|
Matthias stand vor seinen Salatbeeten und runzelte die Stirn. "Lieber Gott, wenn du schon den Salat gemacht hast, warum nur hast du dann auch noch die Schnecken erfunden?" murmelte er vor sich hin und bückte sich, um eine der gefräßigen Kriechtiere aufzuheben. Seine Enkelin Julia hielt sich am äußersten Ende des Gartens auf. Sie war dabei, zwei ihrer Plüschtiere in ein weiches Grasbett zu betten, aber plötzlich ließ sie das grüne Krokodil mit der roten Zunge einfach fallen und rannte zu ihrem Opa. Was machte der da bloß? Bei ihm angekommen, sah sie gera de noch, wie etwas Rundes, Kleines über den Zaun des Nachbarn flog. "Opa, was war das?" wollte sie wissen.
Mathias zeigte mit einer weiten Handbewegung auf seine Salatbeete. "Ich beobachte gerade, wie einige dieser lebendigen Freßapparate über den Zaun zu den Peters fliegen. Die haben nämlich auch viel grünen Salat." Julia sah, daß sich sein faltiges Gesicht ein wenig rötete. Sie wunderte sich. "Aber Opa, Schnecken können doch gar nicht fliegen."
Der alte Mann bückte sich und hob eines der schleimigen Tiere auf. "Die gemeine Flugschnecke, lateinisch: gastropoda molluskosa, ist ein sensibles Wesen. Wenn man sie ein bißchen anstupst, fliegt sie in hohem Bogen über den Zaun. Du hast es ja gerade gesehen." - "Nee, nicht wirklich", meinte Julia und nahm die Schnecke in die Hand. Wie glitschig sie sich anfühlte. "Los, du gemeines Tier", sagte sie, "flieg zum Nachbarn und friß seinen Salat." Sie pustete ein wenig, um die Schnecke anzuspornen, aber die dachte gar nicht daran, sich aus der Hand des Mädchens fortzurühren. "Sie fliegt ja gar nicht", schmollte Julia. Ihr Opa schmunzelte. "Siehst du, so macht man das." Er nahm Julia das Tier aus der Hand und warf es in hohem Bogen über den Zaun. "Sie fliegt doch."
Die Enkelin guckte verdutzt, dann ging ihr ein Licht auf. "Du hast mich veräppelt, Opa. Schnecken können gar nicht fliegen."
"Richtig, meine Kleine. Deshalb hören wir jetzt auch sofort auf, Nachbars Salatbeete mit ihnen zu versorgen. So was macht man einfach nicht. Die Versuchung war groß, aber wie du siehst, habe ich den inneren Schweinehund niedergekämpft. Es waren nur zwei, die ich ..."
"Die gemeine Flugschnecke war also ein Spaß", fiel ihm Julia ins Wort. "Ja, es gibt unzählige Arten. Viele der Land bewohnenden Schnecken sind für die Kulturpflanzen schädlich. Doch es gibt auch nützliche."
"Wir essen ja heute auch noch Weinbergschnecken", sagte Julia, froh, daß sie auch etwas wußte, "meine Tante Cilly, die in der Eifel wohnt, sammelt und konserviert sie sogar." Sie drehte sich auf dem Fuße um und rannte ins Haus, um Oma von ihren neuen Erkenntnissen zu erzählen.
Opa Matthias aber hob eine Schnecke auf, sah sich nach allen Seiten um, und murmelte: "Eine noch - und dann ist s gut!"
Und warf das Tier in hohem Bogen über den Zaun. |
|