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SPD besteht weiter auf EU-Beitritt der Türkei

 
     
 
Letzte Woche ließ Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) mit seiner Warnung an die Unions-Parteien aufhorchen, den EU-Beitritt der Türkei in Frage stellen zu wollen. Dadurch würden in der Türkei nur diejenigen Kräfte gestärkt, die den Weg nach Europa grundsätzlich ablehnten. Steinmeier verwies darauf, daß die Staats- und Regierungschef der EU einstimmig beschlossen hätten, den Verhandlungen mit dem Ziel einer Vollmitgliedschaft
der Türkei zuzustimmen. Darüber hinaus verwies er auf den Koalitionsvertrag, in dem vereinbart wurde, mit Blick auf die Türkei die Linie einzuhalten, die von den EU-Staats- und Regierungschefs vereinbart worden sei. Steinmeier dürfte sich darüber im klaren gewesen sein, daß seine Wortmeldung die derzeitigen Spannungen in der Großen Koalition weiter verschärfen könnte. Unlängst hatte nämlich der CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber erklärt: "Ein EU-Beitritt der Türkei kommt nicht in Frage." Der bayerische Ministerpräsident verwies laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters auf die Größe und die wirtschaftliche Situation der Türkei, aber auch auf die gesellschaftlichen und kulturellen Unterschiede zur derzeitigen EU, die die Aufnahmefähigkeit der EU überfordern würde. Stoiber plädierte deshalb dafür, daß "ein besonderer Status" zwischen "Assoziierung und Vollmitgliedschaft" gefunden werden müßte. Der CSU-Chef erneuerte damit mehr oder weniger die Forderung nach einer "privilegierten Partnerschaft" mit der Türkei, mit der die Unionsparteien in den Bundestagswahlkampf gezogen waren. Steinmeier hingegen erklärte: "Ziel der Verhandlungen ist die EU-Vollmitgliedschaft."

Der Bundesaußenminister hat mit seinem Vorstoß den Daumen auf eine offene Wunde der Koalition gelegt, die wahrscheinlich noch größer wäre, gäbe es nicht die "Zypern-Frage", die sich für die Türkei zu einem "K.o.-Kriterium" in der Beitrittsfrage entwickeln könnte. Auf dem vergangenen EU-Außenministertreffen Mitte Juni in Luxemburg wurde festgestellt, daß in dem Fall, daß die Türkei die Zollunion nicht auf Zypern ausweiten sollte, möglicherweise ein Ende der Beitrittsverhandlungen drohen könnte. Bisher versucht Ankara mit allerlei Winkelzügen, einer Anerkennung des EU-Mitglieds Zypern aus dem Wege zu gehen. Dessen ungeachtet war es wieder Steinmeier, der Mitte Juni den Führer des türkisch besetzten Teils Zyperns, Mehmet Ali Talat, in Berlin empfing, um über die Beilegung des Konflikts zu beraten. Dieser Schritt löste einige Irritationen aus, weil die "Türkische Republik Nordzypern" international nur von ihrer Schutzmacht Ankara anerkannt ist. Im griechischen Teil Zyperns wurden deshalb nicht zu Unrecht Befürchtungen laut, daß der türkische Norden der Insel durch derartige Gespräche eine offizielle Weihe erhalten könnte.

Diese über das übliche Maß hinausgehende Initiative Steinmeiers knüpft direkt an die Position der rot-grünen Regierung in Gestalt von Gerhard Schröder und Ex-Außenminister Fischer an. Diese hatten sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit für eine EU-Vollmitgliedschaft der Türkei stark gemacht. Auch Steinmeier geht auf das von den Unionsparteien präferierte Modell einer "privilegierten Partnerschaft" bezeichnenderweise gar nicht erst ein.

In Zeiten der rot-grünen Regierung war Steinmeier für grundlegende Strategiepapiere mitverantwortlich. Wie eng sein Verhältnis zu Schröder war, zeigte dessen Einlassung in der ZDF-Talkshow "Kerner", in der der Ex-Kanzler bekannte, daß er außer seiner Ehefrau nur zwei Menschen uneingeschränkt vertraue, nämlich seiner (damaligen) Büroleiterin Sigrid Krampitz und eben - Steinmeier.

Steinmeier steht für Intelligenz, Ausdauer und Gelassenheit. "Aussitzen" ist nicht seine Sache, er gilt als Praktiker und Umsetzer. Kritiker kreiden ihm freilich an, daß er sich "zu viel auflädt" und zum "Überperfektionismus" neige. Tatsächlich waren auch unter der Ägide Steinmeiers handwerkliche Fehler in der Regierungsarbeit zu beklagen, die ihm mitangelastet wurden. Seine Kompetenz wurde aber selbst vom politischen Gegner anerkannt. Volker Kauder, Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, befand, daß "der Bursche schon etwas drauf" habe.

Viele sehen in Steinmeier inzwischen sogar die neue Führungsfigur der SPD. Schröder soll, so berichtete es die "Zeit" (42/2005), vor Freunden gesagt haben, "dieser Mann sei der einzige unter den politisch agierenden Sozialdemokraten, dem er zutraue, den Job des Bundeskanzlers auf Anhieb auszufüllen".

Angesichts des Mangels an Führungspersönlichkeiten in der heutigen SPD kommt diese Einschätzung wenig überraschend.
 
     
     
 
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