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Nachdem wir mit unserem Auto vom Königsberger Dom kommend die Hochbrücke über den Kneiphof überquert haben, liegt vor uns, etwas ansteigend, auf der Höhe des früher hier gelegenen Gesecusplatzes das mit 400 Betten größte Hotel der Stadt, bei dem es sich um keine Zierde der Stadt handelt. Vor der Bettenburg wird in Höhe der Altstädtischen Langgasse der Lenin Prospekt mittels Überbrückung vom tiefer liegenden Moskau Prospekt gekreuzt. Hier erleben wir jetzt die völlig willkürliche Zerschneidung der alten Stadtmitte Königsbergs in vier Teile, eine städtebauliche Einfallslosigkeit ohne Beispiel. Zwei Magistralen bahnen sich brutal eine Schneise in überdimensionaler Breite von Süd nach Nord beziehungsweise von Ost nach West. Die Randzonen sind angereichert mit teilweise belangloser gestapelter Architekt ur. Der altvertraute Kaiser-Wilhelm-Platz - vor langer Zeit aus dem umgebauten Altstädtischen Markt hervorgegangen - ist total verschwunden. Es fällt schwer, sich diese Situation heute vorzustellen.
Wir fahren leicht links abknickend
am Hotel vorbei, das etwa auf der Höhe der Junkerstraße gleich östlich hinter der von Schinkel erbauten Altstädtischen Kirche liegt, und kommen nun - immer noch dem Lenin Prospekt folgend - im Bereich etwa der Steindammer Kirche auf das Terrain des früheren Steindamms, der in keiner Weise mehr wahrnehmbar ist. Auch hier zeigt sich wieder das alte, vorherige Bild, allerdings mit etwas mehr Leben. Die Straße wird allmählich etwas schmaler. An der Abzweigung der Kniprodestraße im Bereich der Gabelung befindet sich eine dreieckige Grünfläche mit dem überdimensionalen Monument von "Mutter Rußland", das der Moskauer Bildhauer B. W. Edunow geschaffen hat, nachdem vorher Stalin von seinem roten Granitsockel entfernt worden war.
Auf den Wallring zufahrend wird die Straße schmaler, alte Gebäude werden vereinzelt sichtbar. Läden tauchen auf - die Stadt wirkt hier lebendiger. Plötzlich spürt man doch eine Veränderung. Die Menschen wirken freier. Vor allem die durchweg hübschen jungen Frauen wirken sehr selbstbewußt. Beim Erreichen der Kreuzung Wrangelstraße geraten wir in ein Verkehrschaos. Klapprige, veraltete Straßenbahnen mit großer Holstenbier-Reklame fahren quietschend um die Kurve. Nur langsam löst sich hier der Stau.
Auf den Hansaplatz zufahrend steht linker Hand immer noch das frühere Stadthaus. 1923 von Hans Hopp im damaligen Stil des Neuen Bauens zunächst als Handelshof erbaut, wurde es 1927 Sitz des Magistrats der Stadt. Das hohe Dach ist einem Flachdach gewichen, die Fensterelemente haben sich verändert. Jahrelang habe ich vergebens versucht, hier einen Termin bei einem der zuständigen Architekten beziehungsweise Stadtplaner zu erhalten, um mich über die weitere Stadtgestaltung zu informieren. Schließlich hat es geklappt, doch das steht auf einem anderen Blatt beziehungsweise in einem anderen Artikel. |
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