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Aus eins mach zwei

 
     
 
Hatte der blonde Bretone noch vor wenigen Wochen in Anlehnung an Ludwig XIV. behauptet: "Die Partei bin ich", sieht eine Mehrzahl des Parteivolkes und der Funktionsträger das nicht mehr so wie der einst unumstrittene FN-Patron. Sie finden sich eher in Mégrets Replik wieder: "Die Partei sind wir alle." 15 000 von 50 000 FN-Mitgliedern unterstützten die aus dem Kreis um Mégret kommende Forderung nach einem "Sonderparteitag der Einheit", der dieser Tage in der vom FN regierten südfranzösischen Stadt Marignane durchgeführt wird. Dort wollen die Gegner des Parteivorsitzenden demonstrieren, wer "der reale und legale FN" sei.

Zwischenzeitlich findet, trotz eindringlicher Geschlossenheits-Appelle der gesamten FN-nahen Presse, die sich im Bruderkrieg neutral
verhält, eine mit harten Bandagen geführte öffentliche Auseinandersetzung statt. Le Pen ließ sich gar dazu hinreißen, seine innerparteilichen Widersacher, die er mittlerweile in einer großangelegten Säuberungsaktion aus der Partei entfernte, mit der bislang vom politischen Gegner ihm zugedachten Vokabel als "Rassisten" zu titulieren und festzustellen, daß es "nun eine neue Partei rechts von uns gibt".

Die Widersacher des rhetorisch begabten FN-Chefs, allen voran Jean-Yves Le Gallou, ein Absolvent der berühmten Elitehochschule ENA, empfinden Le Pen zunehmend als "Klotz am Bein", der verhindere, daß der FN aus dem "15-Prozent-Ghetto" ausbrechen und jemals Regierungsverantwortung übernehmen könne. Genau hier liegt der tiefere Zwist, der nun zum offenen Bruch zwischen den beiden FN-Flügeln geführt hat.

Die Ankündigung Le Pens im Herbst, daß seine politisch völlig unerfahrene Frau im Falle seiner Nichtwählbarkeit (wegen einer möglichen Verurteilung wegen "Volksverhetzung") die Nummer eins des FN-Wahlvorschlags zur Europawahl werden solle, war nur der banale äußere Anlaß, der dazu führte, daß sich der lange in der Partei aufgestaute Unmut Bahn brach. Le Pen wird vorgeworfen, daß er sich in seiner Oppositionsrolle gegen das derzeitige "Parteiensystem" bequem, weil für ihn mit finanziellen Vorteilen verbunden, eingerichtet habe. Seine immer wiederkehrenden, bewußt ausgeführten rhetorischen Provokationen und Geschmacklosigkeiten erfolgen immer dann, wenn eine wie auch geartete Zusammenarbeit oder Wahlabsprachen mit den bürgerlichen Parteien UDF und RPR, die aufgrund des französischen Wahlsystems notwendig wären, in greifbare Nähe rücken.

Le Pen strebt nach Ansicht seiner Kritiker überhaupt nicht danach, jemals das Programm des Front National durch Regierungsübernahme oder Beteiligung an einer Koalition umzusetzen. In der Tat profitiert die Familie Le Pen durch Arbeitsverträge mit der Partei nicht schlecht vom staatlichen Geldsegen. Großen parteiinternen Ärger verursachte in diesem Zusammenhang, daß vor wenigen Wochen zwei langjährige und verdienstvolle Mitarbeiter aus dem Umfeld Mégrets wegen vorgeblicher finanzieller Probleme entlassen wurden. Zwei Tage später bekamen der Bruder und die Schwester des erklärten Mégret-Gegners und Vorsitzenden der FN-Jugendorganisation, Samuel Maréchal, Arbeitsverträge. Das pikante dabei: Maréchal ist der Schwiegersohn Le Pens.

Die Gegner Mégrets werfen dem Le Pen-Kontrahenten vor, er wolle die Ziele des Front National verraten, um im Stile des Italieners Gianfranco Fini – der das faschistische MSI in die postfaschistische und regierungsfähige Alleanza Nazionale umwandelte – als Anhängsel der bürgerlichen Rechten zu Ministerehren zu gelangen. Daß dem nicht so ist, wollen Mégret und seine Mitstreiter allerdings hinlänglich bewiesen haben. Viele von ihnen verließen vor 15 Jahren die Parteiformationen der bürgerlichen Rechten, weil ihnen UDF und RPR weltanschaulich zu lau geworden waren. In der Zwischenzeit haben Mégret, Le Gallou, Bardet und andere eine rechte Programmatik ausgearbeitet, die zum wesentlichen Bestandteil des FN-Programmes geworden ist und in der sich bislang alle Strömungen der Rechtspartei wiederfanden.

