vertretene Hauptthese ist, daß die Geschichte des 20. Jahrhunderts den Gegensatz zwischen zwei ganz verschiedenen Gesellschaftstypen aufweise: Die eine, die bis zum Ersten Weltkrieg auf der individuellen Freiheit begründet gewesen sei, und die andere, in welcher sich das Individuum nur als Mitglied des gesamten Gesellschaft verstehe. Clermont bezieht sich damit auf die Arbeiten des französischen Anthropologen Louis Dumont, der von einer "Gemeinschaftsgesellschaft" gesprochen hat. Nach Ansicht Clermonts habe es sich im vergangenen Jahrhundert, ob in der Sowjet-union, im Dritten Reich oder in den kommunistischen Ländern Asiens, um eine einzige Revolte gegen die Moderne gehandelt, die nun durch den Islamismus fortgesetzt würde. Demnach gäbe es keinen grundsätzlichen Unterschied zwischen dem Marxismus-Leninismus und dem moslemischen Klerus, wie Bin Laden ihn aufzwingen wolle. In beiden Fällen wird der Mensch in seiner Entwicklung durch die Gemeinschaft gehemmt, so daß sich die Revolte gegen die abendländisch-freiheitliche Gesellschaft nach dem Scheitern des Marxismus in der islamistischen Bewegung weiterentwickelt habe.
Trotz des gescheiterten Versuchs der Kommunisten, den materiellen Fortschritt durch den Kollektivismus zu erreichen, meint Clermont, seien in Frankreich noch viele Anhänger jener Doktrin zu finden. Seiner Ansicht nach sei Frankreich im Vergleich zu Großbritannien, wo die freiheitliche Gesellschaft seit Jahrhunderten besteht, noch sehr provinziell, so daß die linke Intelligenzija an der Seine noch die Oberhand habe. Auch träumten die Anhänger Attas weiter von einer kollektivierten Welt und führten so ihre eigene Revolte "gegen die Modernität" fort.
Clermont beurteilt die Erfolgs-chancen des Islamismus, in dem er nur eine Rückkehr zum Islam des siebten Jahrhunderts sieht und keine Zeichen einer fortschrittlichen Doktrin erkennt, allerdings skeptisch. Insofern setzt er ausdrücklich seine Hoffnung auf eine baldige Regelung des Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern. Ohne dessen Beilegung könne die Lage im Mittleren Osten nicht besser werden. P. C.
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