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Als die finanzielle Schattenwirtschaft aufgedeckt wurde, war zunächst Betroffenheit und Reue angesagt. Aufgeklärt sollte werden, brutalstmöglich sogar. Doch bald dämmerte den Aufklärern, daß zu viel Wissen auch Schaden stiften kann, und sie suchten nach anderen Formen der Entlastung." Ob Inge Wettig-Danielmeier, Finanzchefin der SPD, solche Sätze auch heute noch für das Parteiorgan Vorwärts (Ausgabe 01/01) formulieren würde, darf wohl bezweifelt werden. Mit ihrem hämischen Aufsatz, der seinerzeit die CDU treffen sollte, hat die SPD-Obere nahezu prophetisch die gegenwärtige Situation der eigenen Partei umrissen.
Denn von einem eifrigen Bemühen um die Aufklärung der Kölner Klüngel- und der Wuppertaler Spendenaffäre kann kaum die Rede sein. "Aufklärung im Schongang" lästerte das Nachrichtenmagazin Focus (22/02) und befand, daß von den Schiedsverfahren, die gegen rund 30 verdächtige Parteifreunde allein in Köln eingeleitet worden waren, bis Ende Mai noch keines abgewickelt wurde. Und das, obwohl Generalsekretär Franz Müntefering "mit großem Getöse" eine Feststellungskommission, Schiedsverfahren und eine Bundesschatzmeister-Prüfung versprochen habe.
Die Zurückhaltung des SPD-Generals hat unter anderem dazu geführt, daß bis heute niemand zu wissen scheint, wo etwa rund 300.000 DM (mehr als 153.000 Euro) geblieben sind, die Norbert Rüther als damaliger Chef der SPD-Stadtratsfraktion angenommen hatte. Selbst Parteimitgliedern kam Wettig-Danielmeiers und Münteferings Erklärung am 5. Mai, die "Kölner Affäre" sei aufgeklärt und es seien die notwendigen Konsequenzen gezogen worden, doch zu voreilig.
Auch wenn die Genossen den Kölner Klüngel abhaken wollen - die Wuppertaler Affäre könnte die der Dom-Stadt noch übertreffen, glaubt er "Berliner Privat-Informationen". Nach einem SPD-internen Prüfungsbericht habe ein Bauunternehmer 500.000 DM, ein anderes Mal 165.000
DM an die Kasse des Unterbezirks Wuppertal überwiesen.
Generalsekretär Müntefering habe noch im März 2002 vor dem Spenden-Untersuchungsausschuß des Bundestages ausgesagt, er könne sich "nicht vorstellen", daß jemandem die in der Wuppertaler Unterbezirkskasse eingegangenen Groß-Spenden aufgefallen waren. Zur Zeit seiner Aussage war der parteiinterne Prüfbericht allerdings schon gut fünf Monate alt. Hatte ihn Finanzchefin Wettig-Danielmeier so lange unter Verschluß gehalten, oder verschwieg Müntefering wesentliche Kenntnisse?
Die Staatsanwaltschaft ermittelt weiter. Unabhängig davon, daß der Ruf der Partei arg ramponiert ist, muß die Führung nun wohl auch die - legalen - Konten plündern. Wegen der Spendenaffären in Köln und Wuppertal muß die SPD mit mehreren hunderttausend Euro Strafe wegen Verstoßes gegen das Parteiengesetz rechnen, meldete die Deutsche Presseagentur (dpa). Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) habe vorgeschlagen, noch vor der gesamten Aufklärung Teilsanktionen zu erlassen, erklärte Schatzmeisterin Inge Wettig-Danielmeier.
