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Seit zwei Wochen ist es "amtlich": in den Behörden kann auch Platt gesprochen werden. Seit dem 1. Dezember ist nämlich die "Europäische Charta der Regional- und Minderheitssprachen" in Kraft. Sie soll "die Sprachen von Minderheiten in ihren angestammten Regionen schützen, fördern, tolerieren und die Anwendung erleichtern" und macht somit niederdeutsch, friesisch, dänisch und sorbisch zur Amtssprache der jeweiligen Region.
Die Freunde des ostdeutschen Platt werden bei dieser Regelung allerdings "leer ausgehen", wurden sie doch aus ihrer "angestammten Region" vertrieben. Wenn sie dennoch ihr heimatliches Platt, das "unsichtbare Fluchtgepäck", über Jahrzehnte und unter größten Schwierigkeiten in einer sich wandelnden Umwelt bewahrt haben, liegt das zumeist an den Aktivitäten einzelner. So rief im November 1985 Dietrich Goldbeck, damals Vorsitzender der Kreisgemeinschaft Gumbinnen, den Arbeitskreis "Ostpreußisch Platt" in Bielefeld ins Leben. Zweimal im Jahr treffen sich seitdem Freunde der heimatlichen Mundart, um die Sprache am Leben zu erhalten. Man nahm sogar Kontakt auf zu dem Projekt "Preußisches Wörterbuch" an der Kieler Universität, um den Arbeitskreis wissenschaftlich begleiten zu lassen. Und 1997 entstand aus dieser gemeinsamen Arbeit ein Buch mit plattdeutschen Alltagsgeschichten, die Mitglieder dem Arbeitskreis erzählt haben (Eck vertäll miene Jeschichte, N. G. Elwert verlag, Marburg).
Mit von der Partie waren auch Waltraud Liedtke, geb. Steinke, aus Kermenau, Kreis Angerapp, und Hildegard Linge, geb. Lamprecht, aus Kummeln, Kreis Stallupönen. Die beiden Ostpreußinnen haben sich nun daran gemacht, einen Arbeitsbrief für die Kulturabteilung der Freundeskreis Ostdeutschland zusammenzustellen: Läwe un Sproak tohus oppen Land (82 Seiten).
Entstanden ist eine Broschüre mit plattdeutschen Texten in Lyrik und Prosa, die durch den Wandel der Jahreszeiten führen, von Sitten und Brauchtum erzählen, vom Feste feiern, aber auch von der harten Arbeit auf dem Lande. Man findet in diesem Heft so bekannte Autoren wie Erminia von Olfers-Batocki, Frieda Jung, Werner Müller, Walter Scheffler, Toni Schawaller, Karl Plenzat, August Schukat, Charlotte Keyser. Die Texte gemütlich und gemütvoll sind übrigens auch von denen zu verstehen, die ostpreußisch Platt nicht mit der Muttermilch aufgesogen haben.
Ein herrliches Vergnügen, bei dem man geradezu meint, die Alten erzählen zu hören, den Duft der Bratäpfel zu riechen und die Wärme des Kachelofens zu spüren.
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