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Schwimmseife

 
     
 
Helga war gerade vom Einkaufen zurückgekehrt. Und schon stand ihr kleiner Blondschopf erwartungsvoll, die Blicke sehnsüchtig auf die Einkaufstasche gerichtet, neben seiner Mutter. Wie immer sah es auch heute dürftig darin aus. Ein paar Kartoffeln, eine Scheibe Kunsthonig, die Kaufmann Schlimm mit einem Zwirnsfaden von dem quadratischen Würfel abgeschnitten und danach genau ausgewogen hatte, ferner ein Eckchen Margarine und ein schief geschnittenes Stückchen Schwimmseife waren alles, was dort zu entdecken war. Das Mehl, das Helga so gern mitgebracht hätte, um für Mann und Kind zum Sonntag, wenn sie an die See fuhren, einen kleinen Kuchen zu backen
- nein, das war dort schon seit Tagen nicht mehr vorrätig. Für nächste Woche aber erwartete Schlimm eine angekündigte Lieferung. Und wieder einmal klammerte sich Helga an dieses kleine Fitzchen Hoffnung.

Enttäuschung breitete sich auf dem Gesichtchen des Sechsjährigen aus. Aber wie alle Mütter verstand es Helga, trotz aller Kargheit auch an diesem Tag wieder ein wenig zu zaubern. "Hier", lachte sie ihren Jörg an, und zog aus der Manteltasche ein längliches dünnes Papiertütchen hervor, "hier hast e paar Strempel Süßholz. Das hat mir der Kaufmann Schlimm für dich mitgegeben." Das Gesicht des Kleinen strahlte plötzlich, während er das Tütchen mit dem Bild ergriff, es sogleich aufriß und eins der etwa bleistiftlangen Hölzchen daraus hervorholte. Mehr abgerissen als abgebissen verschwanden dessen Teile in der kleinen Schnut, wo sie der Bowke mit sichtlichem Genuß zerkaute.

Es war Nachmittag geworden. Draußen regnete es stark. Die Hausaufgaben auf der Schiefertafel hatte Jörg bereits gemacht. Nach den ersten Zeilen auf der Schreibseite hatte sich das deutsche kleine "r" von seiner Schräglage erholt und sah im unteren Bereich der Tafel schon ganz manierlich aus. Dagegen haperte es bei den Ziffern auf der Rückseite der Tafel noch beachtlich an Schönheit. Dem kleinen Lachodder wurde es in der Wohnung recht langweilig. Bedeutete doch dieser dammlige Regen, der ihn einsperrte, ein Verzichtenmüssen auf all die sonst übliche lautstarke Toberei mit den anderen Lorbassen vom Weidendamm: kein Ver- stecken- und Fangenspiel, kein Dahinsausen mit dem Roller, kein Kullern mit den so wunderschönen, bunten Murmeln, auch kein Laufen mit dem Reifchen oder dem gepeitschten Brummkreisel auf dem Bürgersteig. Kein Wunder, wenn solch gebündelter Verzicht auf diese gewohnten Freiheiten die Nerven des kleinen Jörg an jenem Nachmittag gehörig strapazierte.

Also sah er sich nach einer ersatzweisen Spielgelegenheit im Hause um. Dabei stieß er auf das Stück-chen Schwimmseife, das seine Mutter auf das Küchensims gelegt hatte. Und weil gerade eine Waschschüssel daneben stand, füllte er sie zur Hälfte mit Wasser und legte die so herrlich schwimmende Seife dort hinein, um damit Schiffchen zu spielen. Den fehlenden Mast ersetzte er mit einem Streichholz, das er in das Seifenstück hineindrückte, das Segel mit einem dort aufgespießten Stückchen Papier.

Da rief die Mutter Jörg zu sich, um ihn zu einem Bekanntenbesuch mitzunehmen. Eine Abwechslung, die dem Knirps nur recht war und ihn das Spiel mit dem Schiffchen völlig vergessen ließ.

Als die beiden heimkamen, war es Zeit zum Abendessen. Nachdem die Regensachen im Entree aufgehängt waren, ging Helga mit ihrem Jung in die Küche - und war entsetzt: das Stück Schwimmseife, damals die einzig erhältliche und daher unentbehrliche Gesichtsseife, schwamm dort nur noch als ein Stück aufgequollener Brei unrettbar inmitten der Schüssel. Und weil ein Unglück bekanntermaßen selten allein kommt, tauchte zu allem Überfluß ausgerechnet jetzt auch noch der Vater des kleinen Jörg auf. Der sorgte dann recht nachhaltig dafür, daß es seinem Sprößling nie wieder einfiel, mit der Schwimmseife Schiffchen zu spiele
 
     
     
 
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