Zur Ruhe kommen werden die Sozialdemokraten auch durch ein solches Schuldeingeständnis der Nordrhein-Westfalen-Sektion nicht. Köln, so frotzelte der Kabarettist Jürgen Becker unlängst im WDR, sei halt "die nördlichste Stadt Italiens". Wenn er sich da mal nicht täuscht. Denn außer Schleswig-Holsteins SPD-Ministerpräsidentin Heide Simonis, in deren Umfeld eine Berater-Affäre auch ihr selbst einen vorzeitigen Amtsverzicht bescheren könnte, hat sich ein weiterer prominenter Sozialdemokrat in den Schlagzeilen zurückgemeldet: Gerhard Glogowski, weiland für knappe 13 Monate Ministerpräsident von Niedersachsen und seit kurzem Präsident des Fußball-Zweitligisten Eintracht Braunschweig, ist womöglich in eine Finanzaffäre verwickelt, die den Sozialdemokraten nach dem Urteil von Kommentatoren durchaus noch schaden kann. Denn Glogowski ist wieder SPD-Bezirksvorsitzender.
Im November 1999 hatte er vom Amt des Regierungschefs wegen nichtbezahlter Rechnungen, nicht abgeführter Aufsichtsratsbezüge und mietfreier Nutzung einer Landeswohnung zurücktreten müssen. Jetzt haben Rechnungsprüfer der Stadt herausgefunden, daß Glogowski noch vor seiner Wahl zum Ministerpräsidenten einen fragwürdigen Handel nicht verhindert, möglicherweise sogar unterstützt hat.
Als Aufsichtsratsvorsitzender der Stadtwerke, meldete das Hamburger Abendblatt, habe der Politiker 1997 den Ankauf eines Busunternehmens massiv gefördert. Kaufpreis damals: 28 Millionen DM. Der Verkäufer hatte danach eine gemeinnützige Stiftung gegründet, deren Stiftungsrat - welch Zufall - Gerhard Glogow-ski vorsaß!
Weitere Details will nun die Staatsanwaltschaft aufklären. Denn für sie ergibt sich mittlerweile der Verdacht der Untreue durch den damaligen Geschäftsführer der Stadtwerke, über den Glogowski Aufsicht zu führen hatte. Anhaltspunkte dafür bietet der Bericht der stadteigenen Rechnungsprüfer. Danach war das Busunternehmen damals gerade einmal die Hälfte des gezahlten Preises wert, also nur 14 Millionen Mark.
Unglaublich: Nachdem der Kaufpreis feststand, hatte der Unternehmer noch Busse im Gesamtwert von 1,2 Millionen Mark verkauft, freilich ohne den Kaufpreis zu reduzieren. Verdächtig fanden die Prüfer auch, daß er eine an die Stadtwerke veräußerte Immobilie noch monatelang mietfrei nutzte.
Obwohl Braunschweigs Oberbürgermeister Gert Hoffmann (CDU), der Anzeige erstattet hat, davon überzeugt ist, daß der Busunternehmer zum Nachteil des Steuerzahlers begünstigt worden ist, verteidigt SPD-Bezirksvorsitzender Gerhard Glogowski laut Abendblatt das Geschäft als "Glücksfall für die Stadtwerke".
Angesichts solchen "Glücks" hat die Bundespartei SPD die dritte Stufe der bekannten Steigerung "Gegner - Feind - Parteifreund" eigentlich zur Genüge genossen. Doch schon traf sie der nächste Querschläger, diesmal in Person des früheren Vorsitzenden Oskar Lafontaine. In seinem neuen Buch "Die Wut wächst - Politik braucht Prinzipien" drischt Lafontaine auf die deutsche Politik und ihre führenden Köpfe ein: Trottel seien sie, mit viel Opportunismus und großer Orientierungslosigkeit.
Für Kenner der politische Szene ist klar, wen der Autor damit nur gemeint haben kann: Bundeskanzler Gerhard Schröder und seine Mannschaft, die bisher ih- re wichtigsten Wahlversprechen nicht eingelöst und deshalb die Bürger getäuscht haben.
Vier Monate vor der Bundestagswahl kann es übler für die SPD kaum noch kommen. We |
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