Gegen massiven Widerstand aus allen Parteien versucht Mégret gerade in der von seiner Frau regierten Stadt Vitrolles-en-Provence die von Le Gallou entwickelte "Nationale und Europäische Präferenz" umzusetzen, das heißt, die Bevorzugung von Franzosen und Angehörigen von EU-Mitgliedstaaten bei der Verteilung von kommunalen Sozialleistungen durchzusetzen. Die Mégret-Anhänger beteuern auch, bei den bevorstehenden Europawahlen – sollte eine Einigung mit dem Le Pen-Flügel nicht möglich sein – kein Bündnis mit Formationen der bürgerlichen Rechten eingehen zu wollen.

Man darf aber dennoch davon ausgehen, daß sich im Juni zwei Listen unter dem Namen Front National dem französischen Wähler stellen werden. Wem letztlich das werbewirksame Markenzeichen "Front National" zufallen wird, entscheiden wohl die angerufenen Gerichte. Zwischenzeitlich kann Mégret zumindest einen Teilerfolg verbuchen. Seine Liste wird das anbieten können, was sich laut Umfragen die Mehrheit der FN-Wähler wünscht: ein Gespann Mégret – Le Pen. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird nämlich Marie-Caroline Le Pen, die Frau von Mégrets rechter Hand Philippe Olivier, den zweiten Platz auf der Wahlliste hinter Bruno Mégret einnehmen. Vor wenigen Wochen sagten französische Politikwissenschaftler, deren analytischer Blick ein wenig durch Schadenfreude über den Streit im Front National getrübt schien, schon den Fall der äußersten Rechten in die politische Bedeutungslosigkeit voraus. Die damaligen Umfragen schienen ihrer schnellen Analyse recht zu geben. Wurde der FN vor dem Ausbruch des Streites mit über 16 Prozent in der Wählergunst gehandelt, so sackten die Werte innerhalb weniger Tage auf zehn Prozentpunkte ab. Für zwei Formationen der nationalen Rechten schien schon gleich gar kein Platz zu sein.

Nach nur wenigen Wochen und trotz unschöner Szenen, die die Medien an der Seine genüßlich ausschlachteten, wollen aber immer noch allein zehn Prozent der befragten Franzosen bei der nächsten Wahl Le Pen wählen. Mégret stieg mittlerweile aber von null auf vier Prozent in der Wählergunst, ohne daß überhaupt eine Wahlwerbung stattgefunden hätte. Mittlerweile sind die politischen Beobachter viel vorsichtiger, zumal für die Probleme, die der äußeren Rechten zu ihrem Erfolg verhalfen, noch lange keine Lösung in Sicht ist. Die Straßenschlachten der vergangenen Wochen in Toulouse und die jüngsten Krawalle, zuletzt in der Neujahrsnacht in Straßburg, legen in den Augen vieler Franzosen ein sichtbares Zeugnis davon ab.

Die Annahme, daß zwei Formationen auf dem äußeren rechten Rand des französischen Parteienspektrums das bislang noch nicht erschlossene rechts-nationale Wählerpotential besser erschließen könnten, ist daher gar nicht so absurd. Aus immer wiederkehrenden Umfragen der letzten zehn Jahre läßt sich ablesen, daß knapp über 30 Prozent der Wahlberechtigten die Innere Sicherheit und die Korruption als Hauptprobleme für ihr Land ansehen. Abgeschreckt wurde dieses meist bürgerliche Publikum aber durch die ständigen Verbalexzesse des Rechts- populisten Le Pen.

Eben jene Wähler will nun der Bildungsbürger Mégret, der die leisen Töne bevorzugt, weit besser ansprechen. Mit Hilfe einer in der Durchführung erfolgreichen Wahlkampagne und einer geschulten jugendlichen Mannschaft räumen ihm zahlreiche Beobachter gute Chancen ein, bei der Europawahl die Fünf-Prozent-Sperrklausel zu überwinden und sich dauerhaft in der Parteienlandschaft unseres westlichen Nachbarlandes festzusetzen.

 
     
     
 
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