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Ganz Europa stöhnt unter der Hitzewelle, sogar in Schweden wird regional das Wasser knapp, Bewässerungsverbote treffen die niederländischen Bauern, Meteorologen sprechen davon, daß es in Deutschland kaum mehr genug regnen kann, um die Wasserbilanz dieses Jahres auszugleichen. Wasser ist - das macht die Sommerhitze deutlich - ein teures Gut.
An kaum einem Ort in Europa ist das Trinkwasser so teuer wie in Deutschland - trotz klimatisch günstigen Bedingungen für eine weltweit vergleichsweise üppige Wasserversorgung. Selbst große deutsche Ballungsräume mit hohem Wasserverbrauch melden keine Engpässe. Im Gegenteil, es herrscht bundesweit Überfluß an kühlem Naß. Aber die Preise sind hoch. Hohe Versorgungssicherheit und Wasserqualität sind den Deutschen selbstverständlich. Auf die hohen Preise reagieren sie aber mit Knausern. Inzwischen halten die Privatverbraucher sich mit dem Griff zu Hahn und Mischbatterie so zurück, daß Sparen zu ernsthaften Mehrkosten für den Erhalt des Wassernetzes führt - eine paradox e Situation.
Sicher, in der Industrie gibt es nach wie vor viel Sparpotential. So verbraucht nach Informationen der "Deutschen Vereinigung des Gas- und Wasserfaches e. V." die Erzeugung eines Kilos Stahl 25 bis 200 Liter Wasser, ein Kilogramm Feinpapier wird mit durchschnittlich 400 bis 1000 Liter Wasser produziert, und rein statistisch fallen gar 380000 Liter Wasser an, um einen Pkw herzustellen. Das sind Zahlen, die zum Sparen der nassen Kostbarkeit aufrufen. Doch handelt es sich in der Industrie heute fast nur noch um Brauchwasser, das in eigenen Kreisläufen aufbereitet und mehrfach genutzt wird (im Schnitt dreimal). Auch macht die Industrie nur 21 Prozent des Verbrauchs aus. 70 Milliarden Kubikmeter Wasser werden durch die Kreislaufnutzung jährlich gespart.
Das Kriterium für Mangel oder Überfluß ist hierzulande vielmehr das Grundwasser. Rund 70 Prozent des für die Trinkwasserversorgung geförderten Wassers wird daraus gewonnen. Da das Verhältnis aus Niederschlag zu Verdunstung hierzulande im Europavergleich recht günstig ausfällt, woran auch langfristige Klimatrends wenig ändern, gibt es für den typischen Haushalt keinen Zwang
zum Sparen. Im Gegenteil: 95 Prozent aller deutschen Abwässer werden nach neusten technischen
(EU-)Standards wiederaufbereitet. Die Gemeinden ermöglichen als überwiegende Träger der Versorgung einen hohen Standard (99 Prozent der Deutschen beziehen ihr Wasser aus dem öffentlichen Netz), brüstet sich der "Deutsche Städte- und Gemeindebund". Das Niveau gilt vorerst weiter, allen Privatisierungen zum Trotz. Neun Milliarden Kubikmeter Wasser seien 2004 biologisch nach neusten Verfahren behandelt worden, gab der Gemeindebund zum "Tag des Wassers" im März bekannt.
