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Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer droht. Eine isolierte Anhebung auf 20 Prozent zur Sanierung der öffentlichen Haushalte könnte jedoch bereits 2007 rund 490.000 Arbeitsplätze kosten - so eine Studie im Auftrag des Instituts der Deutschen Wirtschaft Köln. Ökonomisch sinnvoller wäre demnach, den Steuersatz nur moderat anzuheben und mit den zusätzlichen Einnahmen den Solidaritätszuschlag und die Sozialbeiträge zu senken. Dadurch könnten 100.000 und mehr Jobs geschaffen werden - in einer gezielten Veränderung läge somit auch eine Chance.
Wieder einmal steht den Bundesbürgern eine Mehrwertsteuererhöhung ins Haus. Es wäre nach 1968 die siebte. Zwar wird diese politisch brisant e Frage wohl erst nach den Wahlen endgültig entschieden. Bereits jetzt sorgt das Vorhaben allerdings für helle Aufregung. Weite Kreise der Bevölkerung halten davon gar nichts; und auch zahlreiche Ökonomen warnen vor diesem Schritt, weil eine derartige Steuererhöhung den privaten Konsum und damit die ohnehin kränkelnde Binnennachfrage schwäche und die Preisstabilität gefährde. Am Ende koste das Drehen an der Steuerschraube Tausende Jobs.
Diese Argumente gegen eine Erhöhung der Konsumsteuer lassen sich in der Tat nicht so einfach vom Tisch wischen. Ob Wachstum und Beschäftigung dabei auf der Strecke bleiben, hängt jedoch auch davon ab, wie man die Steuer anhebt - ohne einen Ausgleich anderswo zu schaffen, oder indem man Belastungen an anderer Stelle zurücknimmt, etwa bei den Sozialbeiträgen.
Als erstes Konzept gäbe es also die Möglichkeit einer isolierten Mehrwertsteueranhebung. Um ihre Haushaltslöcher zu stopfen, würden etliche Politiker die Mehrwertsteuer ab 2006 gerne heraufsetzen. Unterstellt man, daß der Normalsatz von 16 auf 20 Prozent und der ermäßigte Satz von 7 auf 8,75 Prozent steigt, hätte das verheerende Folgen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) würde im Jahr 2007 - in heutigen Preisen gerechnet - um 30 Milliarden Euro beziehungsweise 1,5 Prozent niedriger ausfallen als ohne Steuererhöhung. Im Jahr 2010 betrüge das Minus schon 34 Milliarden Euro. Die Mehrwertsteuererhöhung setzte - zeitverzögert um ein Jahr - eine Lohn-/Preisspirale in Gang. Im Jahr 2007 wären die Verbraucherpreise um 2,8 Prozent höher als ohne Mehrwertsteueranhebung und die Löhne um 1,6 Prozent. Real hätten die Arbeitnehmer damit niedrigere Einkommen. Die Auswirkungen auf die Beschäftigung wären dramatisch. Bereits 2007 gingen durch die Steuererhöhung 490.000 Arbeitsplätze verloren, im Jahr 2010 wären es dann 610.000 Jobs weniger.
Hinter diesen Berechnungen steckt ein einfacher Mechanismus: Wenn die Preise aufgrund einer Umsatzsteuererhöhung steigen, dann halten sich Verbraucher beim Einkauf zurück. Die Produktion muß entsprechend heruntergefahren werden - das kostet Beschäftigung. Der Anstieg der Mehrwertsteuer um ein Viertel hätte allerdings einen positiven Effekt: Sie würde den Staatshaushalt spürbar entlasten. Unmittelbar im Jahr 2006 stiegen die Mehrwertsteuereinnahmen um gut 33 Milliarden Euro. Damit könnte Deutschland ab 2006 das Defizitkriterium von drei Prozent wieder einhalten - trotz steigender Sozialausgaben infolge der höheren Arbeitslosigkeit.
Zweites Konzept: Mehrwertsteuererhöhung zur Umfinanzierung. Um kurzfristig einen positiven Impuls für Wachstum und Beschäftigung zu geben, ist eine Erhöhung der Mehrwertsteuer aber durchaus sinnvoll, wenn - und das ist unabdingbar - im Gegenzug direkte Steuern und Sozialbeiträge gesenkt werden. Dabei wird unterstellt, daß kein Cent für die Sanierung der maroden öffentlichen Kassen abgezweigt wird; der Abbau der Schulden muß auf anderem Wege geschehen - etwa durch Subventionskürzungen.
Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln schlägt vor, den Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung um einen Prozentpunkt (dies entspricht acht Milliarden Euro) zu senken, den Solidaritätszuschlag (zehn Milliarden Euro) abzuschaffen und im Gegenzug den Normalsatz der Mehrwertsteuer um zwei Prozentpunkte auf 18 Prozent (18 Milliarden Euro) zu erhöhen.
Auch hier kommt wieder ein Mechanismus in Gang, der allerdings im Vergleich zur isolierten Steuererhöhung keine volkswirtschaftlichen Nachteile mit sich bringt. Im Gegenteil: Die Senkung des Soli sorgt für zusätzliche Investitionen und entlastet die privaten Haushalte; die Reduzierung der Sozialbeiträge senkt die Personalzusatzkosten und macht dadurch zusätzliche Arbeitsplätze rentabler.
Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat unlängst berechnet, was eine Absenkung der Sozialversicherungsbeiträge um einen Punkt und die Anhebung der Mehrwertsteuer um einen Punkt an Jobs bringt: Allein durch eine derartige Umfinanzierung könnten nach Berechnungen des IAB langfristig bis zu 100.000 Jobs zusätzlich geschaffen werden. Daß viele private Haushalte durch das Umsteuern bei den Steuern und Sozialabgaben am Ende mehr im Portemonnaie haben, machen Beispielrechnungen auf der Basis der vom Statistischen Bundesamt durchgeführten Einkommens- und Verbrauchsstichprobe für zwei Haushaltstypen deutlich.
Familie mit Kindern: Ein Mittelschicht-Alleinverdiener mit zwei Kindern zahlt auf seine Lohnsteuer momentan 20 Euro Soli. Der entfiele künftig. Beim Arbeitslosenbeitrag würde die Familie weitere 22 Euro einsparen. Dem stünde eine Verteuerung der Lebenshaltungskosten um nur 22 Euro gegenüber.
Single: Ein Arbeitnehmer mit einem Nettoeinkommen von monatlich 1.890 Euro müßte nach der Mehrwertsteuererhöhung an der Kasse im Supermarkt, im Reisebüro oder in der Apotheke 14 Euro mehr berappen. Dafür "schenken" ihm Staat und Arbeitslosenversicherung 53 Euro. Und selbst eine Krankenschwester oder ein Kanalarbeiter mit einem Bruttoverdienst von lediglich 2.410 Euro im Monat macht bei der Umfinanzierung ein Plus von 20 Euro.
Der positive Effekt, den viele Haushalte nach der Umstellung in ihrer Kasse spüren - nämlich daß sich Arbeit wieder mehr lohnt -, stellt sich dann auch bei den Unternehmen ein: Die Arbeitskosten sinken und die Gewinne werden durch den Wegfall des Solidaritätszuschlags nicht mehr so stark besteuert - was wiederum Investitionen fördert. Eine solche wachstums- und arbeitsmarktfreundliche Steuerpolitik würde nicht nur den Faktor Arbeit entlasten, sondern auch dem Fiskus nutzen. Denn wo mehr Menschen in Lohn und Brot sind, da wachsen die Staatseinnahmen und sinken die Ausgaben für Arbeitslose. Nicht zuletzt aus diesen Gründen haben sich die neuen osteuropäischen EU-Mitgliedstaaten genau zu diesem Weg entschlossen, indem sie Einkommen und Gewinne niedrig besteuern oder steuerlich sogar komplett freistellen, den Konsum jedoch deutlich höher besteuern. So beträgt der normale Mehrwertsteuersatz in Ungarn 25 Prozent und in Polen 22 Prozent. Der Spitzensatz bei der Einkommensteuer beträgt dagegen nur 38 (in Ungarn) beziehungsweise 40 Prozent in Polen. Hierzulande sind es inklusive Solidaritätszuschlag über 44 Prozent.
Wenn sich in Deutschland die Auffassung durchsetzen sollte, die Mehrwertsteuer anzuheben, kann das nur unter einer Bedingung geschehen: Der zusätzlichen Belastung muß eine entsprechende Entlastung gegenüberstehen - etwa bei den Sozialabgaben. Alles andere ginge auf Kosten weiterer Arbeitsplätze. iwd |
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