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Auf dem Papier hat die EU einen beachtlichen Forderungskatalog, den die mittelosteuropäischen Beitrittskandidaten als Voraussetzung ihrer Aufnahme erfülle sollen: Angemahnt werden insbesondere wirksame und zügige Maßnahmen bezüglich de sektoralen Umstrukturierungen der Wirtschaft, der Kontrolle von Staatsbeihilfen Korruption sverhinderung, Vorbereitung für den Gemeinschaftsmarkt wie Zertifizierung Standardisierung, öffentliche Beschaffung und Ausschreibung, Liberalisierung de Kapitalmarktes sowie der Übernahme von Umweltstandards.
Keine Frage, daß die Polen sich hier mit Forderungen konfrontiert sehen, die si innerhalb des von der Brüsseler EU-Kommission vorgesehenen Zeitraumes zu erfüllen sic nicht in der Lage sehen. Die polnische Verhandlungsführung bemüht sich daher intensi und hartnäckig um die Gewährung von Ausnahmeregelungen in Form von Übergangslösungen Fristverlängerungen der Zielplanung, die jedoch von der EU im Hinblick auf die Gleichbehandlung aller Beitrittskandidaten wohl kaum im geforderten Umfang zugestande werden können.
Der mögliche Kompromiß wäre, Polen in die zweite Beitrittsgruppe einzuordnen, wa jedoch für die notorisch stolze, prestigebewußte Nation inakzeptabel ist. "Wi wollen kein Mitglied zweiter Klasse sein und wir gehen nicht auf Knien in die EU" lautet die Devise. Gleichzeitig fordert Polen forsch, sofort in den vollen Genuß alle Fördermittel der EU zu kommen. Ferner verlangt Warschau die sofortige Freizügigkeit de Arbeitsmarktes, besteht aber auf langen Übergangsfristen für seinen Agrarmarkt und de Erwerb von Liegenschaften durch Ausländer mit einer Frist von 18 Jahren. Daß damit vo allem potentielle deutsche Käufer abgewehrt und zugleich Rückerstattungsansprüche de heimatvertriebenen Deutschen auf biologische Weise ihre Erledigung finden sollen, is offenkundig.
Gemäß den derzeit gültigen Gesetzen bedürfen Ausländer, die Liegenschaften in Polen zu Eigentum oder Nutznießung erwerben wollen von kleinen Ausnahmen abgesehe , der Genehmigung des Innenministeriums und Verteidigungsministeriums und be Agrarland auch des Landwirtschaftsministeriums. Rückgabe enteigneten Vermögens ode Entschädigung der ehemaligen deutschen Eigentümer werden von der polnischen Regierun als "absurde Erwartung" abgetan. Geremek: "Niemand hat das Recht oder wir das Recht haben, Eigentum in der Republik Polen in Frage zu stellen." Trotzde strömen seit einiger Zeit zahlreiche polnische Hausbesitzer in Pommern, Ostdeutschland un Schlesien auf die Grundbuchämter. Denn die Hausbesetzer der "ausgesiedelten" Deutschen hatten vom polnischen Staat nur Pachtverträge oder Erbpachtverträge für die Liegenschaft erhalten. Aufgrund eines neu erlassenen Gesetzes können die Pächter nunmeh ihre Hausgrundstücke von Pacht in grundbuchgesichertes Eigentum umwandeln. So wir Unrecht per Gesetz in Recht umgewandelt. Die Zahl der möglichen Umwandler wird in gan Polen auf etwa drei Millionen geschätzt. Eine rechtsstaatliche Regelung de unrechtmäßigen Enteignung von Millionen deutscher Bürger ist in dem 800 000 Seite starken Rechtsbestand der EU nicht enthalten. Brüssel ist der Meinung, daß die Regelun von Eigentumsfragen Sache jedes einzelnen Mitgliedsstaates sei. Die Bundesregierung häl sich mit Entschädigungsforderungen ihrer Bürger wohlweislich zurück, hat sie doch die Bodenreform-Enteignungen in der ehemaligen Sowjetzone und DDR als Rechtens anerkannt, wa merkwürdigerweise vom Bundesverfassungsgericht sanktioniert wurde.
Nüchtern und weiterdenkende Ökonomen betrachten einen frühzeitigen Beitritt Polen als ein für die EU nicht kalkulierbares Unterfangen. Nicht die wirtschaftliche Effizienz sondern Angleichung der Lebensverhältnisse in West- und Osteuropa gilt als Leitziel de Osterweiterung. Inzwischen scheint aber auch Brüssel klar geworden zu sein, daß da europäische Solidaritätsgefühl nicht überstrapaziert werden kann. Aus durchsichtige Gründen werden über Kosten, Finanzierung und Nutzen der Osterweiterung nur spärlich und vage Angaben gemacht. Eine Vielzahl von Studien von Ministerien un Wirtschaftsinstituten liegen vor, die in ihren Ergebnissen stark voneinander abweichen Nicht verwunderlich, beruhen doch ihre Recherchen auf den höchst unzuverlässige Statistiken der Beitrittskandidaten und die Berechnungen auf unterschiedlichen Prämissen So soll beispielsweise ein Drittel der polnischen Wirtschaftsleistung in de "Schattenwirtschaft" erzielt werden, die sich jedoch der Statistik entzieht. Da gleiche gilt für die sogenannten "unregulierten Märkte", den Kleinhandel in Grenzverkehr mit der Ukraine, Weißrußland und den Bundesländern Brandenburg Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen. Die EU präsentiert deshalb ein eigenes Zahlenwerk Unter Zugrundelegung ihres Haushaltsvolumens und ihr angemessen erscheinender Mehrkoste der Erweiterung bei gleichzeitigen Haushaltseinsparungen hat sie für den Zeitraum 200 bis 2006 ein Budget erstellt, das laut Angabe der EU-Haushalt-Kommissarin Michael Schreyer (einer Deutschen) "verkraftbare" Ausgaben für die Aufnahme von zeh Beitrittskandidaten berücksichtigt. Vermutlich hat die EU wohl selbst Zweifel, ob diese Budget realistisch ist.