Ungeachtet hoher Versorgungsleistung wie Hitzerekorde haben beispielsweise die Berliner ernsthafte Probleme mit einem zu hohen Grundwasserspiegel in einigen Stadtteilen. Seit dem Mauerfall ging hauptstadtweit der Wasserkonsum um 40 Prozent zurück, statt 1,4 Millionen Kubikmeter Tagesverbrauch im Sommer 1991 zapfen Berliner Haushalte wie Betriebe jetzt nur 884000 Kubikmeter ab - und das im Juli-Mittel. Zurückhaltung beim Wasserverbrauch ist in den Haushalten ein nationaler Dauerzustand. 1990 lag der Verbrauch bei 147 Litern pro Einwohner und Tag, 2001 waren es 127 Liter. In Österreich sind es dagegen derzeit zirka 150 Liter pro Einwohner und Tag. Nicht nur Umweltbewußtsein an Hahn und Spülung, sondern auch jahrelang technisch aufgerüstete Spar-Finessen entwickeln zunehmend negative Effekte, denn Rohrleitungen, Zu- und Abflüsse der Gemeinden lassen sich nicht beliebig auf die Zurückhaltung der Konsumenten einstellen. Zumal ein Ende des Rückgangs nicht abzusehen ist. Während Spartasten an Toiletten, Wasch- und Spülmaschinen lange als Verkaufsargument wirkten, laufen nun einigen Berlinern mitten im Sommer die Keller naß.
Rohrleitungen setzen sich bundesweit verstärkt zu, da einst beim Bau berechnete Durchflußmengen und Geschwindigkeiten nicht mehr erreicht werden. Die Folge: Häufig müssen Wasserversorger ausbessern, Kosten werden auf die Haushalte umgeschlagen. Die Deutschen scheinen dem Wasser aus der Leitung trotz des hohen Aufwandes, der zu dessen Qualitätssicherung und Reinigung betrieben wird, zu mißtrauen. Statt 0,1 Cent pro Liter Leitungswasser zahlen wir lieber 30 bis 80 Cent selbst für das billigste Supermarktmineralwasser. Die Umwelt und ihr vermeintlicher Schutz gehen uns weiter als anderen Europäern. Außerdem ist Wasser eine Marke, ein Fitneßbegleiter geworden.
Ein Indiz dafür: Beim Mineralwasser verdoppelte sich der Verbrauch in den letzten zehn Jahren. Mineralbrunnen fahren derzeit Sonderschichten (bis 30 Prozent gesteigerte Abfüllung) und kommen doch mit der Produktion ihres aus großen Tiefen gewonnenen Rohstoffs hinter dem Sommerbedarf kaum nach. Gleichzeitig müssen Millionen von Euro aufgewendet werden, um die Schäden an schlecht ausgelasteten öffentlichen Wassernetzen auszugleichen, Grundwasser abzupumpen.
Die Instandhaltungskosten beim öffentlichen Netz fallen um so mehr ins Gewicht, als 80 Prozent der Wasserkosten unabhängig vom Verbrauch anfallen - also Festkosten sind. Die Folgen einer Politik, die dies mit Niedrigpreisen vernachlässigt, bekommen derzeit die Briten zu spüren. Nicht nur zwei Jahre enormer Hitze, sondern vor allem lange vernachlässigte Rohrleitungen mit Wasserverlusten von 30 Prozent, bedingt durch unwirtschaftlich niedrige Verbraucherpreise, führen dort zu einer Verknappung. Londons Bürgermeister Ken Livingston dürfte mit seinen Wasserspartips ("Drücken Sie nicht die Spülung, wenn Sie nur Pipi gemacht haben") eher den besonderen britischen Verhältnissen Rechnung tragen. Für deutsche Verbraucher gilt dagegen, in Abwandlung der Spartips Livingstons: Gern mal wieder baden statt duschen.
In Deutschland entstehen nämlich im Gegensatz zur Insel, dank auf Sicherheit ausgelegter Planung, hohe indirekte Wasserkosten. Neben Konzessionsabgaben, Löschwasserbereitstellung, Reinhaltekosten, Beiträgen für große Wasserbauten wie Talsperren fallen auch Wasserentnahmeentgelt und Mehrwertsteuer an. 446000 Kilometer lang ist das deutsche Wassernetz. Es ließe sich damit elfmal um die Erde spannen. Viel sparen läßt sich da nur auf Kosten der Substanz. Anreize zum Sparen sind "überflüssig". Bei aller Sicherheit könnten die Deutschen ihrem Wasser also etwas mehr vertrauen oder es sich von den Europäischen Nachbarn abkaufen lassen. Die haben dafür durchaus Bedarf. |
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