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Das Rascheln im Blätterwald ist leiser geworden, die Wogen haben sich geglättet - zumindest im Augenblick, denn der Streit zwischen Architekt und Bauherrn ist noch lange nicht beigelegt. Die beiden Streithähne sind schließlich nicht irgendwer, auf der einen Seite der in seiner künstlerischen Arbeit beeinträchtigte Architekt Meinhard v. Gerkan, auf der anderen die "Deutsche Bahn" mit ihrem kosteneinsparenden Chef Helmut Mehdorn. Letzterer hatte nicht nur angeordnet, das im preisgekrönten Entwurf vorgesehene gewaltige Glasdach von geplanten 450 Metern auf 320 zu kürzen (als Folge müssen Erster-Klasse-Fahrgäste nun im Regen auf den ICE warten), sondern auch eine Zwischendecke, die vom Architekten als geschwungene, Leichtigkeit vermittelnde Konstruktion geplant war, als simple Flachdecke ohne jeden Charme einzuziehen. Mehdorn: Er habe bei dem Architekturbüro gmp schließlich "keine Kathedrale, sondern einen Bahnhof bestellt". Meinhard v. Gerkan zog vor Gericht und bekam in erster Instanz recht. Das Gericht sah das Urheberrecht verletzt. Ob allerdings nun tatsächlich 40 Millionen Euro aufgewandt werden, um die Zwischendecke zu erneuern, bleibt dahingestellt. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Frage nach dem Wert des Urheberrechts und des geistigen Eigentums, das in Preußen schon ab 1837 entsprechend geschützt wurde. Überhaupt werden Architekten immer wieder mit der Tatsache konfrontiert, daß ihr Werk umgebaut, erweitert oder sonstwie verfälscht wird. Selbst Baumeister wie Schinkel, Stüler oder Persius mußten es sich gefallen lassen, daß sie von Friedrich Wilhelm IV. korrigiert wurden. Und Meinhard v. Gerkan kann kaum wie Eike v. Repgow, der Verfasser des "Sachsenspiegels", verfahren, der jedem den Aussatz auf den Hals wünschte, der sein Werk verfälschte. |
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