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Es geht uns gut!" Mit diesem Satz begann Gastautor Klaus Wowereit acht von zwölf Absätzen seines "Manifestes gegen die schlechte Laune" in der zweiten Ausgabe der neuen Zeitschrift "Vanity Fair" vergangene Woche. Der Regierende Bürgermeister fordert, von der "Rhetorik des Weltuntergangs" Abschied zu nehmen.
Schönrednerei? Die jüngsten Berliner Haushaltszahlen geben tatsächlich Anlaß zu verhaltenem Optimismus. Zwar liegen noch keine konkreten Daten vor, aber die höheren Steuereinnahmen von Bund und Länder n werden auch den gebeutelten Landeshaushalt der Hauptstadt erheblich entlasten.
Der Senat ist schon so euphorisch, daß er beinahe ins Taumeln gerät, so wie damals nach der deutschen Vereinigung, als die Phantasie beflügelt und der Realitätssinn an der Spree kollektiv abgeschaltet wurde.
Während sich Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) sehr mit entsprechenden Prognosen zurückhält, preschte sein Berliner Genosse Thilo Sarrazin jetzt vor: Ein ausgeglichener Haushalt sei bereits 2010 möglich, verlautbarte der Finanzsenator bei einer Veranstaltung der Industrie- und Handelskammer (IHK). "Berlin muß die Gunst der konjunkturellen Entwicklung nutzen", lautet das Credo des als "Sparsenator" auch in bürgerlichen Kreisen respektierten Sozialdemokraten.
Sarrazins Mitarbeiter haben seit letzter Woche wieder viel zu tun. Sie werben in Einkaufszentren für die Nutzung der elektronischen Steuererklärung (kurz "Elster"). Im ganzen Stadtgebiet läuft aus diesem Grund eine Werbekampagne des Senats.
Aber ob nun auf herkömmliche Art und Weise oder "online" - Berlins Steuereinnahmen steigen gerade gewaltig. Die Wirtschaft wächst. Der allerorts seit Januar erwartete "Mehrwertsteuerknick" scheint auch in der preußischen Metropole auszubleiben. Also könnte die Stadt bereits in drei Jahren ohne neue Schulden auskommen. Bisher war für 2010 noch eine Nettoneuverschuldung von 900 Millionen Euro angenommen worden.
Und in den Jahren ab 2010 muß Berlin sowieso 170 Millionen jährlich zusätzlich einsparen, weil dann Mittel in dieser Höhe aus dem Solidarpakt II entfallen.
2007 indes nimmt Berlin noch einmal 1,2 Milliarden Euro neue Schulden auf. Allein die Zinsen für den bereits angehäuften Berg von 62 Milliarden Euro Altschulden schlagen mit jährlich 2,5 Milliarden Euro zu Buche!
Wenn die aktuellen Steuerschätzungen stimmen, dann muß Berlin keine Steuern erhöhen und kann trotzdem den Haushalt mit der niedrigsten Neuverschuldung seit dem Mauerfall hinlegen. Konkrete Zahlen über die Zeit nach 2007 werden nach Ostern erwartet, wenn Sarrazin seinen Budget-Entwurf für 2008/2009 vorlegt. Am 3. Juli soll der Doppelhaushalt dann im Parlament beschlossen werden.
Ein Blick in die düstere Vergangenheit macht die Euphorie über die jüngsten Zahlen verständlich. Es ist noch nicht lange her, daß Berlin gänzlich pleitezugehen drohte. Berlin klagte vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe auf Beihilfen des Bundes, weil die Lage des Hauptstadtsäckels so hoffnungslos sei, daß sich die Metropole unmöglich selbst aus dem Sumpf ziehen könne, argumentierten die Berliner. Das Urteil wurde erst am 19. Oktober 2006 gesprochen: Der Hilferuf wurde abgewiesen, kein zusätzliches Geld vom Bund.
Was - außer den Richtern - kaum jemand glauben wollte, scheint sich nun zu bestätigen. Berlin könnte es tatsächlichen ohne zusätzliche Subventionen schaffen. Über "Wirtschaftswachstum, Aufschwung, Reduzierung der Arbeitslosigkeit, weniger Schulden durch steigende Steuereinnahmen", freut sich der Regierende Bürgermeister. "2006 hatten wir ein Wachstum wie seit dem Boomjahr 2000 nicht mehr."
Seine Schlußfolgerung lautet daher: "Für Berlin bedeutet die Zunahme von Beschäftigung und die erhöhten Steuereinnahmen, daß es möglich erscheint, noch in dieser Legislaturperiode die Neuverschuldung im Haushalt auf 0 (in Zahlen: null) zurückführen zu können, ein Erfolg, der uns selbst noch vor fünf Jahren unerreichbar schien."
Als besonders kompetent galt Wowereit auf dem Gebiet der Finanzen bislang nicht. Auch deswegen hält er stur an seinem Finanzsenator fest, dessen Ankündigung eines Null-Schulden-Haushalts jetzt zeitgleich mit Wowereits Ankündigung kam. Es liegt nahe, daß sich die beiden abgesprochen haben. Das deutet darauf hin, daß sie es mit ihren Vorhersagen ernst meinen.
Berlin macht auch im nationalen Vergleich Boden gut. Die Stadt gilt zwar als günstig, was die Lebenshaltungskosten angeht. Aber sie war längst nicht die beliebteste Metropole, wenn es um den Wunschwohnort von Wirtschaftsmagnaten geht.
Aber Berlin holt auf. Als attraktivster Lebensraum liegt Berlin nach einer Befragung bereits gleich hinter Spitzenreiter München und Hamburg auf Platz drei. Befragt wurden 351 Spitzenmanager im Auftrag der Unternehmensberatungsfirma Roland Berger. Hinsichtlich des "Zukunftspotentials" liegt Berlin sogar schon vor Hamburg, sehr zur Verblüffung der Hanseaten. "Es geht uns gut", so dürfte Klaus Wowereit dieses Umfrageergebnis kommentiert haben.
Berlins Wirtschaft wächst wieder: Die Arbeiten an der neuen Mehrzweckhalle im Stadtteil Friedrichshain sollen Ende 2008 abgeschlossen sein. Dann haben hi |
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