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In Zeitungen, Hörfunk oder Fernsehen des Königsberger Gebiets wird selten über ungesetzliche Machenschaften der Gesetzeshüter berichtet. Das liegt jedoch nicht daran, daß Journalisten dieses Thema mieden oder daß es solche Erscheinungen nicht gäbe. Der Grund ist eher, daß die Opfer selbst jeden Lärm um widerrechtliche Freiheitsberaubungen, Handgreiflichkeiten oder Beschlagnahmungen scheuen, weil sie befürchten, es könne sie am Ende teuer zu stehen kommen. Dennoch wäre es falsch zu sagen, daß man gegen den Filz machtlos sei, wie die folgenden Beispiele, über die die Königsberger Tageszeitung "Kaliningradskaja Prawda" berichtete, beweisen:
Im Herbst 1998 entschied der Chef der Feuerwache im "Petersburger Bezirk", Gazejew, er müsse seine Finanzen aufbessern. Deshalb erkundigte er sich bei seinem Kollegen, dem Inspektor für Feuerschutzvorschriften, ob er einen Laden in der Stadt, der Autobatterien verkauft, schon einmal überprüft hätte. Als er eine negative Antwort erhielt, nahm er ein Formular über die Sicherheitsvorschriften mit und machte sich auf den Weg.
Am nächsten Tag legitimierte Gazejew sich im Verkaufspavillon durch seinen Dienstausweis und begann mit Argusaugen das Lager zu inspizieren. Nachdem er seine "Überprüfung" beendet hatte, erklärte er, er müsse eine Meldung wegen Nichteinhaltung der Sicherheitsvorschriften machen. Während der Feuerwehrmann noch über die Höhe der zu verhängenden Strafe nachdachte, erblickte er einen Präsentationsständer, auf dem Batterien ausgestellt waren, und entschied, eine zu erwerben. Bloß nicht für den Verkaufspreis. Gazejew teilte dem verblüfften Verkäufer mit, er käme morgen wieder. Ob wegen der Strafe oder um etwas zu kaufen, blieb im unklaren. Der kluge Verkäufer wartete jedoch den nächsten Morgen nicht ab, sondern wandte sich noch am selben Abend an die Polizei und berichtete von der versuchten Erpressung seitens des Feuerwehrmannes.
Die diensthabenden Polizisten rieten dem Verkäufer, wie er sich verhalten solle, wenn der Erpresser am nächsten Morgen wieder bei ihm auftauchen sollte.
Gegen zehn Uhr am nächsten Morgen erschien Gazejew wirklich im Laden. Er legte Dokumente und ein Strafformular auf den Tisch und bat den Verkäufer um einen Katalog über seine Waren. Er suchte sich eine Batterie aus und gab seine Bestellung auf. Dann lächelte er und teilte dem Verkäufer liebenswürdig mit, daß er viel weniger Geld dabei habe, als die Sache koste. Natürlich war der Verkäufer bereit, ihm die Ware sozusagen als bezahlt zu überlassen. Im Gegenzug erklärte sich der Feuerwehrmann bereit, das Protokoll über die Verletzung der Feuerschutzvorschriften nicht auszufüllen.
Als der Erpresser mit seinem "Einkauf" auf die Straße trat, kamen die Beamten der Sicherheitsabteilung der Polizei aus ihrem Versteck. Derart überrascht, ließ Gazejew vor Schreck die schwere Autobatterie los, die ihm genau auf die Füße fiel.
Im Februar des vergangenen Jahres fand die Gerichtsverhandlung statt. Als unwiderlegbare Beweise für das Verbrechen galten Video- und Kassettenaufnahmen, die von dem Übergabezeitpunkt der Autobatterie aufgenommen wurden. Gazejew zeigte sich reumütig und erklärte, er habe sich gezwungen gesehen, das Verbrechen zu begehen, weil ihm einfach die Mittel zum Leben fehlten.
Das Gericht entschied, den Feuerwehrmann gesellschaftlich nicht ganz zu isolieren. Er wurde zu drei Jahren Freiheitsentzug auf Bewährung verurteilt mit der Auflage, für die Frist von zwei Jahren nicht mehr in staatlichen Diensten beschäftigt zu werden.
Die zweite Geschichte ereignete sich im Mai letzten Jahres. In einer kleinen Siedlung bei Neuhausen wurden bei dem Bürger Iwanow (Name geändert) 0,35 Gramm Haschisch sichergestellt. Auf offener Straße wurde er mit seinem "Gras" verhaftet. Ihn erwartete ein Verfahren wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln. Nach der Beweisaufnahme gelangte die Sache auf den Schreibtisch eines jungen Untersuchungsrichters, nach dessen Ermittlungen der Fall an die Staatsanwaltschaft des Rayons übergeben werden sollte, die das Strafmaß festzulegen hatte. Doch der 23jährige Untersuchungsrichter wollte nicht abwarten, bis der Fall ganz aus seinem Gesichtsfeld entschwand. Während seiner Tätigkeit als Untersichungsrichter war er ohnehin zu der Erkenntnis gelangt, daß Rauschgifttäter meistens nur milde Strafen zu erwarten haben. Was der Täter Iwanow nicht ahnen konnte, war, daß der Untersuchungsrichter Sadowskij sich eben jenes Wissens bediente, um selbst ein Verbrechen zu begehen. Er überredete Iwanow, Staatsanwaltschaft und Gericht Schmiergelder zu zahlen, damit die Strafe auf Bewährung ausgesetzt werde. Das Geld sollte zunächst dem Untersuchungsrichter übergeben werden, der dann die ranghöheren Kollegen bezahlen sollte. Sie vereinbarten eine Summe von 600 US-Dollar.
Am 3. November tagte das Gericht, und Iwanow erhielt tatsächlich Bewährung. Nachdem Sadowskij das Urteil vernommen hatte, rief er seinen Unstersuchungs-Häftling an und verlangte das Geld. Was Iwanow dazu bewegte, das Schmiergeld nicht zu zahlen, blieb ungewiß. Möglicherweise glaubte er, daß er in eine Falle tappen sollte. Jedenfalls wandte er sich an die nächste Polizeidienststelle und erstattete Anzeige gegen seinen Untersuchungsrichter. Der zuständige Kommissar gab Iwanow Instruktionen für die geplante Geldübergabe. Als der Untersuchungsrichter in die Firma fuhr, bei der Iwanow arbeitete, nahm er den Gegenwert von 600 Dollar in Rubelscheinen entgegen und machte sich wieder auf den Weg, als hinter ihm plötzlich seine Kollegen von der Polizei auftauchten und ihn festnahmen.
Bei seiner Verhandlung gestand Sadowskij seine Schuld teilweise ein. Das Strafmaß von zweieinhalb Jahren hingegen hielt er für viel zu hoch. Die Polizei rief alle Bürger auf, sich bei Bestechungs- und Erpressungsversuchen sofort an die zuständigen Behörden zu wenden, damit diese eingreifen können. MRH
(Aus: "Kaliningradskaja Prawda")
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