Unaufrichtig ist aber auch die Bundesregierung, die ihre Bürger mit nichtssagenden unverbindlichen Worten über die behaupteten, aber nicht belegten oder belegbaren Koste der Osterweiterung abspeist und deren Höhe und Finanzierung, insbesondere den vo deutschen Steuerzahler zu tragenden Anteil, unbeziffert läßt.
Um eine Vorstellung über die Größenordnung der Kosten der Osterweiterung zu bekommen, sollen zunächst die in der mittelfristigen Finanzplanung EU-Budget 200 bis 2006 angesetzten Beträge genannt und kommentiert werden. Danach belaufen sic die Kosten in diesem Zeitraum auf rund 80 Milliarden Euro, also rund 157 Milliarden Mar (zu Preisen von 1999) und entsprechen elf Prozent der Gesamtausgaben des EU-Haushaltes Davon entfallen ca. 58 Milliarden Euro = 113 Milliarden Mark auf den Beitritt im engere Sinne und 22 Milliarden Euro = 43 Milliarden DM auf die Vorbereitungshilfe. Da die Transferzahlungen laut Budget 20002006 von Jahr zu Jahr steigen werden un schließlich unfinanzierbar zu werden drohen, sah sich die EU zur Festlegung vo Finanzierungsmaßstäben gezwungen, die sich an bestimmten Größen wi Bruttoinlandsprodukt, Bruttosozialprodukt etc. orientieren und Obergrenzen vorsehen Bemerkenswert ist, daß die Budgetansätze sich nur auf die fünf Länder der ersten Rund beziehen.
Die Aufnahme der zweiten Riege würde nämlich die Kosten noch um rund ein Dritte erhöhen. Auch sind keine Direktbeihilfen angesetzt. Aus dieser zurechtgeschusterte Budgetierung wird ersichtlich, daß bei einer Osterweiterung im Jahr 2002 oder 2004 mi unrealistischen Zahlen operiert wird. Es stellt sich daher die berechtigte Frage, ob die "Einstiegskosten" mit der Absicht gedeckelt wurden, um den Netto-Zahlern die Erweiterung als kaum ins Gewicht fallende Mehrbelastung schmackhaft zu machen. Mit de dadurch ermöglichten Beitritt würden dann wie beim Beschluß über die Einführung des Euro unumkehrbare Tatsachen geschaffen.
Von Wirtschaftsinstituten anhand von Modellanalysen angestellte Berechnungen über die finanziellen Auswirkungen der Osterweiterung auf die einzelnen Mitgliedsländer der E kommen hinsichtlich Deutschlands zu folgendem Ergebnis: Unter Zugrundelegen seine derzeitigen Beitragssatzes zum EU-Bruttohaushalt von 26,4 Prozent, den vorgesehene prozentualen Kostenbemessungssätzen, zeitlichen und gruppenmäßigen Beitrittsstufe ergeben sich ab 2006 Mehrbelastungen von jährlich zwischen 2,7 und 5,2 Milliarden Euro 5,3 bis 10,2 Milliarden Mark bei einer Erweiterung um die erste Gruppe, bei eine Erweiterung um die zweite Gruppe, d. h. um zehn mittelosteuropäisch ("MOE")-Länder, steigen sie sogar bis auf 9,7 Milliarden Euro, also 1 Milliarden Mark jährlich, was einer Erhöhung des deutschen Bruttobeitrages um zehn bi 13 Prozent entspräche.
Da in der Agrar- und Regionalpolitik bei der Verteilung der Fördermittel vor allem die Beitrittsländer berücksichtigt werden sollen bzw. müssen, während die Leistungen a die bisherigen Empfängerländer reduziert werden, sind Verteilungskämpfe vorhersehbar Polen erwartet nach seinem Beitritt allein aus der Agrar- und Regionalpolitik Zahlunge von jährlich mehr als zehn Milliarden Euro, d. h. rund 20 Milliarden Mark. Von de Regionalförderung wird insbesondere Polen profitieren, da es unter den Ländern de ersten Beitrittsgruppe der Kandidat mit dem niedrigsten Einkommensniveau ist (23 Prozen des BIP pro Kopf des EU-Niveaus) und die Armutszonen fast ausschließlich in diese angeblich beitrittstauglichen Land liegen.
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