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In einem Spitzengespräch des Kanzlers mit dem ehemaligen Verteidigungsminister Scharping und Finanzminister Eichel hat der Verteidigungsminister den kürzeren gezogen. Scharping war im Herbst 1998 nicht mit Begeisterung zu den Fahnen auf die Hardthöhe geeilt. Es erging ihm ähnlich wie vor Jahrzehnten Minister Georg Leber, der lieber bei seinem Verkehrs- und Postministerium geblieben wäre, aber seinem Kanzler Helmut Schmidt und der Partei den Gehorsam nicht versagen wollte. Scharping muß wieder einmal tun, was er für falsch hält, nämlich seinen Haushalt sofort um 3,5 Milliarden Mark kürzen, bis zum Jahr 2002 noch viel mehr.
Es ist verständlich, daß der Bundesvorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes, Oberst Gertz, überlegt, ob Rudolf Scharping seinen Hut nehmen sollte, nachdem er erkennen mußte, daß der Kanzler die ihm bei der Übernahme der Befehls- und Kommandogewalt gemachte Zusage, den Verteidigungsetat nicht zu kürzen, nicht einhält. Gertz ruft mehr als 5000 Soldaten zum Protest nach Berlin.
Noch vor wenigen Wochen wollte Scharping es nicht zulassen, daß an der Leistungsfähigkeit der Bundeswehr gerüttelt wird und dachte über Rationalisierung nach. Jetzt wird er die Weichen stellen müssen für eine andere Bundeswehr, mit verringerter Effizienz.
Nach seinem erfolglosen Besuch beim Kanzler will Scharping nun die mittelfristige Finanzplanung des Ministeriums überprüfen und hat den Generalinspekteur von Kirchbach aufgefordert, bis zum Herbst eine Übergangsplanung vorzulegen. Die Kürzungsforderung von Finanzminister Eichel wird umgesetzt in eine Kürzungsliste, die zur Zeit erarbeitet wird.
Scharping will versuchen, einen Teil seiner Ausgaben im Einzelplan 60 "Allgemeine Finanzverwaltung des Bundes" unterzubringen, in dem Sonderleistungen des Bundes, die keinem speziellen Ressort zuzuordnen sind, aufgeführt werden. Dies kann für die Kosten des Kosovo-Einsatzes gelingen, obwohl er auch hier mit Widerstand in der Koalition rechnen muß. Der haushaltspolitische Sprecher der Grünen, Oswald Metzger, will sich, wie er bereits sagte, diesem Versuch Scharpings mit Entschlossenheit widersetzen.
Wegen der angespannten Finanzlage der Bundeswehr will Scharping die Wehrpflicht nicht aufgeben. Das würde aber auch keine Einsparung bringen. Und jeder weiteren Kürzung der Personalstärke der Bundeswehr sind Grenzen gesetzt, wenn der bisherige Auftrag Landes- und Bündnisverteidigung, gekoppelt mit Krisenreaktion, aufrechterhalten werden soll. Wo also kann die Bundeswehr sparen?
Wenn es beim Personal nicht geht es sei denn durch drastische Kürzung mit Einschränkung des Auftrages allein auf die Landesverteidigung , dann geht es beim Betrieb und bei der Beschaffung erst recht nicht. Die Kosten für Materialerhaltung stehen in Relation zur Überalterung des Materials. Und diese schreitet fort mit jedem Tag. Die Kosten für notwendige Materialbeschaffung haben ihren Tiefststand von 20 Prozent erreicht, wo 30 Prozent wünschenswert wären. Das Streichen, Schieben und Strecken ist an die Grenze des Möglichen gestoßen. Jede weitere Reduzierung mündet nicht nur in weitere Überalterung von Waffen und Gerät, sondern in Drosselung von Produktion. Rüstungsfirmen können ohne Anschlußaufträge ihr Personal nicht halten, müssen es abbauen und damit den Arbeitsmarkt zusätzlich belasten.
Im Augenblick ihres erfolgreichen Einsatzes auf dem Balkan wird so die Bundeswehr durch Haushaltskürzung in eine Krise geführt. Sie soll ihre Leistungsfähigkeit erhalten und steigern bei reduzierten Haushaltsmitteln. Diesen Spagat kann Scharping nicht schaffen. Die Bundeswehr braucht nicht weniger, sondern mehr Geld. Wenn sie dies nicht bekommt, wird sie den Kosovo-Einsatz nicht auf Jahre durchhalten können. Sie hat die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit erreicht.
Wenn nun im Kabinett Schröder Übereinstimmung besteht, die notwendigen Haushaltskürzungen linear auf alle Ressorts zu verteilen, zeigt dies wenig Phantasie der Regierenden. Die Bundeswehr erlebt heute ihren Erstfall auf dem Balkan mit dem Auftrag der Friedenssicherung. Hier wäre doch zu überlegen, welche Erleichterungen man ihr geben kann.
Verteidigungsminister Scharping hat bisher eine gute Figur gemacht. Er hat sich für die Belange der Bundeswehr und eine stabile und nachvollziehbare Sicherheitspolitik der Bundesrepublik Deutschland ausgesprochen. Die Bundeswehr hat ihrerseits erkannt, daß sie einen verläßlichen Minister gefunden hat, dem wie er selbst sagte gegenseitiges Vertrauen wichtig ist. Rudolf Scharping sollte jetzt nicht den Hut nehmen, sondern um seinen Haushalt für die Bundeswehr kämpfen.
Der Verteidigungsminister kann sich aber weitere Niederlagen nicht leisten. Diesmal übt er Kabinetts-Disziplin, wo im Grund Insubordination angezeigt wäre. Wenn Scharping wirklich glaubt, trotz der enormen Haushaltskürzung um praktisch die Hälfte seit 1991 die Bundeswehr modernisieren zu können, und dies nicht schafft, wird er am Ende sehr enttäuschte Soldaten erleben. "Die Nato verfolgt die Diskussion in Deutschland natürlich sehr aufmerksam", mahnte Peter Kleiber, stellvertretender Nato-Generalsekretär, im Deutschlandfunk, "wir hoffen natürlich, daß die Kürzungen auf ein absolutes Minimum beschränkt werden können."
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